Gang in der Justizanstalt Josefstadt in Wien
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Sicherungshaft „brandgefährlich“

Warnung von Richtern und Anwälten

Vertreter von Richtern und Rechtsanwälten warnen vor der von ÖVP und FPÖ geplanten Sicherungshaft. Auch Verfassungsexperten können dem Vorstoß der Regierung wenig abgewinnen. Richtervereinigungspräsidentin Sabine Matejka befürchtet, dass die Regierung die Grundlage für weitgehendere Eingriffe in die Freiheitsrechte über Asylwerber hinaus schaffen will.

Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff, hält die Präventivhaftpläne der Regierung für „brandgefährlich“. Einen konkreten Gesetzesvorschlag hat die Koalition bisher nicht vorgelegt. Da es sich um eine Zweidrittelmaterie handelt, ist die Zustimmung von SPÖ oder NEOS nötig.

Die Klubchefs von ÖVP und Freiheitlichen sandten Donnerstagnachmittag ihre Einladung an die Opposition zu einem Gespräch in Sachen Sicherungshaft aus. Konkret werden SPÖ-Vorsitzende Pamela Rendi-Wagner und NEOS-Klubobfrau Beate Meinl-Reisinger von August Wöginger (ÖVP) und Walter Rosenkranz (FPÖ) für kommenden Donnerstag zu einer Verhandlungsrunde gebeten.

Getöteter Beamter als Anlassfall

Beide Fraktionen haben bereits zugesichert, an Gesprächen teilzunehmen, jedoch grundsätzliche Skepsis betont. Einerseits will man einmal einen konkreten Gesetzesentwurf sehen, andererseits soll der Anlassfall zunächst aufgeklärt werden. In Dornbirn hatte ein vorbestrafter Asylwerber einen Beamten getötet. Die Opposition vermutet, dass der Mann schon bei den jetzigen rechtlichen Rahmenbedingungen in Gewahrsam genommen hätte werden können. Das Innenministerium bestreitet das. Rechtsexperten vertreten unterschiedliche Meinungen

Eine am Mittwoch verteilte Punktation lässt darauf schließen, dass keine verfassungsrechtliche Einschränkung der Präventivhaft auf Asylwerber geplant ist. Diese Einschränkung soll nämlich nur durch ein einfaches Gesetz erfolgen. Matejka warnt daher davor, dass damit die Grundlagen geschaffen würden, die Inhaftierung wegen einer Gefährdung der öffentlichen Sicherheit auf andere Personengruppen auszuweiten.

Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka
APA/Helmut Fohringer
Die Präsidentin der Richtervereinigung, Sabine Matejka

Matejka: Ausweitung in Zukunft befürchtet

„So wie ich das verstanden habe, soll die Verfassungsänderung nicht gezielt auf eine Regelung im Asylbereich abstellen, sondern viel offener sein. Damit eröffnet man die Möglichkeit für weitere einfachgesetzliche Eingriffe in Freiheitsrechte“, warnte Matejka im Gespräch mit der APA. Selbst wenn eine Ausweitung auf weitere Personengruppen jetzt nicht geplant sei, wäre sie in Zukunft ohne weitere Verfassungsänderung möglich.

Matejka will daher zuerst klären, ob der Eingriff in das Verfassungsgesetz zum Schutz der persönlichen Freiheit überhaupt nötig ist. „Man spricht immer von einer Lücke. Ich meine, dass man sich die Zeit nehmen sollte, diese behauptete Lücke zu untersuchen“, plädiert die Richterin dafür, auch den Anlassfall in Dornbirn zuerst ordentlich zu untersuchen und alle bestehenden Möglichkeiten zu prüfen. Nur wenn man tatsächlich eine Lücke finde, sollten zusätzliche Maßnahmen überlegt werden.

