Die deutsche Kanzlerin Angela Merkel bei der Münchner Sicherheitskonferenz
Reuters/Andreas Gebert
„Gefahr“ für Sicherheit

Merkel prangert Trumps Zollpläne an

Was zuletzt ein Gerücht war, ist am Samstag von der deutschen Kanzlerin Angela Merkel gleichsam bestätigt worden: Die USA dürften Autos aus der EU als Gefahr für ihre Nationale Sicherheit einstufen. Merkel hat dafür kein Verständnis, wie sie am Samstag auf der Münchner Sicherheitskonferenz sagte. Versöhnliches kam auch in der folgenden Antwort von US-Vizepräsident Mike Pence nicht.

Das US-Handelsministerium ist nach Merkels Angaben offensichtlich zu der Einschätzung gekommen, dass europäische Autos eine Bedrohung darstellten. Das sei für Deutschland erschreckend, so Merkel. „Wir sind stolz auf unsere Autos. Das dürfen wir ja auch.“

Sie verstehe nicht, wie diese Autos als Gefahr gesehen werden könnten. "Diese Autos werden gebaut in den Vereinigten Staaten von Amerika. In US-Bundesstaat South Carolina sei das größte BMW-Werk. „Nicht in Bayern, in South Carolina“, betonte sie.

Sonderzölle erwartet

Auf der Grundlage der Einschätzung des Handelsministeriums könnte US-Präsident Donald Trump neue Sonderzölle einführen. Laut einer Studie des Münchner ifo-Instituts dürften neue Sonderzölle besonders die deutschen Autohersteller empfindlich treffen. Sollten die USA die Importzölle dauerhaft um 25 Prozent erhöhen, könnten sich die deutschen Autoexporte in die USA langfristig fast halbieren, geht aus Berechnungen des Instituts hervor. Das würde sich auch spürbar auf die Ausfuhren insgesamt auswirken: „Diese Zölle würden die gesamten Autoexporte aus Deutschland um 7,7 Prozent verringern, was einem Wert von 18,4 Milliarden Euro entspräche“, sagte ifo-Experte Gabriel Felbermayr.

Merkel warnt vor Zerfall der Staatenordnung

Die Nachkriegsordnung, an der sich die weltweite Zusammenarbeit jahrzehntelang orientiert habe, sei „unglaublich unter Druck geraten“, sagte Merkel in München.

Offiziell endet erst am Sonntag die Frist für eine Entscheidung des US-Handelsministeriums darüber, ob der Import von Autos und Zulieferteilen die nationale Sicherheit des Landes beeinträchtigt. Sollte das der Fall sein, könnte Trump binnen 90 Tagen darüber befinden, ob er Sonderzölle erheben will. Dadurch will Trump das amerikanische Handelsdefizit abbauen und Jobs in den USA schaffen.

Tiefe Kluft sichtbar

Insgesamt herrschte am Samstag auf der hochrangigen Konferenz großteils transatlantische Uneinigkeit: Merkel hielt bei ihrer Rede ein Plädoyer für Multilateralismus und internationale Zusammenarbeit. Sie warnte zudem vor einem Zerfall internationaler politischer Strukturen. Die Nachkriegsordnung, an der sich die weltweite Zusammenarbeit jahrzehntelang orientiert habe, sei „unglaublich unter Druck geraten“. Diese Ordnung müsse „reformiert“ werden, „aber ich glaube, wir dürfen sie nicht einfach zerschlagen“.

US-Vizepräsident Mike Pence
APA/AFP/Thomas Kienzle
US-Vizepräsident Mike Pence hielt auf der Sicherheitskonferenz an der US-Kritik an Deutschland fest

Streit gibt es unter anderem bei den Themen Verteidigung, Afghanistan und Syrien sowie Iran und Russland. Sie stellte zudem die Entscheidungen der US-Regierung zur Syrien- und Iran-Politik grundsätzlich in Frage und verwies darauf, dass die USA und Europa in der Region eigentlich das gleiche Ziel verfolgten. Der einseitige Abzug der USA aus Syrien sowie Washingtons Rückzug aus dem Atomabkommen mit dem Iran drohe aber genau das Gegenteil zu erreichen.

Deutschland will an Atomabkommen festgehalten

„Ist denn nun gut, aus Syrien sofort und schnell abzuziehen vonseiten der Amerikaner? Oder ist es nicht auch wieder eine Stärkung der Möglichkeiten des Iran und Russlands, dort Einfluss zu nehmen?“, gab die Kanzlerin zu bedenken.

