U.S.  Präsident Donald Trump bei einer Rede
Reuters/Carlos Barria
Mauerstreit

Trump erklärt nationalen Notstand

US-Präsident Donald Trump hat die nötige Erklärung unterzeichnet, um einen nationalen Notstand an der Südgrenze der USA auszurufen und dadurch Mittel für den Bau einer Grenzmauer zwischen den USA und Mexiko zu erhalten. Seine Gegner und Gegnerinnen sprechen von „schwerwiegendem Machtmissbrauch“ und „Verfassungsbruch“.

Das Weiße Haus veröffentlichte am Freitagnachmittag (Ortszeit) die Notstandserklärung. Darin heißt es unter anderem: „Die aktuelle Situation an der Südgrenze bedeutet eine Grenzsicherungs- und humanitäre Krise, die zentrale Interessen der nationalen Sicherheit bedroht und einen nationalen Notstand darstellt.“

Nach Angaben des Weißen Hauses vom Freitag kann Trump nun auf Finanzmittel in Höhe von insgesamt rund acht Milliarden Dollar zurückgreifen, von denen er große Teile für den Bau einer Grenzbefestigung verwenden kann. Inbegriffen sind 1,375 Milliarden Dollar aus dem Haushalt, die zwar für Grenzsicherung verwendet werden dürfen, nicht aber für den Bau einer Mauer oder eines Zaunes.

USA einer „Invasion“ ausgesetzt

Trump sprach am Freitag in einer Ansprache vor dem Weißen Haus von einer „Invasion“, der die USA ausgesetzt seien. Drogenschmuggler, Menschenschmuggler und kriminelle Banden versuchten, in die USA einzudringen, sagte der republikanische Präsident am Freitag im Rosengarten des Weißen Hauses. Im Publikum saßen Eltern von Gewaltopfern, die mutmaßlich von illegal ins Land gekommenen Migranten getötet wurden. Sie hielten Fotos ihrer Kinder.

Ob die von Trump beschriebene Sicherheitskrise an der Grenze aber tatsächlich besteht, ist heftig umstritten. Trump kritisierte, die Demokraten behaupteten, die meisten Drogen kämen durch reguläre Grenzübergänge ins Land. „Das ist eine Lüge.“ Trump fügte hinzu: „Sie sagen, dass Mauern nicht funktionieren. Mauern funktionieren zu hundert Prozent.“

U.S.  Präsident Donald Trump bei einer Rede vor Journalisten
AP/Pablo Martinez Monsivais
Trump begründet seine Notstandserklärung mit einer „Invasion“ an der Grenze – Kritiker und Kritikerinnen widersprechen

Der Budgetchef des Weißen Hauses, Mick Mulvaney, sagte dazu, das Geld garantiere, dass „wir tun können, was wir tun wollen“. Das bedeute zunächst den Bau von 234 Meilen Grenzbefestigung.

Geld aus Verteidigungsministerium

Der nationale Notstand ist für Trump das letzte Mittel, den von ihm im Wahlkampf versprochenen Mauerbau durchzusetzen. Parlamentarisch war er mit dem Vorhaben gescheitert, obwohl er dafür den mit 35 Tagen längsten Regierungsstillstand in der US-Geschichte in Kauf genommen hatte.

Die Notstandserklärung erlaubt ihm, ohne parlamentarische Zustimmung Finanzmittel zu sammeln, um das Vorhaben zu finanzieren. Nach Angaben des Weißen Hauses soll das Gros des Geldes mit über sechs Milliarden Dollar aus dem Verteidigungsministerium kommen, wo Mittel für Baumaßnahmen und für Drogenbekämpfung bereitgestellt wurden. Außerdem sollen Einnahmen aus Beschlagnahmungen des Finanzministeriums herangezogen werden.

Demokraten auf rechtliche Schritte „vorbereitet“

Die Demokraten kritisierten die Notstandserklärung vehement und sprachen von Machtmissbrauch. Die Vorsitzende im Abgeordnetenhaus, die Demokratin Nancy Pelosi, und der demokratische Fraktionschef im Senat, Chuck Schumer, bezeichneten Trumps Vorgehen als Angriff auf die Verfassung und auf die Etathoheit des Kongresses. Es sei der gesetzeswidrige Schritt eines Präsidenten, der seine Ziele nicht innerhalb der Grenzen des Gesetzgebungsprozesses durchsetzen könne. Pelosi und Schumer teilten bereits vor Trumps Rede mit, eine Notstandserklärung wäre „eine gesetzeswidrige Handlung“ und „ein schwerwiegender Machtmissbrauch“ des Präsidenten.

