Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
APA/AFP/Patrick Seeger
SPD gegen AKK

„Herrenwitze“ spalten deutsche Koalition

Seit Tagen erhitzt die Debatte die Gemüter in Deutschland: Bei einem Auftritt beim Karneval hatte CDU-Chefin Annegret Kramp-Karrenbauer mit Witzen über intersexuelle Menschen für Empörung gesorgt. Die Kritik wollte Kramp-Karrenbauer nicht gelten lassen – am Aschermittwoch schlug sie zurück. Das Thema war damit nicht vom Tisch: Ihre „Herrenwitze“ spalten die deutsche Koalition.

Den Stein ins Rollen hatte Kramp-Karrenbauer, häufig auch mit ihren Initialen AKK genannt, mit einem Auftritt bei einer Fastnachtsveranstaltung in Baden-Württemberg: Bei ihrem satirischen Auftritt vor dem Stockacher Narrengericht fragte sie in den Saal hinein: „Wer war denn von euch vor Kurzem mal in Berlin? Da seht ihr doch die Latte-Macchiato-Fraktion, die die Toiletten für das dritte Geschlecht einführen.“

Und weiter: „Das ist für die Männer, die noch nicht wissen, ob sie noch stehen dürfen beim Pinkeln oder noch sitzen müssen. Dafür, dazwischen, ist diese Toilette.“ In der Halle wurden Kramp-Karrenbauers Worte mit einem Tusch und Gelächter und Johlen im Publikum begrüßt – doch als der Videoausschnitt auf dem Kurznachrichtendienst Twitter die Runde machte, rollte eine Welle der Kritik an: Rasch wurden die Sager als Witze auf Kosten von Intersexuellen kritisiert.

„Toiletten für das dritte Geschlecht“

Mit einer satirischen Karnevalsrede sorgt CDU-Vorsitzende Annegret Kramp-Karrenbauer seit Tagen für erhitzte Gemüter. Hier das Video, das anhaltend für Verstimmung zwischen CDU und SPD sorgt.

„Menschen denunziert“

„Ist es so schwierig, eine humorvolle Narrenrede zu halten, ohne platt auf Minderheiten einzudreschen?“, fragte etwa FDP-Abgeordneter Jens Brandenburg, Fraktionssprecher für die Anliegen von Lesben, Schwulen, Bi-, Trans- und Intersexuellen. Der Tenor der ersten Kritiker vor allem aus dem Lager der Grünen und Linken reichte fortan von „wahnsinnig peinlich“ über „Trauerspiel“ bis hin zu „ein Jammer, auf Stammtischniveau (…) Menschen zu denunzieren, die nicht der geltenden Machonorm entsprechen“.

Aus den Reihen von Kramp-Karrenbauers CDU wurde schnell zur Verteidigung der Parteichefin ausgerückt – doch lange hielt diese anfängliche Rückendeckung nicht: „Natürlich ist eine Entschuldigung fällig. Das erwarten wir“, sagte der Vorsitzende des Bundesverbands der Lesben und Schwulen in der Union, Alexander Vogt, zu Beginn der Woche. Auch im Karneval gebe es Grenzen. Auch Grünen-Chefin Annalena Baerbock hielt eine Entschuldigung für angebracht.

„Büttenreden kommentiere ich nicht“

Nachdem Kramp-Karrenbauer nicht Stellung dazu bezog, rückte Regierungssprecher Steffen Seibert aus: „Büttenreden kommentiere ich nicht“ – er könne aber gerne über die Politik der Bundesregierung zu Intersexualität Auskunft geben. Die Rechte dieses Personenkreises seien erst Ende Dezember gesetzlich gestärkt worden. Nun könne neben „männlich“ und „weiblich“ auch „divers“ ins Geburtenregister eingetragen werden, versuchte er die Diskussion auf eine sachliche Ebene zu bringen.

Annegret Kramp-Karrenbauer (CDU)
APA/AFP/Danny Gohlke
Kramp-Karrenbauer ließ sich einige Tage Zeit für eine Reaktion – am Aschermittwoch war die Zeit dafür gekommen

Doch den Gegenangriff Kramp-Karrenbauers gab es schließlich dann doch noch – und zwar zum politischen Aschermittwoch der CDU: Über vieles habe sie hier nur den Kopf schütteln können, sagte Kramp-Karrenbauer in Demmin in Mecklenburg-Vorpommern. „Wenn wir da so verkrampfen, wie wir es in den letzten Tagen getan haben, dann geht ein Stück Tradition und Kultur in Deutschland kaputt, und das sollten wir nicht zulassen.“

Kramp-Karrenbauer erklärt Debatte für beendet

Am Freitag erklärte Kramp-Karrenbauer schließlich die Debatte für beendet. Die Diskussion habe gezeigt, dass die linke politische Seite nicht mehr in der Lage sei, die wirklichen Fragen in Deutschland zu thematisieren, sagte sie am Freitag beim politischen Fischessen im CSU-Heimatverband von CSU-Chef Markus Söder in Nürnberg.

