Karl Lagerfeld
AP/Thibault Camus
Eine Familienaffäre

Chanels Zukunft ohne „Kaiser Karl“

36 Jahre lang ist Karl Lagerfeld an der Spitze von Chanel gestanden und hat das Luxushaus zum wohl mächtigsten Familienunternehmen der Modeszene gemacht. Nach seinem Tod hoffen die schweigsamen Eigentümer Gerard und Alain Wertheimer nun, den Erfolg des „Kaisers“ zu Zeiten, in denen Luxusmultis wie LVMH und Kering den Markt beherrschen, fortzusetzen. In Lagerfelds Fußstapfen tritt seine langjährige rechte Hand Virginie Viard.

Kommende Woche wird es das letzte Mal sein, dass eine von Karl Lagerfeld designte Chanel-Kollektion bei der Modewoche in Paris präsentiert wird. Und das Interesse daran ist enorm. Spekuliert wurde bereits, dass der Konzern von Lagerfelds Tod kurzfristig profitieren wird. Die letzten Kollektionen des Modezars könnten gar zu Sammlerstücken werden.

Profitieren werden vor allem jene, die für Lagerfelds Inthronisierung verantwortlich waren – die Brüder Gerard und Alain Wertheimer. Jene Brüder also, die bekannt dafür sind, nicht bekannt sein zu wollen. Seit Jahrzehnten hielten die beiden sich stillschweigend im Hintergrund des schillernden deutschen Modedesigners, über Privates wie Finanzen war wenig bekannt.

Gerard und Alain Wertheimer
Reuters/Charles Platiau
Alain und Gerard Wertheimer – zu sehen bei einer Schau 2013 – gelten als schweigsame Eigentümer des Familienunternehmens

Vom „alten Hut“ zum „Ferrari“

Als Lagerfeld 1983 bei dem Modehaus die kreative Leitung übernommen hatte, war Chanel ein „alter Hut“. Das urteilte niemand Geringerer als Lagerfeld selbst. Denn zur Zeit der modischen Übernahme Lagerfelds gefiel Chanel mit seinen kultigen Damenanzügen in den Farben Rosa, Blau und Eierschale in erster Linie Frauen mittleren Alters. Als Trendsetter galt damals wie auch heute jedoch das jüngere Publikum.

Lagerfeld vereinte in seinen Entwürfen das Klassische mit dem Modernen und machte Chanel damit zu einer der größten Luxusmarken der Modeszene. Allseits bekannt ist das Label für das Parfüm Chanel No. 5, für das „Kleine Schwarze“, für seine Taschen mit Steppoptik und deren zahlreiche Neuinterpretationen sowie deren pompöse Modeschauen. Mit Shows, bei denen etwa ein Raketenstart simuliert wurde oder Models durch einen magischen Wald spazierten, verstand Lagerfeld es, die Shows auch für ein riesiges Publikum auf Sozialen Netzwerken zu inszenieren.

Simulierter Raketenstart bei einer Chanel-Modeschau im März 2017
Reuters/Gonzalo Fuentes
Für eine seiner Shows simulierte Lagerfeld im Pariser Grand Palais einen Raketenstart

Chanel sei ein „Ferrari in der Mode- und der Luxuswelt“, sagte der Experte Luca Solca von der Beratungsgruppe Bernstein über die Marke. Der Konzern habe sich ein ideales Geschäftsmodell erarbeitet – durch die mitunter hochpreisigen Modekollektionen blieb er exklusiv, so Solca gegenüber der Nachrichtenagentur AFP. Zugleich erreichte er über Parfüms und Kosmetik auch die modebewusste Mittelklasse, die Chanel über Lippenstift, Duftwasser und Nagellack kennenlernte.

Beinahe gleichauf mit LVMH

Im vergangenen Jahr lüftete Chanel erstmals in der 109-jährigen Geschichte des Unternehmens seine Verkaufszahlen – und damit eines der größten Geheimnisse der Modeszene: Für 2017 vermeldete das Unternehmen einen Umsatz von 8,3 Milliarden Euro. Der italienische Modekonzern Gucci kam 2018 auf 8,28 Milliarden Euro, der französische Konzern Moët Hennessy Louis Vuitton (LVMH) lag im vergangenen Jahr bei über zehn Milliarden Euro.

In der Modebranche zählt Chanel zu den wenigen Familienunternehmen, die noch vollkommen unabhängig sind und sich somit nicht von den Interessen von Aktionären abhängig machen müssen. Nur wenige andere Modehäuser – etwa Giorgio Armani – sind noch vollkommen in Familienbesitz.

Wertheimers setzen auf Lagerfelds rechte Hand

Die Wertheimers wählten den Zeitpunkt der Bekanntgabe der Daten bewusst: Denn lange wurde darüber spekuliert, ob das Familienunternehmen nicht bald eine Übernahme drohe. Den Gerüchten wollten die Brüder damit offiziell ein Ende setzen. Immerhin hätte niemand Geringerer als LVMH-Chef Bernard Arnault Interesse an der Übernahme geäußert. „Die Zahlen zeigen, dass wir über alle Mittel verfügen zu bleiben, was wir sind. Nämlich ein unglaublich stabiles Unternehmen, das auch die nächsten hundert Jahre unabhängig bleiben kann“, sagte etwa Chanels Finanzchef Philippe Blondiaux.

„Sein (Lagerfelds, Anm.) Job wurde lange als bester in der Branche erachtet, teilweise, weil Chanels Status als private Firma mit einer ungemein erfolgreichen Kosmetikdivision Herrn Lagerfeld ein Level an kreativer Freiheit sicherte, die nicht mit jener seiner Kollegen vergleichbar ist“, schreibt die „New York Times“. Dass Chanel nun nach Lagerfelds Tod allen Spekulationen zum Trotz keinen der schillernden Designernamen – etwa Phoebe Philo, Hedi Slimane oder Alber Elbaz – zum Kreativkopf ernannte, sondern Lagerfelds langjährige rechte Hand Virginie Viard, zeige, dass Chanel auf „Kontinuität“ setze. Und somit nicht auf Prominenz.