Sie habe ihr Vertrauen in die Regierung im Umgang mit dem Fall verloren, schrieb die Ministerin auf Twitter. „Auf dem Spiel stehen die Unabhängigkeit und Integrität unseres Justizsystems.“ Für Trudeau kommt die Affäre auch deshalb zur Unzeit, weil im Herbst Wahlen anstehen. Die Opposition forderte bereits seinen Rücktritt.
In der Affäre geht es um Korruptionsermittlungen gegen den kanadischen Baukonzern SNC-Lavalin. Das Unternehmen soll während der Herrschaft des 2011 getöteten libyschen Machthabers Muammar al-Gaddafi Vertreter des nordafrikanischen Staates bestochen haben, um sich Aufträge zu sichern. Dabei soll es um zig Millionen kanadische Dollar gegangen sein.
In Trudeaus Büro soll dafür lobbyiert worden sein, die Causa mit einem Bußgeld und neuen Compliance-Regeln gegen unsaubere Geschäfte auf sich beruhen zu lassen. Der Regierungschef hat die Vorwürfe zurückgewiesen. Im Fall eines Schuldspruchs dürfte der Ingenieurs- und Bauriese mit weltweit 50.000 Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern über zehn Jahre bei keinen öffentlichen Projekten etwa in den Bereichen Bergbau, Transport und Infrastruktur mehr mitbieten.
Ex-Justizministerin erhob schwere Vorwürfe
Im Februar sagte die frühere kanadische Justizministerin und Generalstaatsanwältin Jody Wilson-Raybould vor einem Parlamentsausschuss aus, Trudeau und sein Umfeld hätten Druck auf sie ausgeübt, damit der Fall nicht vor Gericht komme. Es habe sogar unterschwellige „Drohungen“ gegeben.
Wilson-Raybould weigerte sich, Einfluss auf die Ermittlungen zu nehmen, wurde im vergangenen Jänner an die Spitze des Veteranenministeriums versetzt und trat schließlich im Februar zurück. Wenige Tage später trat auch Trudeaus langjähriger Freund und Berater Gerry Butts zurück.
Butts hatte im Zuge der Wahl 2015 maßgeblich zum Erfolg Trudeaus beigetragen. Auf den Rückzug Butts folgten medial rasch Spekulationen, dass Butts in die Affäre verwickelt sein könnte. „Ich weise die Vorwürfe, dass ich oder jemand anderes im Kabinett Frau Wilson-Raybould unter Druck gesetzt habe, entschieden zurück“, so Butts in einem Statement. „Es ist aber eine Tatsache, dass diese Anschuldigung existiert. Sie kann und soll aber keinen Moment von der wichtigen Arbeit, die der Premier und sein Kabinett für alle Kanadier verrichtet haben, ablenken.“