Rechte Demo in Warschau mit polnischen Fahnen und bengalischem Feuer
AP/Czarek Sokolowski
Linke organisiert sich

Gegenwind für rechte Regierung in Polen

In rund drei Jahren hat die allein regierende nationalkonservative Partei Recht und Gerechtigkeit (PiS) die Verfassung Polens mehrfach auf die Probe gestellt. Die polnische Linke, zersplittert und im Wettstreit miteinander, ist derzeit nur vereinzelt im Parlament vertreten. Vor den bevorstehenden Wahlen – EU- und polnisches Parlament – versucht die linke Opposition dem Rechtsruck in Polen und Europa neue Strategien entgegenzusetzen.

Die Zeit drängt für die Opposition. Das Parlament, Sejm und Senat, soll im Herbst neu gewählt werden, schon im Mai kann die EU-Wahl erster Stimmungstest für die PiS-Regierung und ihre neuen Herausforderer sein. 2020 soll die Präsidentschaftswahl folgen. Die Opposition versucht nun vonseiten der Lokalpolitik das Feld aufzurollen. Erste Erfolge verzeichnete die Opposition bereits bei den Kommunalwahlen vergangenen November. Vor allem in den Städten erlitt die PiS meist eine klare Niederlage, die Regierungspartei konnte insgesamt aber ihre Position auf regionaler Ebene stärken.

Doch die neu und wieder gewählten Bürgermeister der Opposition sammeln Unterstützung auch über größere Regionen hinweg. Unter ihnen spielte auch der im Jänner ermordete Bürgermeister von Danzig (Gdansk), Pawel Adamowicz, eine wesentliche Rolle. Die polnische Linke versucht verstärkt, über die Vernetzung auf Graswurzelebene, die kommunale Politik und lokale Sorgen politische Spaltungen zu überwinden – als neues Modell zur Bildung politischer Allianzen. Die Unterstützung dafür in der Bevölkerung stieg mit der Ermordung von Adamowicz.

„Erbe von Adamowicz erfüllen“

Er war auf offener Bühne bei einer Benefizveranstaltung im Jänner angegriffen worden und erlag wenig später seinen Verletzungen. Der Mord wird von Kritikern mit Hetze und Hassreden in regierungsnahen Medien in Verbindung gebracht. Die Regierung fand dazu keine klaren ablehnenden Worte. Vielmehr verließen PiS-Chef Jaroslaw Kaczynski und zwei weitere Abgeordnete eine Schweigeminute des Parlaments in Gedenken an Adamowicz, berichtete das US-Magazin „Foreign Affairs“.

Kerzen neben einem Bild des ermorderten Gdansker Bürgermeisters Pawel Adamowicz
Reuters/Agencja Gazeta
PiS-Chef Kaczynski verließ eine Schweigeminute für den ermordeten Danziger Bürgermeister Adamowicz

Zwar liegt die PiS in den Umfragen nach wie vor bei rund 37 Prozent der Stimmen. Doch erreicht die von Robert Biedron neu gegründete Partei Frühling (Wiosna) laut einer von der Zeitung „Rzeczpospolita“ kürzlich veröffentlichten Umfrage bereits mehr als 16 Prozent der Stimmen und den dritten Platz nach PiS und der Bürgerplattform (PO). Beobachter räumen ihr durchaus Chancen ein.

Biedron nahm beim Gründungstag seiner Partei Bezug auf die Ermordung von Adamowicz: „Wir brauchen jetzt mehr positive Energie als jemals zuvor (…). Wir müssen das Erbe von Pawel Adamowicz erfüllen.“ Er machte sich als erster bekennender homosexueller Politiker in Polen als Bürgermeister von Slupsk einen Namen. Bei den letzten Kommunalwahlen trat er aber nicht mehr an, sondern startete eine mehrwöchige Tour durch polnische Städte. Ziel seiner „Brainstorming Sessions“ mit Tausenden Teilnehmenden war die Gründung einer neuen Partei als Alternative zur Regierungspartei PiS.

Frühling könnte PiS-Absolute brechen

Biedron könne bei den Wählern und Wählerinnen punkten, die sich weder mit der PiS noch mit der liberal-konservativen Bürgerplattform (PO) identifizieren können, analysierte etwa Jacek Kucharzyk vom Warschauer Thinktank Institut für Öffentliche Angelegenheiten.

Der Gründer der Partei „Wiosna“, Robert Biedron
APA/AFP/Janek Skarzynski
Biedron bekam mit seiner neuen linken Partei Frühling großen Zulauf in Polen

Ob der hohe Umfragewert, den die Partei nahezu auf Anhieb schaffte, bis zu den Wahlen gehalten werden kann, ist fraglich. Doch könnte Biedrons Frühling die PiS um ihre absolute Mehrheit bringen, sagte die Politologin Anna Materska-Sosnowska. Sollten auch mehr Menschen wählen gehen, kann das für die PiS durchaus eng werden. Bei der letzten Runde der Parlamentswahl im Herbst 2015 lag die Wahlbeteiligung bei 51 Prozent.

Punkten mit Sozialpolitik

Biedron will mit seiner linksliberalen Partei offenbar auf sozialpolitische Themen setzen, mit der die PiS bisher Erfolg hatte – etwa durch die Senkung des Pensionsantrittsalters und ein Kindergeld ab dem zweiten Kind. Biedron will das bereits für das erste Kind einführen, zudem sollen Mindestlohn und Mindestpension angehoben werden. Auch bei den Rechten von Frauen und sexuellen Minderheiten bezieht Biedron im Gegensatz zur PO klar Position. Das strenge Abtreibungsgesetz soll, wenn es nach Biedron geht, liberaler werden und die Kirche mit Steuern belegt werden.

Gerade beim Umgang mit der Kirche unterscheidet sich der Atheist Biedron vom bekennenden Katholiken Adamowicz. Während der ermordete Danziger Bürgermeister so auch moderate Wähler ansprach – immerhin sind rund 90 Prozent der Polen und Polinnen katholisch getauft – und zeigte, dass soziale Toleranz und das polnische katholische Glaubenssystem einander nicht ausschließen, will Biedron Kirche und Staat getrennt wissen. Was Biedron zugute kommen könnte, ist der wachsende Unmut über den verstärkten Einfluss der Kirche unter der PiS-Regierung, meinte Experte Kucharczyk.

Vermittlerrolle für PO?

Die polnische Linke sei zerrissen zwischen der Notwendigkeit eines Kompromisses und dem Wunsch nach einem radikalen Wandel, analysierte „Foreign Affairs“. Auch wenn die PO bei der letzten Parlamentswahl deutlich abgewählt wurde, könnte sie Beobachtern zufolge vermutlich am besten einen Kompromiss zwischen den unterschiedlichen linken Gruppierungen vermitteln.

EU-Ratspräsident Donald Tusk
Reuters/Yves Herman
Es wird spekuliert, dass Tusk für die PO als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen könnte

Im Zuge dessen kochen immer wieder Spekulationen hoch, dass der derzeitige EU-Ratspräsident Donald Tusk, ehemals wichtige Führungsfigur in der PO, für die Bürgerplattform 2020 als Präsidentschaftskandidat ins Rennen gehen könnte. Bisher äußerte sich Tusk allerdings noch nicht dazu.