Eine Boeing 737 MAX 8 im Landeanflug
APA/AFP/Getty Images/Joe Raedle
Luftraumsperren

Schwerer Schlag für Boeing

Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max 8 in Äthiopien gerät der US-Flugzeugbauer zunehmend unter Druck. Am Dienstagabend wurde der gesamte europäische Luftraum für Flugzeuge dieses Typs gesperrt. Zuvor ergriffen zahlreiche Länder und Fluggesellschaften bereits eigene Vorsichtsmaßnahmen, auch Österreich verbannte die 737 Max 8 am Nachmittag aus seinem Luftraum.

Die Europäische Flugaufsicht (EASA) entschied, alle Flüge mit den betroffenen Modellen zu untersagen. Das teilte die Agentur am Dienstag mit. Die EASA folgte damit der Entscheidung zahlreicher EU-Staaten, die nach dem Absturz zweier Maschinen den Luftraum für diesen Flugzeugtyp gesperrt haben.

Die Regelung greife ab Dienstagabend 20.00 Uhr (MEZ) und gelte auch für Flüge von Anbietern aus Nicht-EU-Ländern in die EU, hieß es von der EASA. Die EASA erklärte, sie unternehme „jeden Schritt, um die Sicherheit von Passagieren zu gewährleisten“. Bei der Sperre handle es sich um eine Vorsichtsmaßnahme. Es sei „noch zu früh, Schlussfolgerungen zu den Gründen des Absturzes zu ziehen“, erklärte sie. Neue Erkenntnisse zum Absturz der Ethiopian-Airlines-Maschine würden laufend ausgewertet.

Österreich kündigte Sperre bereits am Nachmittag an

Das heimische Verkehrsministerium gab bereits am Nachmittag bekannt, dass Verkehrsminister Norbert Hofer (FPÖ) entschieden habe, Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max ab Mitternacht bis auf Weiteres im österreichischen Luftraum zu „grounden“, hieß es in einer Aussendung – mehr dazu in noe.ORF.at. Auch Frankreich, Deutschland, Irland, Italien, die Niederlande und Großbritannien sperrten ihren Luftraum komplett für die Baureihe 737 Max 8.

Zuvor hatten bereits mehrere Länder außerhalb Europas ein Startverbot gegen den Flugzeugtyp Boeing 737 Max 8 oder die gesamte Serie der 737-Max-Flieger verhängt. Darunter sind China, Indonesien, Singapur, Australien, Malaysia und Oman.

Boeing 737 MAX 8 von Air China
APA/AFP
Allein in China sind von dem Verbot knapp 100 Flugzeuge betroffen

Fluglinien legen Maschinen still

Auch mehrere Fluggesellschaften entschieden, die Maschinen vorsichtshalber auf dem Boden zu lassen. Dazu gehören: Ethiopian Airlines, die mexikanische Aeromexico, Aerolineas Argentinas, Cayman Airways aus der Karibik, die südkoreanische Airline Eastar, die brasilianische Gesellschaft Gol, Südafrikas Comair und auch die Fluggesellschaft Norwegian. Auch der weltgrößte Reisekonzern TUI kündigte infolge des Flugverbots in Großbritannien die vorübergehende Stilllegung seiner 15 Flugzeuge vom Typ Boeing 737 Max 8 an. Auch die Billigfluggesellschaft Norwegian wird ihre 18 Maschinen vorerst außer Betrieb nehmen.

Kein Startverbot von US-Luftfahrtbehörde

Unterdessen werden die Forderungen von US-Politikern nach Konsequenzen der Luftfahrtbehörde FAA lauter. Spitzenvertreter beider großen Parteien sprachen sich am Dienstag für ein Startverbot des betroffenen Flugzeugtyps Boeing 737 Max 8 aus. Die FAA solle als vorläufige Vorsichtsmaßnahme anordnen, dass die Flieger am Boden bleiben, bis die Ursachen der jüngsten Abstürze und die Flugtauglichkeit geklärt seien, forderte der frühere republikanische Präsidentschaftskandidat Mitt Romney bei Twitter.

Alle notwendigen Änderungen müssten geschehen, bevor weitere Flüge unternommen und möglicherweise mehr Leben gefährdet würden, appellierte die linke Senatorin und Präsidentschaftsbewerberin der Demokraten Elizabeth Warren an die FAA. Auch die demokratischen Senatoren Richard Blumenthal und Dianne Feinstein forderten ein vorläufiges Startverbot für den Boeing-Jet. Anders als diverse internationale Luftfahrtbehörden stuft die FAA den Flugzeugtyp bisher weiter als flugtauglich ein.