Trumps Sprecherin, Sarah Huckabee Sanders, sagte, man sei auf rechtliche Schritte vorbereitet, zu denen es aber gar nicht erst kommen solle. „Der Präsident macht seinen Job, der Kongress sollte seinen machen.“ Mit der Notstandserklärung wolle Trump sicherstellen, „dass wir die nationale Sicherheitskrise und humanitäre Krise an der Grenze stoppen“. Pelosi betonte dagegen, die Situation an der Grenze sei kein Notstand.

New York will Notstandserklärung anfechten

„Hoffentlich bekommen wir eine faire Chance und gewinnen vor dem Obersten Gericht“, sagte Trump zu dem sich bereits anbahnenden Gerichtsstreit. Noch während sein Auftritt vor der Presse andauerte, kündigte der Staat New York an, die Notstandserklärung vor Gericht anfechten zu wollen.

Trump kündigt nationalen Notstand an

Trump beharrt weiterhin auf dem Bau der Grenzmauer zu Mexiko. Weil der Kongress ihm die dazu nötigen Mitteln verweigert, kündigte Trump den nationalen Notstand an.

Die Deklaration „ohne legitimen Grund“ könnte zu einer „Verfassungskrise“ führen, erklärte die dortige Generalstaatsanwältin Letitia James, die der Demokratischen Partei angehört. New York werde einen solchen „Machtmissbrauch“ nicht hinnehmen und dagegen mit allen juristischen Mitteln vorgehen.

Notstandserklärung ist „großartige Sache“

Juristische Fachleute in den USA sind geteilter Meinung, ob Trumps Vorgehen verfassungsgemäß ist. Während einige das bejahen, verweisen andere darauf, dass Trump damit die jahrhundertealte Kontrolle des Kongresses über die Finanzen des Bundeshaushalts unterlaufe. Selbst einige Republikaner, darunter Senatsführer Mitch McConnell, sollen laut „New York Times“ Trump vor einer unzulässigen Machtausdehnung gewarnt haben.

Auf Gesetzgebungsebene arbeiten die Demokraten an Beschlüssen, um Trumps Zugriff auf bestimmte Budgettöpfe für den Mauerbau zu verhindern. Trump sagte mit Blick auf die Kritik an der angekündigten Notstandserklärung, vor ihm hätten zahlreiche andere Präsidenten solche Erklärungen unterzeichnet. „Sie unterzeichnen sie, niemanden kümmert es.“ Die Notstandserklärung sei „eine großartige Sache“.

Neue Haushaltssperre vermieden

Der Mauerstreit hatte zu einem lähmenden Konflikt über den Staatshaushalt im Kongress geführt. Die Folge war eine fünfwöchige Finanzsperre für einen Teil der Bundesbehörden über den Jahreswechsel hinweg – es war der längste „Shutdown“ der US-Geschichte.

ORF-Korrespondentin Hannelore Veit über US-Notstand

Die Demokraten sind der Meinung, das Trump nur die Macht des Kongresses einschränken will, um die Grenzmauer schneller bauen zu können. ORF-Korrespondentin Hannelore Veit berichtet aus Washington.

Am Donnerstagabend (Ortszeit) verabschiedeten dann beide Kammern des Parlaments ein neues Budget, das Trump noch am Freitag unterzeichnen wollte, um eine neue Haushaltsblockade zu vermeiden. Dieses Gesetz sieht aber lediglich 1,375 Milliarden Dollar (1,22 Mrd. Euro) für Grenzbarrieren vor.

Das ist weniger als ein Viertel der 5,7 Milliarden Dollar, die Trump für den Bau einer Mauer verlangt hatte. Das Wort „Mauer“ kommt in dem 1.165 Seiten langen Gesetzestext gar nicht erst vor. Die Notstandserklärung ist für Trump der Weg, das Gesetz dennoch zu unterzeichnen und so einen weiteren „shutdown“ zu vermeiden, ohne sein Mauerprojekt aufgeben zu müssen.

Kongress kann Notstandserklärung annullieren

Das US-Recht ermächtigt den Kongress allerdings, Notstandserklärungen des Präsidenten zu annullieren. Dazu bedarf es eines Beschlusses durch beide Parlamentskammern. Die Demokraten verfügen seit Jahresbeginn über die Mehrheit im Repräsentantenhaus, Trumps Republikaner dominieren weiter den Senat.

Der dortige Republikaner-Chef McConnell kündigte an, Trumps Notstandserklärung unterstützen zu wollen. Mehrere seiner Fraktionskollegen meldeten aber Bedenken an. So zeigte sich der republikanische Senator Chuck Grassley besorgt, dass ein „Präzedenzfall“ für die Umgehung des Kongresses bei der Verwendung von Haushaltsmitteln geschaffen werden könnte.

Sollte es tatsächlich einen Kongressbeschluss zur Annullierung des Notstands geben, könnte Trump allerdings dagegen sein Veto einlegen. Dieses kann wiederum nur mit Zweidrittelmehrheiten beider Kammern aufgehoben werden – eine extrem hohe Hürde.