Stadtansicht von Bankok
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Bangkok

Maßnahmen gegen eine sinkende Stadt

Überschwemmungen, Smog, Müll – Bangkok hat trotz internationaler Beliebtheit ein Umweltproblem. Stadtplanerinnen und -planer wollen aber gegensteuern. Sie entwickelten unter anderem einen Park, der die Nachbarschaft vor Überflutung schützen soll – denn zusätzlich zum ständigen Hochwasser sinkt die Stadt jährlich um mehrere Zentimeter.

Die thailändische Hauptstadt erstreckt sich über das Flussdelta des Chao Praya und war einst bekannt als das Venedig des Ostens. Das Netzwerk, bestehend aus Hunderten Kanälen, ist heute jedoch hauptsächlich mit Zement untermauert – eine notwendige Maßnahme aus Sicht der Immobilienbranche, damit moderne Hochhäuser nicht im Sumpfgebiet versinken.

Doch der Nachteil der Uferbebauung liegt nicht allzu fern: Überschüssiges Wasser kann nicht abfließen und wird durch die Kanäle in Wohngebiete gedrängt. Außerdem sinkt die Achtmillionenstadt laut Berechnungen der Umweltschutzorganisation Greenpeace jedes Jahr einen bis drei Zentimeter. Gleichzeitig steigt aber der Meeresspiegel des Golfs von Thailand jährlich um rund vier Millimeter, mehr als der globale Durchschnitt (3,2 mm pro Jahr). Einigen Berechnungen zufolge könnte Bangkok sogar bereits 2030 teilweise unter dem Meeresspiegel liegen.

Park soll vor Überschwemmungen schützen

Die auch durch die Klimakrise immer heftigeren Niederschläge selbst außerhalb der Regenzeit tun ihr Übriges. Ständige Überflutungen sind die Folge. In den letzten Jahren fielen sie einmal mehr, einmal weniger zerstörerisch aus. Eines der gravierendsten Hochwasser sitzt den Menschen allerdings noch seit 2011 tief in den Knochen. Im März, also während der Trockenzeit, kosteten die Fluten damals insgesamt über 50 Menschen das Leben, 40.000 mussten aus Wohngebieten in Sicherheit gebracht werden.

Stadtansicht von Bangkok
Die Nachbarschaft der Chulalongkorn-Universität soll durch eine moderne Parkkonstruktion vor Hochwasser geschützt werden

Zusammen mit einem Team an Planerinnen und Planern entwickelte die Landschaftsarchitektin Kotchakorn Voraakhom auf dem Gelände der Chulalongkorn-Universität, unter Studierenden schlicht Chula genannt, deshalb den 4,5 Hektar großen Centenary Park, der Millionen Liter an Wasser aufnehmen kann. Genauer gesagt, handelt es sich dabei um Reservoirs unter dem Park.

In diese fließen im Falle einer Überschwemmung jene Wassermengen, die nicht von Pflanzen und dem Boden aufgesogen werden können. In den unterirdischen Becken bleibt das Wasser dann bis zur nächsten trockenen Phase, in der es anschließend ohne Risiko ins Kanalsystem abgelassen wird. Laut Voraakhom hielt der Park bisher dem Hochwasser stand, wobei eine „Jahrhundertflut“ wie jene in 2011 ausblieb.

„Spielwiese für Urbanisten“

Eröffnet wurde der Centenary Park bereits 2017 zum Jubiläum des 100-jährigen Bestehens der Chula. Er sei Teil des „Green Chula“-Projekts, so Karl Husa, Professor am Institut für Geographie und Regionalforschung der Universität Wien und Gastprofessor an der nahe gelegenen Mahidol-Universität zu ORF.at. Es gebe zahlreiche „smarte“ Projekte auf dem Campus. Derzeit sei das Gelände vor allem eine Art „Spielwiese für Urbanisten“, so Husa. „Das ist aber immerhin der erste konkrete Ansatz zu einem Green-City-Konzept.“

Smart City

Als Smart City werden Stadtentwicklungskonzepte bezeichnet, die darauf abzielen, Städte effizienter, technologisch fortschrittlicher, grüner und sozialer zu gestalten. Die Konzepte beinhalten technische, wirtschaftliche und gesellschaftliche Innovationen.

Gleichzeitig nämlich geistere die Smart-City-Idee in den Köpfen von Bangkoks Stadtplanerinnen und -planern herum – was mit den Ideen der Universität durchaus einhergehe. Neben dem Centenary Park, der, wie Husa schildert, der Landschaftsarchitektur für „Greenery-Versuche“ diene, gehöre zum neuen Campus unter anderem ein modernes Wohnhaus für internationale Studierende.

