Statistik Austria
ORF.at/Sonja Ryzienski
Fragen gestrichen

Kritik an „Maulkorb“ für Statistik Austria

Die Streichung bereits vereinbarter Fragen bei einer Befragung der Statistik Austria hat am Freitag die Debatte über deren Unabhängigkeit erneut angefacht. Wie der „Standard“ berichtete, hatte das Sozialministerium fünf Spezialfragen des Mikrozensus zu Überstunden und zur Zufriedenheit mit der Arbeitszeit tilgen lassen. Die Opposition ist empört.

Der Mikrozensus ist eine von der Statistik Austria organisierte Stichprobenerhebung, bei der pro Quartal rund 22.500 zufällig ausgewählte Haushalte in ganz Österreich befragt werden. Das übergeordnete Thema wird im EU-Gleichklang vorgegeben, das nächste Mal soll es um Arbeitszeit und Arbeitsorganisation gehen. Abgefragt wird etwa, ob sich Arbeitnehmer kurzfristig freinehmen können, wie oft Überstunden anfallen und wie die Arbeitszeitaufzeichnungen aussehen, so der „Standard“.

Jeder Staat hat aber auch die Möglichkeit, zusätzliche Details abzufragen. Dabei sei im Vorjahr zwischen Sozialministerium und Statistik Austria vereinbart worden, fünf Zusatzfragen zu stellen, berichtete der „Standard“. Diese sollten sich laut der Zeitung um All-in-Verträge und Zufriedenheit mit der Arbeitszeit drehen. Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) habe sie aber für überflüssig gehalten und gestrichen, hieß es in dem Bericht. Durch eine Verordnung des Sozialministeriums, die Basis der Umfrage ist, werden die Fragen nun nicht erwähnt und können daher auch nicht gestellt werden.

Ansiedlung im Kanzleramt dementiert

Seit 1. September 2018 ist ein neues Arbeitszeitgesetz in Kraft, das die Höchstarbeitszeit pro Tag auf zwölf Stunden und pro Woche auf 60 Stunden anhebt. Die Opposition sieht nun durch die Streichung der fünf Fragen erneut die Unabhängigkeit der Statistik Austria, einer selbständigen, nicht gewinnorientierten Bundesanstalt öffentlichen Rechts, in Gefahr.

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda kritisierte in einer Aussendung, dass „die Statistik Austria zunehmend zum Spielball für die ÖVP-FPÖ-Regierung und ihre Message-Control“ werde, und schrieb von einem „Maulkorb“. Drozda fürchtete eine Ansiedlung der Statistik Austria im Kanzleramt, solche Pläne wären ein „Schritt in Richtung illiberale Demokratie“. Das Kanzleramt hatte jedoch bereits am Wochenende betont, dass weder die Statistik Austria noch deren Kommunikation ins Kanzleramt übergehen soll. Diese Behauptungen der Opposition seien „unwahr“.

„Unbequeme Fragen ersparen“

Aber auch NEOS schlug am Freitag in dieselbe Kerbe: „Nachdem Bundeskanzler (Sebastian, ÖVP, Anm.) Kurz versucht hat, die Kommunikation der Statistik Austria an sein Bundeskanzleramt zu binden, streicht Hartinger-Klein nun einzelne Fragen. Damit erreicht die Message-Control bei der Statistik Austria einen neuen Höhepunkt“, so NEOS-Sozialsprecher Gerald Loacker. Es sei „eine Zumutung gegenüber den Bürgerinnen und Bürgern, wenn die Regierung im Detail kontrolliert, welche Zahlen, Daten, Fakten berichtet werden“.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ)
APA/Roland Schlager
Hartinger-Klein führte die Kosten der Zusatzfragen ins Treffen

Jetzt (vormals Liste Pilz) kritisierte zudem eine „Vereinnahmung und Bevormundung der Wissenschaften“ – die es aber auch unter den Vorgängerregierungen schon gegeben habe, so Sozialsprecherin Daniela Holzinger. Sie wünschte sich freie und unabhängige Universitäten und Forschungseinrichtungen. Dem Ministerium sei es aber darum gegangen, sich unbequeme Fragen und noch unbequemere Antworten zu ersparen.

Fragen über pauschale Abgeltung

Eine dieser Fragen hätte gelautet: „Besteht in Ihrem Arbeitsvertrag eine Vereinbarung, dass Überstunden pauschal abgegolten werden, wie z. B. ein All-in-Vertrag oder eine Überstundenpauschale?“ Eine andere war: „Passt Ihre Arbeitszeitgestaltung im Allgemeinen sehr gut, ziemlich gut, weniger gut oder gar nicht gut zu Ihren persönlichen Lebensumständen?“ Auch Fragen zur Teilzeit und dazu, wie lange Dienstpläne im Vorhinein bekannt sind, waren bereits im fertig erstellten Fragebogen enthalten.

In einer Anfrage an das Sozialministerium durch ORF.at wiederholte das Presseteam des Ministeriums die Stellungnahme, die auch der „Standard“ bekommen hatte: „Bei der von Ihnen erwähnten Umfrage handelt es sich um ‚Meinungen‘, aber nicht um notwendige Fakten für das BMASGK zum Thema ‚Zufriedenheit mit Arbeitszeit‘. Daher und aus dem Grundsatz sparsamer Mittelverwendung wurde von einer Teilnahme abgesehen.“

Kosten als Argument

Die zusätzlichen fünf Fragen stellen zu lassen hätte das Sozialministerium laut „Standard“ 40.000 bis 50.000 Euro gekostet. Doch wird der Mikrozensus ohnehin abgefragt – nun eben ohne Zusatzfragen. Aber da die Vorbereitungsarbeiten bereits beendet gewesen seien, seien auch so zusätzliche Kosten angefallen, nun aber, ohne ein Ergebnis zu erhalten. Durch eine neue Erhebung wäre zudem eine mehrjährige Vergleichbarkeit der Daten möglich gewesen. In der Statistik Austria selbst hieß es am Freitag gegenüber ORF.at, dass man den Sachverhalt erst abklären müsse.

Zuletzt hatte es eine heftige Debatte über eine Umstrukturierung der Statistik Austria gegeben. Berichte über eine mögliche engere Anbindung an die Regierung wurden dementiert. Statistik-Austria-Generaldirektor Konrad Pesendorfer hatte dennoch in einem offenen Brief die weitere Unabhängigkeit der Anstalt gefordert. Vorschläge der Opposition, die Statistik Austria an den Nationalrat anzubinden, um ihre Unabhängigkeit zu garantieren, fanden bisher bei den Regierungsparteien keinen Anklang.