Mit Blick auf das Iran-Atomabkommen fügte sie hinzu: „Helfen wir unserem gemeinsamen Ziel, nämlich die schädlichen und schwierigen Wirkungen des Iran einzudämmen, indem wir das einzige noch bestehende Abkommen aufkündigen? Oder helfen wir der Sache mehr, wenn wir den kleinen Anker, den wir noch haben, halten und daraus vielleicht auf anderen Gebieten Druck zu machen?“

Die Sicherheitskonferenz

Über das Wochenende treffen sich rund 30 Staats- und Regierungschefs und etwa 90 Minister mit sicherheitspolitischen Experten. Dabei geht es etwa um die Zukunft Europas, das transatlantische Verhältnis, China, den Iran und Krisenherde wie Nahost und Afghanistan. Rund 4.000 Polizisten sichern das stets von Protesten begleitete Treffen.

USA wollen Truppenkapazitäten für Syrien

Die USA wollen hingegen von ihren NATO-Verbündeten Truppen für eine Ablösung amerikanischer Soldaten in Syrien. Dazu habe es am Samstag Konsultationen gegeben, die weitergeführt werden sollen, sagte Pence am Rande der Sicherheitskonferenz. Die Verbündeten und Partner sollten mehr Verantwortung übernehmen. Dass Länder wie Deutschland Soldaten zur Verfügung stellen, ist unwahrscheinlich. Als Voraussetzung gilt ein UNO-Mandat.

„Wir wollen unsere Soldaten nach Hause bringen“, sagte Pence demnach. „Also bitten wir andere Nationen darum mitzumachen und nötige Ressourcen, Unterstützung und Personal bereitzustellen, um das Gebiet zu sichern und zu verhindern, dass der IS oder jede andere extremistische Organisation erstarken oder ihr Gebiet zurückerobern.“

Streit über Gaspipeline

Auch beim Thema „Nord Stream“ zeigte sich, wie sehr die Meinungen auseinandergehen. Im Streit über die Gaspipeline verteidigte Merkel das deutsch-russische Projekt. „Es ist richtig und wichtig, dass Europa in gewisser Weise die Hoheit über seine Gasversorgung und die Diversität seiner Gasversorgung behält“, sagte Merkel. Es spreche nichts dagegen, künftig „auch amerikanisches Gas zu kaufen“.

Die USA und osteuropäische Länder werfen Deutschland vor, die Abhängigkeit von russischem Gas bei der Energieversorgung durch den Pipeline-Bau zu erhöhen. Niemand wolle das, sagte Merkel. Sie fügte aber hinzu: „Wenn wir im Kalten Krieg (…) russisches Gas in hohem Umfang eingeführt haben, dann weiß ich nicht, warum die Zeiten heute so viel schlechter sein sollen, dass wir nicht sagen, Russland bleibt ein Partner.“ Geostrategisch könne Europa „kein Interesse daran haben, alle Beziehungen zu Russland zu kappen“.

Pence wirft Iran Planung von neuem Holocaust vor

Trump hatte zuvor den Ausbau der Gaslieferungen aus Russland nach Deutschland kritisiert und sogar Sanktionen angedroht. Pence, der am Samstag nach Merkel auf der Sicherheitskonferenz sprach, bestärkte diese Haltung. Die USA dankten allen europäischen Partnern, die sich ganz klar gegen „Nord Stream 2“ positioniert hätten, sagte Pence und forderte: „Wir möchten auch, dass andere Länder sich so positionieren.“ Und weiter: „Wir können die Verteidigung des Westens nicht garantieren, wenn unsere Bündnispartner sich vom Osten abhängig machen.“

Birgit Schwarz (ORF) über die Münchner Sicherheitskonferenz

Die meisten EU-Länder haben eine andere Herangehensweise bei der Lösung von Konflikten als die USA, so ORF-Korrespondentin Birgit Schwarz.

Besonders deutlich widersprach Pence Merkel beim Umgang mit dem Iran: Erneut rief er die Europäer dazu auf, aus dem Atomabkommen auszutreten. „Die Zeit für unsere europäischen Partner ist gekommen, an unserer Seite zu stehen“, sagte er. Gleichzeitig warf er der iranischen Regierung erneut vor, einen neuen Holocaust zu planen. „Das iranische Regime befürwortet einen Holocaust und versucht ihn auch zu erreichen“, sagte er. „Antisemitismus ist nicht nur falsch, er ist böse.“