Der Pässident des österreichischen Rechtsanwaltskammertages, Rupert Wolff
APA/Julia Hammerle
Der Präsident der Rechtsanwaltskammer, Rupert Wolff

Wolff: Derzeitige Möglichkeiten ausreichend

Keine Lücke sieht der Präsident des Rechtsanwaltskammertages, Wolff. Er lehnt die Regierungspläne ab. „Das Problem liegt darin, dass man Menschen einsperren will, ohne dass ein Haftgrund vorhanden ist, und das ist brandgefährlich.“ Wolff geht davon aus, dass die derzeitigen Möglichkeiten – also einerseits die Untersuchungshaft bei konkretem Tatverdacht und andererseits die Möglichkeit der Unterbringung von geistig beeinträchtigten Menschen, die gefährlich sind – ausreichen.

Sowohl Matejka als auch Wolff vermissen außerdem einen konkreten Gesetzesentwurf. Da sei vieles noch „unrein“: Wolff verwies etwa auf die Frage, was nach Ablauf der sechsmonatigen Maximaldauer der Sicherungshaft passieren soll. Laut Punktation der Regierung soll nämlich durchaus auch eine längere Inhaftierung möglich sein – und zwar aus nicht näher definierten „besonderen Gründen“.

Öhlinger-Kritik beginnt bei Begriffswahl

Mit einiger Skepsis sehen auch Verfassungsrechtler die Pläne der Koalition zur Sicherungshaft. Theo Öhlinger sagte am Donnerstag im Gespräch mit der APA, dass letztlich die Detailformulierung entscheiden werde, ob das Gesetz halte. Was bisher vorgetragen wurde, begeistert ihn wenig. Das beginne bei einem schlecht gewählten Begriff und höre bei Aussagen wie jener von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) auf, dass etwa jemand ein Fall für die Sicherungshaft sei, der ankündige, alle köpfen zu wollen. Denn das werde wohl kaum ein Asylwerber tun, wenn er nach Österreich komme.

Richter und Anwälte warnen vor Sicherungshaft

Die Regierung beschloss im Ministerrat die Haft für besonders gefährliche Asylwerber. Richter und Anwälte warnen, diese Sicherungshaft sei „brandgefährlich“.

Notwendig sei jedenfalls nicht nur verfassungsrechtlich, sondern auch europarechtlich, dass ein substanzieller Verdacht auf strafbare Handlungen vorliege – entweder auf schon begangene oder konkret geplante. Das müsste im Gesetz klar zum Ausdruck kommen. Bisher sei aber unklar, wie die Regierung zu formulieren gedenke. Daher verstehe er die Opposition, wenn sie nur über einen konkreten Text sprechen wolle.

Mayer dagegen

In den „Oberösterreichischen Nachrichten“ („OÖN“) machte Verfassungsrechtlicher Heinz Mayer klar, dass er von den Plänen gar nichts hält: „Es gibt aus gutem Grund keine Haft auf Verdacht.“ Wie könne der Richter feststellen, ob jemand gefährlich sei, fragte der Experte. Werde abgehört, dass sich jemand mit anderen treffe, um Sprengstoffpläne zu besprechen, könne er ohnehin jetzt schon in Untersuchungshaft genommen werden.

Moser-Sprecherin weist Ausweitung zurück

Das Justizministerium weist Bedenken zurück, die für gefährliche Asylwerber geplante Sicherungshaft könnte einfachgesetzlich auf weitere Personengruppen ausgeweitet werden. Wie die Sprecherin von ÖVP-Minister Josef Moser der APA am Donnerstag sagte, soll die geplante Neuregelung nämlich in jene Bestimmung eingebaut werden, die die verfassungsrechtliche Grundlage für die Schubhaft enthält.

Eingebaut werden soll die Sicherungshaft laut Moser-Sprecherin jedenfalls in die Schubhaftgrundlage im Verfassungsgesetz über den Schutz der persönlichen Freiheit. Im dortigen Artikel 2 (Abs. 1 Ziffer 7) heißt es, dass eine Inhaftierung möglich ist, „wenn dies notwendig ist, um eine beabsichtigte Ausweisung oder Auslieferung zu sichern“. Diese Bestimmung soll nun erweitert werden. Damit werde nach Angaben der Sprecherin auch klargestellt, dass eine Einschränkung auf Asylwerber vorgenommen wird. Einen konkreten Formulierungsvorschlag hat das Ministerium allerdings noch nicht vorgelegt. Der soll erst bei den Gesprächen mit der Opposition folgen.