Großbritanniens Premierministerin Theresa May spricht nach der Abstimmung über einen Brexit ohne Abkommen
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Chaos bei Torys

May will dritte Abstimmung über Brexit-Deal

Das Parlament in London hat einen EU-Austritt Großbritanniens ohne ein Abkommen mit der EU abgelehnt. Die Abgeordneten stimmten am Mittwoch mit 321 zu 278 Stimmen gegen einen Brexit ohne Deal. Premierministerin Theresa May will nun noch ein drittes Mal über den Brexit-Vertrag abstimmen lassen. Bei ihren Torys herrscht mittlerweile heilloses Chaos.

Die Abstimmung ist eine weitere Niederlage für May. Die Regierungschefin hatte sich zwar auch gegen einen ungeordneten Brexit ausgesprochen, wollte diese Möglichkeit aber nicht gänzlich ausschließen.

Die Abgeordneten votierten aber vor der Hauptabstimmung hauchdünn für einen Änderungsantrag zur Vorlage der Regierung, der einen chaotischen Brexit unter allen Umständen und damit auch nach dem 29. März ausschließt.

Außer Rand und Band

In Mays Partei brach daraufhin Chaos aus. Die Premierministerin hatte zwar die Abstimmung für ihre Mandatarinnen und Mandatare freigegeben, dann wurde aber doch versucht, die Abgeordneten auf Parteilinie zu bringen.

Selbst Mays Kabinett stimmte nicht geschlossen ab. Mit der Staatssekretärin für Menschen mit Behinderung, Sarah Newton, trat ein Kabinettsmitglied noch am Abend zurück. Weitere Abgänge wurden nicht ausgeschlossen. Der Tory-Abgeordnete und Ex-Parteichef Iain Duncan Smith wurde mit den Worten zitiert, er habe Vorgänge wie diese in seinen 27 Jahren im Parlament nie erlebt.

Bekanntgabe des Resultats nach der Abstimmung über einen Brexit ohne Abkommen
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Turbulente Szenen im Unterhaus

Donnerstag Abstimmung über Verlängerung

Die britische Regierungschefin kündigte daraufhin nach dem Votum im Unterhaus an, bis zum 20. März ein drittes Mal über den von ihr mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag abstimmen zu lassen. Erst am Dienstag hatte das Unterhaus zum zweiten Mal gegen den zwischen May und Brüssel ausgehandelten Deal gestimmt, obwohl die Regierungschefin kurz zuvor Zugeständnisse der EU erreicht hatte.

Cornelia Primosch zur Brexit-Abstimmung

ORF-Korrespondentin Cornelia Primosch berichtet aus London über die neuesten Entwicklungen im Brexit. „Es wird immer verrückter“, sagt sie.

Einen entsprechenden Antrag für den dritten Anlauf will sie am Donnerstag ins Parlament einbringen, wie die Regierung mitteilte. Sollte das Abkommen diesmal angenommen werden, würde May die EU-Staats- und -Regierungschefs um einen kurzen Aufschub für den Brexit bis zum 30. Juni bitten. Und Voraussetzung für eine Verschiebung des Brexits ist, dass alle 27 übrigen Mitgliedsstaaten dem zustimmen – dafür muss London triftige Gründe liefern.

Noch mehr Zeit für Briten?

Sollte das Abkommen im Parlament ein drittes Mal abgelehnt werden, will London beantragen, den für den 29. März vorgesehene Brexit über den 30. Juni hinaus zu verschieben. Das hätte die Beteiligung Großbritanniens an den Europawahlen im Mai zur Folge, hieß es in dem Antrag. Allerdings bewiesen die Vorgänge am Mittwoch, dass nicht unbedingt beschlossen werden muss, was in den Regierungsvorlagen steht.

Der Chef der oppositionellen Labour-Partei, Jeremy Corbyn, sagte nach der Abstimmung: „Das Parlament muss nun die Kontrolle übernehmen.“ Er werde Gespräche mit Abgeordneten anderer Parteien führen, um einen mehrheitsfähigen Kompromiss zu finden, so Corbyn. Die Schottische Nationalpartei wiederum sprach sich noch am Abend für ein zweites Referendum aus.