Schlafende Frau
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Weltschlaftag

Freizeit knabbert am Schlaf

Ob Netflix-Marathon, mit den Kindern lernen, Fitnesstraining oder Freunde treffen: Viele starten – täglich – mit vollem Programm in den Feierabend. Dass die Freizeit aber oftmals auf Kosten des Schlafs geht, davor warnt nun der Schlafforscher Gerhard Klösch von der MedUni Wien im Gespräch mit ORF.at.

Rund sieben Stunden schläft die Österreicherin bzw. der Östereicher im Durchschnitt, das sind ein bis zwei Stunden weniger als noch vor 100 Jahren. An der Arbeitszeit liege das – in der Regel – nicht. So beginnt ein typischer Achtstundentag für viele nach wie vor um 8.00 oder 9.00 Uhr. Menschen mit unregelmäßigen Dienstzeitregelungen nimmt Klösch da aus. „Wir müssen aufstehen, aber wir können zu Bett gehen, wann wir wollen. Und so gehen viele Menschen heutzutage erst etwa um Mitternacht schlafen“, erklärt der Experte.

Den Grund dafür sieht Klösch in der freien Zeit, in der die lange tägliche To-do-Liste Punkt für Punkt abgearbeitet werden will. Das geht von Verpflichtungen in Vereinen bis hin zu Zeit für Familie und Freunde und sonstigen Erledigungen. Obendrein beenden viele ihren Tag mit dem Blick auf das Smartphone, was die Einschlafzeit nochmals zwischen 30 bis 40 Minuten verschiebt. Einige Forscher vermuten dabei, dass der hohe Blauanteil im Display-Licht den Melatoninspiegel senkt. Weil sich die durchschnittliche freie Zeit bis in die Nacht zieht, wird die Schlafenszeit komprimiert. „Wir knabbern immer mehr von der Schlafzeit zugunsten unserer Freizeit ab“, so Klösch.

Mythos Schlaf

In der heutigen „wachorientierten“ Gesellschaft gebe es die Fehleinschätzung, dass Schlaf kurz und effizient sein muss, sagt der Experte. Was in Sachen Schlaf richtig und falsch ist, beruhe oft auf Mythen, sagte bereits der Historiker Roger Ekirch. Vor Mitte des 19. Jahrhunderts sei es etwa weit verbreitet gewesen, den Schlaf in zwei Hälften zu teilen. Man legte sich schlafen, stand dann für eine Stunde oder mehr auf, um danach schließlich den zweiten Teil der Nacht im Bett zu verbringen.

Ob sechs, sieben oder acht Stunden Schlaf – wie viel tatsächlich notwendig sind, um ausgeruht zu sein, hänge vom Individuum ab, so Schlafforscher Klösch gegenüber ORF.at. Jedoch gaben bei einer Umfrage der MedUni Wien zu den heimischen Schlafgewohnheiten vergangenes Jahr – auch Klösch war daran beteiligt – rund die Hälfte der Befragten an, unter den Folgen eines nicht erholsamen Schlafes zu leiden. 30 Prozent gaben dabei an, regelmäßig unter Schlafstörungen zu leiden. Bei einer ähnlichen Umfrage 2007 waren es nur sechs Prozent.

„Wer wach sein will, muss schlafen“

Größte Schlafkiller seien demnach psychische Belastungen, so Klösch. Dazu zählen etwa Stress, Überarbeitung, familiäre und emotionale Belastungen und das Nicht-abschalten-Können. Schlechter und zu kurzer Schlaf führt unter anderem zu geringerer Stressresistenz, Konzentrationsschwierigkeiten und eingeschränkter Funktionsfähigkeit. „Wer wach sein will, muss schlafen“, so der Forscher, der beklagt, dass nur eine kleine Minderheit bei Schlafstörungen medizinische Hilfe aufsucht.

Doch kann man fünf Tage lang zu wenig schlafen und das Defizit am Wochenende aufholen? Einer Studie der University of Colorado zufolge funktioniert das nicht. „Schlaf am Wochenende nachzuholen scheint keine wirksame Gegenmaßnahme zu sein, um Störungen des Stoffwechsels auszugleichen, die durch Schlafmangel verursacht werden“, fasst Studienleiter Kenneth Wright von der University of Colorado in Boulder die Ergebnisse zusammen – mehr dazu in science.ORF.at. „Man kann innerhalb von 24 Stunden vorschlafen – etwa vor einem Nachtdienst“, so Klösch. Ein „Schlafdefizitkonto“, auf das man einzahlen kann, das gebe es nicht.

Tipps für besseren Schlaf

Für einen erholsamen Schlaf sei es zunächst wesentlich, herauszufinden, wie viel man persönlich dazu braucht. So solle man etwa an Wochenenden oder bei Urlauben beobachten, wie lange man ohne Wecker durchschläft. Wichtig sei es laut Klösch auch, zur Ruhe zu kommen. „Man muss sich von der Einstellung verabschieden, dass der Schlaf sofort kommt. Da braucht es eine Stunde oder mehr Pufferzeit.“ Außerdem brauche es regelmäßige Schlafzeiten. Das bedeutet, zumindest dreimal die Woche in etwa zur gleichen Zeit schlafen zu gehen.