Helfer an der Absturzstelle
AP/Mulugeta Ayene
Nach Absturz in Äthiopien

Flugschreiber der Unglücksboeing gefunden

Einen Tag nach dem Flugzeugabsturz in Äthiopien mit 157 Toten haben die Ermittler die Datenschreiber der Maschine gefunden. Der Stimmenrekorder und der Flugschreiber mit den digitalen Flugdaten seien geborgen worden, teilte Ethiopian Airlines am Montag mit – die Blackbox sei ersten Erkenntnissen zufolge aber beschädigt. Mehrere Airlines reagierten mit Startverboten für den Flugzeugtyp Boeing 737 Max 8 auf das Unglück.

Flugschreiber enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche, was für Ermittler sehr wichtig ist für die Klärung der Unfallursache. Die Blackboxes sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen sollten. Die Unglücksmaschine die von der äthiopischen Hauptstadt Addis Abeba in die kenianische Metropole Nairobi fliegen sollte, war Sonntagfrüh kurz nach dem Start abgestürzt. Alle 149 Passagiere – unter ihnen drei Österreicher – und acht Besatzungsmitglieder kamen ums Leben.

Die österreichischen Todesopfer waren Männer im Alter von 30 und 31 Jahren. Entgegen ersten Meldungen stammten nicht alle aus Oberösterreich, präzisierte das Außenministerium in Wien am Montag die ursprünglichen Angaben. Einer der drei Ärzte war aus Niederösterreich gebürtig, ein weiterer aus Kärnten. Ein in Oberösterreich geborener Mediziner war 31 Jahre alt, sagte Außenministeriumssprecher Peter Guschelbauer. Der 31-Jährige hatte im Ordensklinikum der Barmherzigen Schwestern in Linz gearbeitet.

Angehörige in psychologischer Betreuung

Alle drei Mediziner wollten laut Ministerium von Addis Abeba mit einer Zwischenlandung in Nairobi nach Sansibar fliegen, „um dort medizinisch zu arbeiten“. Die Angehörigen waren bereits am Sonntag verständigt worden, sie wurden psychologisch betreut. Mehr Glück hatte ein Grieche, der in letzter Minute den Einstieg in das Flugzeug verpasst hatte. „Ein Freund sagte mir, ich soll es als eine zweite Lebenschance sehen“, sagte Antonis Mavropoulos griechischen Medien. Die Rettung verdanke er der verspäteten Ankunft auf dem Flughafen von Addis Abeba und der Tatsache, dass ein Flugbegleiter, der ihn zum Flugzeug führen sollte, zu spät kam.

Flugschreiber der Unglücksboeing gefunden

Einen Tag nach dem Flugzeugabsturz in Äthiopien mit 157 Toten – darunter drei österreichische Ärzte – haben die Ermittler die Datenschreiber der Maschine gefunden.

UNO-Mitarbeiter unter den Opfern

Ein deutscher Pfarrer, der seit dem Jahr 2000 in der evangelischen Gemeinde in St. Ruprecht bei Villach tätig war, kam ebenfalls bei dem Absturz ums Leben. Der 51-Jährige war im Auftrag des Weltkirchenrates unterwegs zur UNO-Umweltkonferenz in Nairobi, teilte der Evangelische Pressedienst für Österreich (epdÖ) am Montag mit. Der evangelisch-lutherische Bischof Michael Bünker zeigte sich in der Aussendung „tief betroffen und erschüttert“.

Unter den Opfern sind nach Angaben von UNO-Generalsekretär Antonio Guterres auch Mitarbeiter der Vereinten Nationen. Genaue Zahlen oder Details nannte Guterres in einer Mitteilung am Sonntag allerdings nicht. Das Unglück mache ihn „zutiefst traurig“, sagte Guterres weiter und drückte den Angehörigen der Opfer sein Beileid aus. Von der Internationalen Organisation für Migration hieß es, dass nach ersten Erkenntnissen 19 Mitarbeiter von UNO-Organisationen umgekommen sein könnten. Insgesamt kamen Menschen aus 35 Ländern ums Leben.

Boeing 737 MAX 8 von Air China
APA/AFP
China verzichtet vorerst auf den Einsatz des Boeing-Typs 737 Max 8

Boeing zunehmend unter Druck

Indessen gerät der US-Hersteller Boeing zunehmend unter Druck. Die chinesische Luftfahrtaufsicht CAAC ordnete den heimischen Fluggesellschaften am Montag an, ihre Maschinen des Boeing-Typs 737 Max vorerst nicht mehr einzusetzen – betroffen sind 96 Flugzeuge. Mit diesem Schritt solle die Flugsicherheit gewährleistet werden. Die CAAC will nun Boeing und die US-Behörden kontaktieren.