Medien: Boeing-Chef telefonierte mit Trump

Unterdessen berichteten Medien, dass Boeing-Chef Dennis Muilenberg mit US-Präsident Donald Trump über den Absturz der Boeing 737 Max 8 in Äthiopien redete. Die „New York Times“ berichtete unter Berufung auf zwei mit dem Telefonat vertraute Personen, Muilenberg habe bei Trump dafür geworben, kein Startverbot für baugleiche Maschinen in den USA zu verhängen. Auch der Sender CNN vermeldete das Telefonat vom Dienstag, ohne allerdings über Inhalte zu berichten. Eine offizielle Bestätigung gab es nicht.

Boeing beharrt auf Sicherheit

Boeing beharrte auf der Sicherheit seiner nach zwei Abstürzen innerhalb eines halben Jahres stark in die Kritik geratenen Baureihe 737 Max. „Wir haben volles Vertrauen in die Sicherheit“, teilte der Konzern am Dienstag mit. Boeing äußerte aber nach etlichen Startverboten weltweit Verständnis dafür, dass Aufsichtsbehörden und Airlines „Entscheidungen treffen, die sie am angemessensten für ihre Heimatmärkte halten“.

Boeing gibt Softwareprobleme zu

Zwei Tage nach dem Absturz eines Fliegers in Äthiopien räumt der Hersteller Boeing nun erstmals ein Problem ein. Boeing wird die Software nun verbessern.

Das Unternehmen arbeite weiter mit Regulierern und Kunden zusammen, damit diese die nötigen Informationen erhielten, um Vertrauen in den Betrieb der Flotte zu haben. Boeing verwies erneut darauf, dass die FAA derzeit keine weiteren Maßnahmen fordere. Auf Basis der derzeit verfügbaren Informationen gebe es keine Grundlage, neue Anweisungen für den Betrieb der 737-Max-Flotte auszugeben.

Man arbeite allerdings an einer raschen Erweiterung der umstrittenen Steuerungssoftware. In den vergangenen Monaten habe Boeing ein verbessertes Kontrollprogramm entwickelt, um „ein bereits sicheres Flugzeug noch sicherer zu machen“, teilte das Unternehmen am späten Montagabend (Ortszeit) mit. Einen direkten Bezug zu dem am Sonntag in Äthiopien abgestürzten 737-Max-Flieger stellte Boeing nicht her, sprach den Angehörigen der 157 Todesopfer jedoch ganz am Ende des Statements Anteilnahme aus.

Auch Österreicher unter Absturzopfern

Die Boeing 737 Max 8 von Ethiopian Airlines war am Sonntag auf dem Weg nach Nairobi kurz nach dem Start in Addis Abeba abgestürzt. Die Flugschreiber wurden inzwischen am Absturzort gefunden. Unter den Absturzopfern waren drei Österreicher und ein in Kärnten tätig gewesener evangelischer Pfarrer aus Deutschland.

Teile des Flugzeugwracks
AP
157 Menschen kamen bei dem Absturz am Sonntag ums Leben

Die Boeing 737 ist das meistverkaufte Verkehrsflugzeug der Welt. Die 737-Max-Reihe ist die neueste Variante des Verkaufsschlagers. Der US-Hersteller hat bereits mehr als 350 Maschinen ausgeliefert und sitzt auf prall gefüllten Auftragsbüchern mit Tausenden Bestellungen. An der Börse ließ der große Ausverkauf der Boeing-Aktie zwar nach, doch die Nervosität der Anleger bleibt hoch. Im frühen US-Handel fiel der Kurs um rund fünf Prozent. Die Papiere des europäischen Erzrivalen Airbus profitierten hingegen leicht, hier näherte sich der Kurs mit einem Plus von gut einem Prozent dem Rekordhoch vom 1. März.

Es ist nicht das erste Mal, dass Boeing-Maschinen wegen Sicherheitsrisiken in großem Stil nicht starten. Im Jänner 2013 hatte die FAA nach einer Reihe von Pannen ein Flugverbot für Boeings damaligen Vorzeigeflieger „Dreamliner“ verhängt. Vorausgegangen war eine Notlandung des Langstreckenjets in Japan, nachdem eine Batterie durchgeschmort war. Diesmal dürften die Folgen jedoch deutlich schwerwiegender sein, Boeing hatte damals lediglich 50 „Dreamliner“ ausgeliefert, die 737-Max-Jets sind wesentlich stärker verbreitet.