„Altes Bangkok“ wird aufgekauft

Auch ein „Mini-Silicon-Valley“ soll bald im an den Park angrenzenden „alten Bangkok“ entstehen. Vom „alten Bangkok“, das vor allem aus heruntergekommenen Geschäftslokalen und einigen Wohnhäusern besteht, ist in der Gegend ohnehin nicht mehr allzu viel übrig. Das Meiste wurde schon von Immobilienriesen aufgekauft. Doch wer nun an Verdrängung der lokalen Bevölkerung denke, liege nicht ganz richtig, so Husa.

Gelände der Chulalongkorn Universität
Karl Husa
Eine Brachfläche vor dem „alten Bangkok“ – dahinter moderne Hochhäuser

Denn das alte Gewerbegebiet, das das Campusgelände umgibt, sei ziemlich baufällig und müsse ohnehin aufwendig saniert werden. Das wüssten auch die Besitzerinnen und Besitzer nur allzu gut. „Das ist für die Shop- und Hauseigentümer üblicherweise eine Jahrhundertchance, reich zu werden“, erläutert der Uniprofessor. „Sie verkaufen und ziehen dann in eines der modernen Subzentren.“ Die Lage der Universität sei schließlich eine der besten und teuersten der Stadt, was sich Eigentümerinnen und Eigentümer auch dementsprechend auszahlen lassen würden, so Husa.

Immobilienhaie ausgebremst?

Bemerkenswert sei, dass die Stadtverwaltung es bis dato geschafft habe, „die großen Immobilienhaie Bangkoks an dieser Stelle auszubremsen“ und die Gegend rund um den Centenary Park der Smart City zu widmen. Es bleibe allerdings abzuwarten, ob sich die Immobilienwirtschaft nicht doch noch gegen die Stadt durchzusetzen vermag. Als weitgehend sicher gelte Husa zufolge jedoch, dass sich die Stadt weiter für „grüne Projekte“ einsetzen werde. Auch das in Thailand einflussreiche Königshaus unterstütze die von der Chula geplanten Green-City-Projekte.

Langzeitstudien gehen davon aus, dass Bangkok in der Zukunft noch häufiger von Überflutungen überrascht wird. Vonseiten der Stadt wurden deshalb letztes Jahr 28 neue Bauprojekte mit einem Gesamtwert von 26 Milliarden Baht (727 Mio. Euro) gegen Überschwemmungen genehmigt. Dazu gehören Hochwasserbarrieren, unterirdische Tunnel und Erweiterungen von Kanälen. Chula-Architektin Voraakhom weiß, dass das notwendig sein wird, wie sie der britischen Zeitung „The Guardian“ berichtete. Ihr Park könne nur einen kleinen Beitrag leisten, jedoch könne es „der Gesellschaft zeigen, was in den nächsten 100 Jahren alles passieren kann“, so Voraakhom.

Nur 3,3 Quadratmeter Grünfläche pro Kopf

Die Menschen in Bangkok würden jedenfalls schon jetzt hohe Erwartungen in die Stadtplanung setzen, weshalb heuer auch noch ein weiterer Park bei der Thammasat-Universität zum selben Zweck des Hochwasserschutzes eröffnet werden soll – dieses Mal sogar auf 15 Hektar. Die neuen Parks sollen freilich nicht nur im Falle von Überflutungen ihren Nutzen haben, sondern auch für die Naherholung. Neben den unterirdischen Becken verfügen die neuen Grünanlagen auch über viele Bäume und andere Pflanzen, Springbrunnen, Gehwege und Wiesen.

Hochwasser in Bankok
APA/AFP/Nicolas Asfouri
Immer wieder aufs Neue müssen die Menschen in Bangkok aufgrund von Hochwasser ihr Hab und Gut in Sicherheit bringen

Für viele Stadtbewohnerinnen und -bewohner bedeute das buchstäblich ein Aufatmen, berichtete unterdessen Husa ORF.at. Noch finden sich in der Achtmillionenstadt nämlich nur wenige Grünflächen. Laut dem „Green City Index“ der Economist Intelligence Unit stehen der Bevölkerung Bangkoks gar nur 3,3 Quadratmeter Grünfläche pro Kopf zur Verfügung. Im Vergleich dazu: Der Grünanteil pro Kopf in Wien beträgt über 100 Quadratmeter.

„Die Bangkoker sind jedenfalls bereit dafür“, zeigte sich Husa überzeugt. Die täglichen Horrormeldungen über Smogbelastung in TV, Zeitungen und Sozialen Netzwerken „sprechen Bände“. Ein breiteres Umweltbewusstsein entwickle sich langsam, aber doch. „Mittlerweile sieht man auf den bisher belächelten Fahrradwegen auch schon tatsächlich Radfahrer – und zwar immer mehr.“