Eine Boeing 737 Max 8
Reuters/Jason Redmond
Nach Flugzeugabsturz in Äthiopien

Boeing räumt Softwareproblem ein

Der US-Flugzeughersteller Boeing hat ein Softwareproblem bei Maschinen des Typs 737 Max 8 eingeräumt, nachdem am Sonntag zum zweiten Mal innerhalb weniger Monate eine fast fabriksneue Maschine dieser Art in Äthiopien abgestürzt war. Man arbeite an einer „Verbesserung der Software“, teilte Boeing am Montagabend (Ortszeit) mit. Indes kündigten mehrere Airlines an, Boeing-Maschinen auf dem Boden zu lassen.

Das Software-Update solle „in den nächsten Wochen“ in der 737-Max-Flotte erfolgen. Boeing verwies darauf, dass die US-Luftsicherheitsbehörde FAA die Änderung des Computerprogramms bis April erwarte. Konkret geht es um ein Programm zur Fluglagestabilisierung (MCAS), bei dem es durch falsche Sensordaten zu Problemen kommen kann. Boeing betonte, dass die Piloten „immer in der Lage sind, die Flugkontrolle manuell außer Kraft zu setzen“. Die 737 Max sei „ein sicheres Flugzeug“.

Zuvor hatte die FAA mitgeteilt, dass Software- und Systemänderungen erforderlich seien. Die Behörde ordnete aber nicht an, dass alle Boeing 737 Max 8 vorerst auf dem Boden bleiben müssen. Die FAA teilte mit, eigenes Personal und Mitarbeiter der US-Transportsicherheitsbehörde NTSB seien nach Äthiopien entsandt worden, um die äthiopischen Behörden bei der Suche nach der Unglücksursache zu unterstützen. „Alle Daten werden während dieser Untersuchung sorgfältig geprüft, und die FAA wird geeignete Maßnahmen ergreifen, wenn die Daten darauf hindeuten, dass das erforderlich ist.“

„Die FAA bewertet und überwacht kontinuierlich die Sicherheit von US-amerikanischen Verkehrsflugzeugen. Wenn wir ein Problem identifizieren, das die Sicherheit betrifft, wird die FAA unverzüglich angemessene Maßnahmen ergreifen“, hatte US-Verkehrsministerin Elaine Chao der Presse gesagt.

Experte sprach von Softwareproblem

Der deutsche Luftfahrtexperte Heinrich Großbongardt hatte am Montag gegenüber Ö1 den Verdacht geäußert, dass ein Softwareproblem an den Abstürzen schuld sei. Bei den Unglücken seien Ähnlichkeiten aufgefallen, „die ins Auge stechen“. Die Software dürfte kurz nach dem Start ohne sichtbaren Grund eingegriffen und die Nase der Maschine nach unten gedrückt haben.

Die Zukunft von Boeing

China, Indonesien und Äthiopien selbst haben bereits Startverbote für Maschinen dieses Typs verhängt. Die Boeing-Aktie büßte zuletzt bis zu 13,5 Prozent.

In den neuen Typ Boeing 737 Max wurde eine zusätzliche Software eingebaut, die dafür sorgt, dass die Flugzeugnase nicht zu hoch genommen wird. Diese dürfte sich eingeschaltet haben, obwohl der Jet im Steigflug war. Die Piloten hätten „ziemlich verzweifelt versucht“, die Nase nach oben zu nehmen. Und als diese wieder nach oben ging, habe die Software wieder eingegriffen und diese runtergedrückt. „Was sie (die Piloten, Anm.) nicht getan haben, was relativ einfach ist, diese Software, dieses System, einfach zu deaktivieren“, meinte Großbongardt. „Das ist relativ einfach, das ist mehr oder weniger ein Knopfdruck" – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Indien verfügt Mindesterfahrung für Piloten

Nach dem Unglück mit 157 Todesopfern, darunter drei Österreicher, schrieb Indiens Luftfahrtbehörde DGCA eine Flugerfahrung von mindestens 1.000 Stunden für Piloten und Pilotinnen des Flugzeugtyps vor. Kopiloten und -pilotinnen müssten mindestens 500 Stunden Flugerfahrung vorweisen, teilte die DGCA mit. Das sei eine vorläufige Sicherheitsmaßnahme, die Dienstagmittag (Ortszeit) in Kraft trete und für alle Flüge im indischen Luftraum gelte. Diese sowie neue Vorgaben zur Wartung der Maschinen seien dem US-Luftfahrtkonzern und der FAA mitgeteilt worden.

Airlines lassen Boeing-Maschinen auf dem Boden

China, Indonesien, Südkorea, Singapur, Australien, Großbritannien und Äthiopiens nationale Fluggesellschaft sowie eine Reihe weiterer Airlines wie die mexikanische Aeromexico und die brasilianische Gol beschlossen indes, Boeings modernisierten Mittelstreckenjet vorerst auf dem Boden zu lassen.