Auch Indonesien und Äthiopien erklärten am Montag ein Startverbot für alle baugleichen Maschinen. Ethiopian Airlines erklärte zum Startverbot für die übrigen vier Boeings der staatlichen Fluggesellschaft: „Auch wenn wir die Unglücksursache nicht genau kennen, haben wir uns entschlossen, diese Maschinen als zusätzliche Sicherheitsmaßnahme auf dem Boden zu belassen.“

Mehrere Fluglinien prüfen noch

Auch die karibische Fluggesellschaft Cayman Airways erklärte, die beiden Boeing 737 Max 8 der Airline blieben vorerst auf dem Boden. Andere Airlines wie Norwegian und Tuifly sagten hingegen, die Maschinen blieben zunächst in Betrieb.

Österreich kann keine Start- und Landeverbote für Maschinen dieses Typs hierzulande erwirken, sagte Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) am Montag. Die Entscheidung, ob ein bestimmter Flugzeugtyp in Österreich bzw. in Europa mit einem Startverbot („Grounding“) belegt wird, liege bei der Europäischen Agentur für Flugsicherheit (EASA).

Boeing zurückhaltend

Ein Boeing-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Entscheidungen ab. Der Flugzeughersteller kündigte allerdings an, dass er die für Mittwoch in Seattle geplante Feier zur Vorstellung des neuen Modells 777x wegen des Unglücks verschieben werde.

Man konzentriere sich nach dem Absturz der Maschine vom Typ 737 Max 8 darauf, die betroffene Fluglinie zu „unterstützen“, hieß es. Zugleich sagte ein Sprecher, dass es bei der Auslieferung des neuen Großraumflugzeugs keinerlei Verzögerung gebe. Der Ultralangstreckenjet setzt wie die Unglücksmaschine auf eine Spritspartechnologie und soll etwa Flüge von Deutschland nach Australien ohne Tankstopp ermöglichen.

An der Börse lösten die Nachrichten einen Kursrutsch bei Boeing aus. Im Frankfurter Xetra-Handel verlor die Boeing-Aktie bis Mittag fast neun Prozent an Wert, nachdem sie zuvor seit Jahresbeginn fast um ein Drittel zugelegt hatte. Die auf weniger Spritverbrauch getrimmte 737-Max-Reihe gilt als Verkaufsschlager. Das Modell ist eine Neuauflage der seit den 1960er Jahren gebauten Boeing 737 und wird in der neuen Form mit größeren und sparsameren Triebwerken seit 2017 ausgeliefert.

CAAC: Ähnlicher Vorfall im Oktober 2018

Über die Ursache wurde bisher nichts bekannt. Es ist bereits der zweite Absturz einer Maschine des erst seit 2017 ausgelieferten Boeing-Modells 737 Max 8 binnen fünf Monaten. Am 29. Oktober 2018 war ein Jet kurz nach dem Start in Jakarta ins Meer gestürzt. Die Unglücksursache wird noch untersucht. Die CAAC sprach von einer gewissen Ähnlichkeit der Fälle. So seien beide Maschinen während der Startphase abgestürzt. Der Behörde zufolge haben chinesische Fluggesellschaften 96 Maschinen vom Typ 737 Max in Betrieb.

Ein US-Regierungsvertreter sagte, es sei unklar, auf Basis welcher Informationen die Volksrepublik den Beschluss getroffen habe. Ein ähnliches Vorgehen der US-Behörden sei nicht geplant. Die Bilanz in den USA sei glänzend. Die Boeing 737 Max ist das aktuellste Modell der weltweit meistgebauten Verkehrsflugzeugfamilie. In Europa setzt etwa Ryanair auf die Maschine, doch ist noch keines der von der Laudamotion-Mutter bestellten 135 Flugzeuge im Einsatz.

Experte: Dramatische Situation für Luftfahrtbranche

Der Luftfahrtexperte Kurt Hofmann sieht nach dem Absturz der Boeing in Äthiopien eine „sehr dramatische Situation“ für die gesamte Luftfahrtbranche. Es könnte sein, dass bald eine Diskussion über ein weltweites Flugverbot losgetreten wird, sagte Hofmann am Montag in den Ö3-Nachrichten. „Jede Fluglinie fragt sich: Was ist das Problem?“

350 Flugzeuge des Typs seien in Betrieb, aber „über 5.000 wurden bestellt“, so Hofmann. Die Situation sei insofern „sehr dramatisch“, als es sich „um eine neue Flugzeugtype handelt, eine neue Generation, und ein zweites Flugzeug dieses Typs binnen ein paar Monaten auf nahezu ähnliche Weise abstürzt“, sagte Hofmann.