Sonnenuntergang über ausgetrockneter Erde
Getty Images/Anton Petrus
Buch will wachrütteln

Welt bereits „mitten in der Klimakrise“

Klimakriege, Überflutungen, Dürrephasen und Massensterben – in seinem Buch „The Uninhabitable Earth“ (Dt.: „Die unbewohnbare Erde“) zeichnet David Wallace-Wells ein apokalyptisches Bild der Zukunft – und der Gegenwart. Laut dem Autor befindet sich die Welt bereits „mitten in der Klimakrise“. Es sei höchste Zeit zu handeln.

„Es ist schlimmer, viel schlimmer, als du denkst“, schreibt Wallace-Wells gleich zu Beginn des Buches und leitet damit eine Prophezeiung von Chaos und Zerstörung biblischen Ausmaßes ein, sollte die Menschheit weiterhin ungebremst Treibhausgase in die Atmosphäre pumpen. „Die Langsamkeit des Klimawandels ist ein Märchen, ein möglicherweise so schädliches wie jenes, das besagt, dass er (der Klimawandel, Anm.) gar nicht stattfindet“, heißt es weiter.

Der Autor will mit dem Werk klarmachen, dass die Klimakrise gar kein Problem für künftige Generationen ist – sie hat schon längst begonnen. Überflutungen wie Dürrephasen nehmen zu – und das durch knapp ein Grad Celsius menschengemachter Erderwärmung seit Beginn der industriellen Revolution. So hat allein der US-Bundesstaat Kalifornien 2017 fünf seiner 20 schlimmsten Brände erlebt. Als Beispiel nennt er auch den Bürgerkrieg in Syrien. Dieser sei „von Klimawandel und Dürren“ angefacht worden. Kurz später relativiert er das wieder und merkt an, dass Wissenschaftler es als „nicht gerade fair ansehen, zu sagen, dass der Konflikt die Folge der Klimaerwärmung ist“.

Wallace-Wells will Leser aufrütteln

Als einen „Aufruf zu handeln“ versteht Wallace-Wells offenbar sein Buch, das mal warnt und mal zur Vorsicht aufruft. Seine Belege sind teils Medienberichte teils wissenschaftliche Publikationen. Teil der Strategie des Autors ist es, aufzuzeigen, womit die Welt derzeit zu kämpfen hat und in welche Richtung es weitergehen kann. Chaos und Zerstörung würden allein bei einer Erderwärmung von zwei Grad Celsius unaufhaltbar sein – jener Grenzwert, der beim Pariser Klimaabkommen 2015 festgelegt worden ist. Bei einer Erwärmung von fünf Grad, so die Prophezeiung, würde ein Großteil der Welt dauerhaft von Dürre betroffen sein.

Buchcover „The Uninhabitable Earth“
Penguin Random House

David Wallace-Wells: The Uninhabitable Earth: Life After Warming. Tim Duggan Books, 320 Seiten, 17,50 Euro.

Wallace-Wells, der sich selbst nicht als Umweltschützer sieht, ist ein Journalist des „New York Magazine“. Dort hatte er bereits vor zwei Jahren einen Artikel mit dem Titel „The Uninhabitable World“ veröffentlicht, der binnen kurzer Zeit viral gegangen ist. Darin zeigte er die verheerenden, bevorstehenden Folgen des Untätig-Bleibens beziehungsweise des Nicht-ausreichend-tätig-Werdens der Menschheit in puncto Klimakrise auf. Sein neues, gleichnamiges Buch ist dessen Fortsetzung.

Medienecho der Superlative

Wallace-Wells’ Faszination für die Thematik rührt von Einzelerzählungen, wie jener von Wissenschaftlern, die durch schmelzendes Eis auf einer Insel in der Arktis festsaßen. Die „banale“ Sprache der Klimatologie wollte er laut eigenen Angaben vermeiden – und schrieb Prosa. „Die Sätze in dem Buch sind mächtig und aufrüttelnd, obwohl ich mir nach einer Weile des Vorstellens von solch unaufhörlicher Zerstörung (…) vorkam wie ein Besucher einer Ausstellung von Gräueltaten“, schrieb etwa die „New York Times“-Buchkritikerin Jennifer Szalai. „Doch was sollen wir mit so einer aufgeblasenen Litanei des Horrors anfangen?“

Das Medienecho auf das Buch war jedoch überwiegend positiv. Es sei das „erschreckendste Buch, das ich je gelesen habe“, schrieb Farhaad Manjoo in der „New York Times“. Das Buch sei „packend“, hieß es im „Economist“, der das Werk ob seiner grausamen Schilderung von Zukunftsszenarien mit dem Label „Climate porn“ (Dt.: „Klimaporno“) versehen hatte. Als „exzellentes Buch“ bezeichnete es Fred Pearce von der „Washington Post“. „Unbarmherzigen, wütenden Journalismus auf höchstem Niveau“ nannte es Bryan Appleyard von der „Sunday Times“. „Das Herzstück des Buches ist in eine Schwarte unnötiger Übertreibung gehüllt“, schreibt hingegen der „Guardian“.

„Die großartigste Geschichte, die je erzählt werden wird“

Dezidierte Lösungen präsentiert der Autor in seinem Werk allerdings nicht. Als wesentlich sieht er es – neben Steuern und öffentlichen Investitionen in alternative Energien – aber an, dass Regierungen mit klimafreundlichen Agenden gewählt werden. Diese seien laut Wallace-Wells wirkungsvoller als der individuelle Verzicht auf Plastiktrinkhalme oder auch ein veganer Lebensstil. Die Entscheidungen „der Konsumentenklasse“ würden ihm zufolge überwiegend als Ablenkung von und Ersatz für politisches Handeln dienen.

„Unbewohnbar“, wie es im Titel heißt, wird die Welt jedoch nicht. Zumindest nicht nach der in 320 Seiten gepackten Vorstellung von Wallace-Wells. Der Autor hält trotz der Schwarzmalerei an seinem Optimismus fest: „Dass wir wissen, dass die Klimaerwärmung unser Werk ist, sollte uns Trost schenken, (es sollte nicht, Anm.) Ursache für unser Verzweifeln sein.“ Das Wissen solle gar ermutigend wirken. Seine Tochter, die während des Verfassens seines Buches geboren wurde, würde beobachten, wie die Welt mit einer „existenziellen Bedrohung“ kämpft. „Sie wird es erleben, ganz buchstäblich die großartigste Geschichte, die je erzählt werden wird. Sie mag auch ein Happy End bringen.“