Auch der weltgrößte Reisekonzern TUI stoppte am Dienstag alle Flüge mit dem umstrittenen Flugzeugtyp. Der Schritt umfasse alle Fluggesellschaften des Konzerns, teilte ein Unternehmenssprecher in Hannover mit. Kunden, die von Mittwoch an auf Flüge mit einer der 15 Boeing-Max-Maschinen gebucht sind, will der Konzern auf seiner Website über Änderungen der Reisepläne informieren.

TUI hat bei seinen Airlines in Großbritannien und den Benelux-Ländern insgesamt 15 Maschinen des Typs im Einsatz. Die deutsche Tochter TUIfly soll ihre erste Maschine der Reihe erst in einigen Wochen bekommen. Zuvor hatte TUI wiederholt betont, dass die Flugzeuge sicher seien und der Konzern sie weiterhin in der Luft lasse.

Boeing 737 MAX 8 von Air China
APA/AFP
China verzichtet vorerst auf den Einsatz des Boeing-Typs 737 Max 8

Kein Startverbot der EASA

Andere Airlines, darunter die großen US-Gesellschaften American und Southwest sowie die norwegische Norwegian, fliegen die Maschinen nach aktuellem Stand weiter. Auch die Europäische Agentur für Flugsicherheit (EASA) erteilte vorerst kein Startverbot. Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) verwies auf die Zuständigkeit der EASA und meinte, dass in Österreich einem Flugzeug nur dann der Start verwehrt werden kann, wenn bei einem Check auf einem österreichischen Flughafen ein gravierender Mangel festgestellt worden sei.

Boeing sagt Präsentation ab

Ein Boeing-Sprecher lehnte eine Stellungnahme zu den Entscheidungen der einzelnen Linien ab. Der Flugzeughersteller kündigte allerdings an, dass er die für Mittwoch in Seattle geplante Feier zur Vorstellung des neuen Modells 777x wegen des Unglücks verschieben werde. Zugleich hieß es, dass es bei der Auslieferung des neuen Großraumflugzeugs keinerlei Verzögerung gebe. Der Ultralangstreckenjet setzt wie die Unglücksmaschine auf eine Spritspartechnologie und soll Langstreckenflüge von Mitteleuropa nach Australien ohne Tankstopp ermöglichen.

In einer E-Mail an Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter schrieb Boeing-Chef Dennis Muilenburg, dass man Vertrauen in die Sicherheit der 737 Max 8 habe. Man werde die Untersuchung des Absturzes „voll unterstützen“ und man wolle Aspekte des Vorfalls verstehen, so Muilenburg in der Mail, die der Nachrichtenagentur Reuters vorliegt.

Flugschreiber nach Absturz gefunden

Am Montag fanden die Ermittler unterdessen die Datenschreiber der in Äthiopien abgestürzten Maschine. Der Stimmenrekorder und der Flugschreiber mit den digitalen Flugdaten seien geborgen worden, teilte Ethiopian Airlines am Montag mit – die Blackbox sei ersten Erkenntnissen zufolge aber beschädigt. Flugschreiber enthalten unter anderem Aufzeichnungen der Flugdaten und der Cockpitgespräche, was für Ermittler sehr wichtig ist für die Klärung der Unfallursache. Die Blackboxes sind so robust gebaut, dass sie normalerweise auch ein Unglück überstehen sollten.

Aktie stürzt ab

An der Börse lösten die Nachrichten über den Absturz einen Kursrutsch bei Boeing aus. Zum Handelsstart in New York war die Aktie zeitweise um knapp 13,5 Prozent gefallen. Das bedeutete laut der Nachrichtenagentur Bloomberg den größten Tagesverlust im Handelsverlauf seit den Terroranschlägen in New York am 11. September 2001. Zu Börsenschluss erholte sich der Kurs wieder etwas, die Aktie schloss mit einem Minus von 5,4 Prozent. Im Frankfurter Xetra-Handel verlor die Boeing-Aktie bis Mittag fast neun Prozent an Wert, nachdem sie zuvor seit Jahresbeginn fast um ein Drittel zugelegt hatte.

Trump: „Flugzeuge zu kompliziert zum Fliegen“

US-Präsident Donald Trump sprach sich derweil gegen den Einsatz von zu viel Computertechnologie in der Luftfahrtbranche aus. „Flugzeuge werden viel zu kompliziert zum Fliegen“, schrieb Trump am Dienstag auf Twitter, ohne Boeing zu erwähnen. Statt Piloten brauche es heutzutage Computerspezialisten. Doch diese Komplexität berge Gefahren, so Trump. „Ich weiß nicht, wie es Euch geht, aber ich will keinen Albert Einstein als meinen Piloten. Ich will großartige Flugprofis, die einfach und schnell die Kontrolle über ein Flugzeug übernehmen dürfen“, schrieb er.