Ansicht von Schloss Eisgrub
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Liechtenstein

Der Schatz des Fürsten

Mit seiner privaten Kunstsammlung kann sich nur die Queen messen: Fürst Hans-Adam II. von Liechtenstein ist Herr über mehr als 45.000 Kunstwerke. Seit der Schließung seines Wiener Gartenpalais 2012 schickt der reichste Monarch Europas die Kollektion international auf Reisen und zeigt sie nun auch in der Albertina.

Anlass für die Schau „Von Rubens bis Makart“ bietet das 300-Jahre-Jubiläum des Fürstentums, das 1719 durch den Kauf zweier bankrotter Grafschaften entstand. Nun sind sie also wieder in Wien, die Galionsfiguren der Sammlung Liechtenstein: Ewig rührt das Porträt der kleinen Prinzessin Marie Franziska, die Friedrich von Amerling 1836 beim Schlummern verewigt hat, während Rubens’ „Venus vor dem Spiegel“ keck von der Leinwand herunterblickt.

Ab 2004 konnte die Öffentlichkeit die beiden Gemälde im frisch renovierten Museum Liechtenstein bewundern, dann gingen nach acht Jahren die Lichter aus. Die Latte der erhofften 50.000 Besucherinnen und Besucher jährlich lag zu hoch.

Fotostrecke mit 5 Bildern

Joseph Höger: Blick auf Ischl vom Sophienplatz, um 1836
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Joseph Höger: „Blick auf Ischl vom Sophienplatz“, um 1836
Links: Peter Paul Rubens: Venus vor dem Spiegel, um 1614/15
Rechts: Hans Makart: Der Tod der Kleopatra, 1875
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Links: Peter Paul Rubens: „Venus vor dem Spiegel“, um 1614/15. Rechts: Hans Makart: „Der Tod der Kleopatra“, 1875
Links: Giuseppe Arcimboldo: Die Erde, um 1570; Rechts: Friedrich von Amerling: Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein im Alter von zwei Jahren, 1836
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Links: Giuseppe Arcimboldo: „Die Erde“, um 1570. Rechts: Friedrich von Amerling: „Porträt der Prinzessin Marie Franziska von Liechtenstein im Alter von zwei Jahren“, 1836
Links: Ferdinand Georg Waldmüller: Rosen, 1843; Rechts: Pier Jacopo Alari  Bonacolsi gen. Antico: Büste des Marc Aurel, um 1500, Bronze, vergoldet
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Links: Ferdinand Georg Waldmüller: „Rosen“, 1843. Rechts: Pier Jacopo Alari Bonacolsi gen. Antico: „Büste des Marc Aurel“, um 1500, Bronze, vergoldet
Rudolf von Alt: Der Blaue Salon in Schloss Feldsberg, 1845
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Rudolf von Alt: „Der Blaue Salon in Schloss Feldsberg“, 1845

Adelsprunk zur Imagepolitur

Seit dem Ende des Wiener Museums sind die Schätze der Adelsfamilie viel getourt. Ausstellungen des „Prince of Liechtenstein“ waren unter anderem in Japan, China, Taiwan, Südkorea und Russland zu sehen. Der Adelsprunk überstrahlt das Negativimage vom Geld waschenden Kleinstaat. „Die USA und EU im Nacken, kämpfte sich das Land mit Reformen und Abkommen weg vom internationalen Pranger“, schrieb die „Süddeutsche Zeitung“ kürzlich über Liechtenstein seit dem Finanzskandal 2008. Auch die Kunst dürfte ihr Scherflein dazu beitragen. Nachdem die Albertina aus Vaduz bereits die Kollektion des umstrittenen Finanztreuhänders Herbert Batliner als Leihgabe beherbergt, steuert der Fürst nun die alten Meister bei.

Die ersten Erwerbungen reichen 400 Jahre zurück: Als Obersthofmeister bei Rudolf II. in Prag steckte sich Karl I. von Liechtenstein mit der Sammelleidenschaft an. Bald trat er als Mäzen auf und bestellte repräsentative Werke. In der Albertina wird eine seiner frühesten Auftragsarbeiten buchstäblich vom Sockel geholt. Die fast lebengroße Bronzefigur „Christus im Elend“ sitzt nicht auf einem hohen Podest, sondern begegnet auf Augenhöhe. Aus nächster Nähe können die Muskeln der athletischen Jesusfigur und die rückseitige Widmung an „Carolus“ Liechtenstein betrachtet werden.

Ein Blick in die Ausstellung „Rubens bis Makart. Die FŸrstlichen Sammlungen Liechtenstein“ in der Albertina
APA/Roland Schlager
Seit Jahren zum ersten Mal in Österreich: die Sammlung Liechtenstein

Sammlung wächst ständig

Wer meint, das alles bereits aus dem Gartenpalais Liechtenstein zu kennen, täuscht sich. Die Liechtensteins haben Kunst stets als Ausstattung ihrer Residenzen erworben. In dem Ausstellungsbogen, den die Albertina von der Gotik bis zum Biedermeier schlägt, rücken die Werke viel näher als in dem barocken Palast. Die Bilder konkurrieren dort nicht mehr mit Deckengemälden und Stukkaturen. Die von Sammlungsdirektor Johann Kräftner und Klaus Albrecht Schröder konzipierte Hängung weicht stellenweise von den Kunstepochen ab, um formale Verbindungen deutlich zu machen.