„Glauben Sie, dass die Menschen uns gewählt haben, damit wir uns tagelang über nichts anderes unterhalten, wer welchen Witz an Karneval macht, wer welches Kostüm an Karneval trägt und wer was dazu sagt?“, fragte die CDU-Chefin. „Die Menschen haben uns gewählt, damit wir uns um die Fragen kümmern, die sie umtreiben und die unsere Zukunft angehen.“

Es war die erste Rede einer CDU-Vorsitzenden beim politischen Fischessen der CSU in Nürnberg und einer der ersten Auftritte von Kramp-Karrenbauer gemeinsam mit Söder in Bayern. Dieser sagte, „Political Correctness kann man schon machen. Aber wenn man es so macht, dass man an dem, was Menschen empfinden, vorbeiredet, dann brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn ein Teil der Bevölkerung diese Politik nicht mehr ernst nimmt.“

Wechsel würde „niemand in der SPD mitmachen“

Mehrere SPD-Politiker lehnen eine Wahl Kramp-Karrenbauers zur Kanzlerin ab, sollte Bundeskanzlerin Angela Merkel vorzeitig zurücktreten. „Wenn Frau Merkel versuchen sollte, ihre Kanzlerschaft an Frau Kramp-Karrenbauer zu übergeben, gäbe es sofort Neuwahlen“, sagte der Sprecher des konservativen Seeheimer Kreises in der SPD, Johannes Kahrs.

Einen solchen Wechsel würde „niemand in der SPD mitmachen“, sagte er dem Magazin „Spiegel“. „Würde Merkel abtreten, wäre das quasi die Aufkündigung der Geschäftsgrundlage dieser Regierung“, sagte auch der Chef der Jugendorganisation der SPD, Kevin Kühnert, der allerdings ohnehin dem Bündnis mit der Union ablehnend gegenübersteht. „Wir könnten eine solche Machtübergabe definitiv nicht mitmachen“, hob er nun im „Spiegel“ hervor.

Koalitionsvertrag nur „mit Frau Merkel“

Der Vorsitzende des SPD-Landesverbands Nordrhein-Westfalen, Sebastian Hartmann, wies gleichfalls darauf hin, dass seine Partei einen Koalitionsvertrag nur „mit Frau Merkel als Kanzlerin“ unterzeichnet habe. Auf jeden Fall werde die SPD sicher nichts unternehmen, um die Führungskrise der CDU zu befrieden. „Schon gar nicht werden wir ihr bei irgendeiner Erneuerung helfen – da sollten wir als SPD die Nerven bewahren“, sagte Hartmann ebenfalls dem „Spiegel“.

Dem Bericht zufolge wollen zahlreiche Sozialdemokraten vermeiden, dass Kramp-Karrenbauer mit einem Amtsbonus als Kanzlerin in den nächsten Bundestagswahlkampf ziehen kann. Allerdings legte sich auch die Union in der Frage der nächsten Kanzlerkandidatur bisher nicht fest.

Schützenhilfe von Ex-SPD-Chef Gabriel

Schützenhilfe für Kramp-Karrenbauer kam zuletzt von recht unerwarteter Seite – ausgerechnet Ex-SPD-Chef Sigmar Gabriel rückte zur Verteidigung aus. „Ich frage mich, ob wir vergessen haben, was der Begriff Narrenfreiheit heißt“, sagte der SPD-Politiker der „Augsburger Allgemeinen“ (Freitag-Ausgabe). „Wenn wir jetzt anfangen, im Fasching jedes Wort auf die Goldwaage zu legen, dann wäre vor zehn, zwanzig Jahren die Hälfte der Politiker in Haft genommen worden“, fügte Gabriel hinzu.

Gegen „Humorpolizei“

Ob man den Witz gut oder schlecht finde, darüber könne man immer streiten, aber er sei gegen eine öffentliche „Humorpolizei“. Der Streit über Kramp-Karrenbauers Bemerkung sei eine typische elitäre Debatte zwischen Politik und Medien, die weit entfernt von der Lebenswirklichkeit der normalen Menschen sei und damit zur Entfremdung zwischen Parteien und Wählern beitrage, sagte der Ex-Außenminister. „Wir müssen ein super glückliches Land sein, dass wir uns über so etwas aufregen.“