Estland wählt Parlament: Premier Ratas muss zittern

In Estland findet am Sonntag eine Parlamentswahl statt. Der seit einem fliegenden Koalitionswechsel im November 2016 amtierende Ministerpräsident Jüri Ratas von der Zentrumspartei hat laut Umfragen zwar noch leichte Vorteile, im Amt bleiben zu können. Zuletzt deutete sich allerdings eine Trendumkehr zugunsten der rechtsliberalen Reformpartei an.

Der 40-Jährige, der vor zwei Jahren dem umstrittenen Langzeitvorsitzenden der Zentrumspartei, Edgar Savisaar, nachgefolgt war, regiert derzeit mit Hilfe der Sozialdemokraten und der konservativen Vaterlandspartei (Isamaa).

Hauptkonkurrentin von Ratas ist die Tochter von Ex-EU-Kommissar Siim Kallas, Kaja. Sie ist die Vorsitzende der Reformpartei, die bis 2016 zwölf Jahre lang die Innenpolitik dominierte und jeweils den Regierungschef stellte.

Umfragen: Reformpartei vor Zentrumspartei

Mit der national-populistischen EKRE-Partei und der Freien Partei treten zwei weitere rechte Parteien an. Ebenfalls um einen oder mehrere der 101 Sitze im Parlament (Riigikogu) bewerben sich zwei Grün-Parteien sowie die neu gegründete sozialliberale Estland-200-Partei. Nur Letztere darf den Umfragen zufolge hoffen, die Fünfprozenthürde überspringen zu können und neu ins Parlament einzuziehen.

Seit Jahresbeginn war der Trend in den Umfragen ziemlich stabil. Die Zentrumspartei führte knapp vor der Reformpartei und EKRE. Erst vergangene Woche deutete sich allerdings eine Trendumkehr an. In drei der vier jüngsten Umfragen lag die Reformpartei knapp vor der Zentrumspartei.

Wahlkampfthemen: Geldwäscheskandal und radioaktiver Abfall

Themen im Wahlkampf waren zuletzt der Geldwäscheskandal um die Danske Bank und die Swedbank sowie die geplante Einlagerung importierter radioaktiver Abfälle in der ehemals sowjetischen Atomwiederaufbereitungsanlage Sillamäe.

Von der Flüchtlingsbewegung ist Estland so gut wie nicht betroffen. Die Abwanderung junger und gut ausgebildeter Arbeitskräfte bereitet dem Land, ebenso wie in noch höherem Ausmaß den anderen baltischen Staaten, jedoch Sorgen.

Wahlberechtigt sind rund 880.000 Esten und Estinnen. Über 128.000 hatten ihre Stimme zu Beginn der Woche schon per E-Voting zu Hause via Internet oder bei einem der öffentlichen Terminals abgegeben.