Britische Flagge und EU-Flagge
Reuters/Eddie Keogh
Brexit

Der mögliche Weg zur Verschiebung

Lange hat sich die britische Premierministerin Theresa May den Rufen nach einer Brexit-Verschiebung widersetzt – am Dienstag kam dann die Kehrtwende. May erklärte sich nach heftigen Protesten zu einer Verschiebung des Austrittsdatums Ende März bereit. Doch vor der Verschiebung liegt ein steiniger Weg – noch drei Hürden sind zu nehmen.

Zunächst will May ihren Deal spätestens am 12. März zur bedeutungsvollen Abstimmung – dem „Meaningful Vote“ – im britischen Unterhaus vorlegen. Idealerweise hat sie sich bis dahin mit der EU auf Nachbesserungen des Austrittsvertrages geeinigt. Bis zuletzt stand der Vertrag wegen dem umstrittenen „Backstop“ auf der Kippe.

Der „Backstop“ ist die von der EU geforderte Garantie für eine offene Grenze zwischen Irland und dem britischen Nordirland, die von Brexit-Befürwortern abgelehnt wird. Sie befürchten, dass die Klausel Großbritannien auf Dauer an die EU kettet. May will sie beschwichtigen, indem sie den „Backstop“ zumindest befristet – was die EU ablehnt.

Unklar ist auch, ob die nordirische Democratic Unionist Party (DUP), mit der May eine Minderheitsregierung bildet, Mays Änderungen überhaupt zustimmen würde. Sollten deren Abgeordnete sowie Brexit-Hardliner May bei dem Votum nicht unterstützen, würde diese vermutlich ein weiteres Mal im Parlament scheitern.

„No Deal“-Votum für 13. März vorgesehen

Sollte keine Mehrheit für das Abkommen zustande kommen, will May bis 13. März dem Unterhaus die Frage vorlegen, ob die Abgeordneten einen Brexit ohne Vertrag wollen. Eine früheres Abstimmungsdatum sei jedoch möglich, sollte das „bedeutungsvolle“ Votum noch vor dem 12. März stattfinden, hieß es am Dienstag zudem. „Das Vereinigte Königreich wird also nur ohne Deal am 29. März ausscheiden, wenn es die explizite Zustimmung dieses Hauses dazu gibt“, sagte May am Dienstag im britischen Parlament.

Premierministerin des Vereinigten Königreichs, Theresa May
APA/AFP/Ho
Ein „kurzer und begrenzter“ Aufschub sei möglich, so May im britischen Unterhaus

Der britisches Tageszeitung „Guardian“ zufolge ist es unklar, wozu sich die Regierung im Falle eines „No Deal“-Votums aussprechen würde. Immerhin stehe fest, dass zahlreiche Minister zurücktreten würden, sollte die Regierung eine Abstimmung für einen ungeordneten Brexit unterstützen. Sollte, so der „Guardian“, die Regierung gegen den Vorstoß sein oder den Abgeordneten die freie Wahl geben, würden nur wenige tatsächlich für ein „No Deal“-Szenario stimmen.

EU-Wahl als große Hürde

Falls das Parlament auch dazu Nein sagt, will May am 14. März den Vorschlag machen, bei der EU eine „begrenzte Verlängerung“ der zweijährigen Austrittsfrist zu beantragen. Stimmen die Abgeordneten und dann auch die EU zu, würde Großbritannien also nicht am 29. März ausscheiden. Der EU-Austritt könne allenfalls bis Ende Juni aufgeschoben werden, so May am Dienstag.

May für Brexit-Verschiebung

Premierministerin Theresa May hat eine Abstimmung zur Verschiebung des Brexit-Termins in Aussicht gestellt. Sie selbst hält aber gleichzeitig fest, dass sie weiter für einen geregelten Austritt aus der EU am 29. März sei.

Als Hürde gilt die Europawahl Ende Mai. Als EU-Mitglied müsste Großbritannien Abgeordnete wählen lassen. „Eine Verlängerung bis nach Ende Juni würde bedeuten, dass Großbritannien sich an den Europawahlen beteiligen würde“, so May. Nähme Großbritannien nicht an der Wahl teil, sei aber eine zweite Verschiebung extrem schwierig, sagte May, und die Gefahr eines „No Deal“ Ende Juni damit noch höher. Sie betonte, dass sie eigentlich keine Verschiebung des Brexit-Termins wolle.

Verschiebung für Tusk „vernünftig“

May reagierte mit dem Vorstoß zu einer möglichen Abstimmung über einen „No Deal“-Brexit sowie über eine Brexit-Verschiebung auf enormen politischen Druck. Sie hoffte so noch in letzter Minute eine Rebellion innerhalb ihrer eigenen Partei abwenden zu können. Denn bei der am Mittwoch vorgesehenen Abstimmung über das weitere Brexit-Prozedere, drohte ihr der Kontrollverlust. Mehrere Regierungsmitglieder stellten sich zuletzt hinter einen überparteilichen Antrag, der May gesetzlich zum Verschieben des EU-Austritts verpflichten sollte.

Wegen der kurzen Zeit bis zum Austrittsdatum wäre eine Verschiebung des Brexits „eine vernünftige Lösung“, hatte EU-Ratschef Donald Tusk bereits am Montag gesagt. Er sicherte Großbritannien dafür maximalen guten Willen der übrigen 27 EU-Länder zu. Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) sieht eine Verschiebung des Brexits nur als sinnvoll an, wenn die Briten damit ein konkretes Ziel verknüpfen. Das gab er am Dienstag bekannt.

Labour-Chef nennt Vorgehen „grotesk rücksichtslos“

Bei der Opposition kommt der Vorschlag Mays nicht gut an. Das Vorgehen der Premierministerin sei „grotesk rücksichtslos“, sagte Labour-Chef Jeremy Corbyn. „Ein Austritt ohne Abkommen wäre eine Katastrophe.“ Wie May hatte zuvor bereits er eine Kehrtwende vollzogen und sich hinter die Forderung gestellt, der Bevölkerung eine neuerliche Abstimmung über den EU-Austritt zu ermöglichen. Zuvor wolle Labour jedoch versuchen, die Regierung von ihren eigenen Brexit-Plänen zu überzeugen. Unter anderem soll das Land nach dem Willen von Labour in einer Zollunion mit der EU bleiben, was May ablehnt.

Das Land will die EU bereits am 29. März verlassen. Im Falle einer Verschiebung ist der nächste Streitpunkt schon programmiert: Britische Brexit-Hardliner wollen auf keinen Fall eine längerfristige Verschiebung, also etwa um ein Jahr. Sie fürchten, die Dynamik könnte sich so ändern, dass es ein zweites Referendum und eine Mehrheit für den Verbleib in der EU gibt.

In diesem Fall wäre die Causa wohl ebenfalls nicht entschieden: Da das Land in der Frage so tief gespalten ist, würden Brexit-Befürworter ein Votum für einen Verbleib möglicherweise nicht akzeptieren. Die BBC-Journalistin Laura Kuenssberg stellte via Twitter auch die Möglichkeit in den Raum, dass es nach einem Brexit-Aufschub sogar noch ein drittes „bedeutungsvolles“ Votum nach dem EU-Gipfel Ende März geben könnte.