So erstrahlt im ersten Saal der Goldrahmen von Hans Makarts Gemälde „Kleopatra“ aus dem Jahr 1875 neben einer feuervergoldeten Büste des Kaisers Marc Aurel von 1500. Die würdevolle Bronze ist ein Werk des Bildhauers Antico und einer der jüngsten Ankäufe der Sammlung. Mit einem hohen Ankaufsbudget konnte Kräftner seit 2004 Hunderte Werke aus dem internationalen Handel und Auktionen fischen. Zu seiner Beute zählen das Ölbild „Porträt eines Herren“ von Frans Hals um 2,7 Millionen Euro und das „Badminton Cabinet“ (ein prunkvoller Kasten), mit 24,6 Millionen Euro das teuerste je bei einer Auktion versteigerte Möbelstück. Der als Banker mit seiner LGT Group höchst erfolgreiche Hans-Adam II. darf sich zu den aktivsten Kunstsammlern seiner Dynastie rechnen.

Giovanni Antonio Canal gen. Canaletto: Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio, Öl auf Leinwand, ca. 1735 – 1742

Öl auf der Leinwand
Liechtenstein. The Princely Collections, Vaduz – Vienna
Giovanni Antonio Canal gen. Canaletto: „Ansicht der Mündung des Canale di Cannaregio“, ca. 1735–1742

Verkaufter Leonardo da Vinci

Viel Augenmerk wird auch auf Kunstobjekte gerichtet, die das Fürstenhaus einst besaß, aber veräußert hat. So musste sich die Adelsfamilie in den wirtschaftlich schlechten Jahrzehnten nach dem Zweiten Weltkrieg von vielen Kunstwerken trennen. Der einträglichste Verkauf war 1967 Leonardo da Vincis „Bildnis der Ginevra de’ Benci“, das zum damaligen Rekordpreis von fünf Millionen Dollar an die National Gallery of Art in Washington D. C. ging. Als 2002 das Rubens-Bild „Massaker der Unschuldigen“ bei Sotheby’s in London versteigert wurde, das die Liechtensteins bis ins 19. Jahrhundert besessen hatten, musste Kräftner jedoch vor dem Zuschlag auf 77 Millionen Euro kapitulieren und von einem Rückkauf absehen.

Kaufen und verkaufen, auch der Staat Liechtenstein entstand so: Das seit dem Mittelalter in Niederösterreich, Wien, Böhmen und Mähren ansässige Adelsgeschlecht zahlte einen hohen Preis für die bankrotten Herrschaften Vaduz und Schellenberg. Das Alpen-Gebiet mit den armen Bergdörfern war an sich uninteressant; den Ausschlag für den Kauf gab der damit verbundene Sitz im Reichsfürstenrat. Die aristokratische Familie selbst verblieb über 200 weitere Jahre in Wien und auf ihren Schlössern in Eisgrub und Feldsberg (heute Lednice und Valtice in Tschechien). Erst nach dem „Anschluss“ 1938 verlegte Franz Josef II. seinen ständigen Wohnsitz auf das Schloss Vaduz.

Ausstellungshinweis

Rubens bis Makart – Die Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein und Rudolf von Alt und seine Zeit – Aquarelle aus den Fürstlichen Sammlungen Liechtenstein, bis 10.6.2019, Albertina, täglich 10.00 bis 18.00 Uhr, mittwochs und freitags 10.00 bis 21.00 Uhr.

Nackter Prinzenpopo

Nach 1945 enteignete die Tschechoslowakei die Liechtensteins um ihre Schlösser und Ländereien; Bemühungen um Restitution sind bis heute gescheitert. Wie prachtvoll diese Anlagen ausgestattet waren, davon geben Aquarelle von Rudolf von Alt aus dem 19. Jahrhundert einen Eindruck. Der zweite Teil der Jubiläumsausstellung versammelt rund hundert Blätter, teils von den Liechtensteins beauftragte Grafiken, teils unabhängig entstandene. Überraschend intime Einblicke bieten die Kinderbilder von Peter Fendi um 1840, wo sogar der kleine Fürstenpopo von Johann II. aus der Gehschule blitzt. Auch ein Skizzenbuch vermittelt Fendis lebendige Aquarellkunst.

Die Wasserfarbenbilder nehmen mit auf Reisen, wo Thomas Ender Gletscher besteigt, Joseph Höger die Seen des Salzkammerguts in herrlichen Lichtstimmungen einfängt und Jakob von Alt den Flair des Hafens von Neapel. Rudolf von Alt widmete sich auch den beiden Wiener Liechtensteiner Palais, die während der Albertina-Ausstellungen wieder besichtigt werden können. Von Alt malte 1850 die Kapelle des Stadtpalais in der Bankgasse. Die Renovierung dieses Barockbaus verschlang bis 2013 immerhin 80 Millionen Euro. Wer es im Rahmen einer Führung besucht, lernt noch weitere Kunstschätze der Liechtensteins kennen.