Rendering zeigt die Neugestaltung des Wiener Heumarkts
APA/Isay Weinfeld & Sebastian Murr
Welterbe in Wien

Gutachten für Pause bei Heumarkt-Plänen

Ein Gutachten des internationalen Denkmalrats ICOMOS zu dem Hochhausprojekt auf dem Wiener Heumarkt fällt deutlich aus: Wird der Turm mit 66 Meter Höhe wie geplant gebaut, wäre der Status als UNESCO-Welterbe künftig nicht mehr vertretbar. Das Gebäude würde das Stadtbild „zerstören“, so die Gutachter. Wegen des Projekts steht Wiens historische Innenstadt bereits auf der Roten Liste der Organisation.

Der 68 Seiten starke ICOMOS-Bericht lag am Samstag mehreren Medien vor. Die Expertinnen und Experten des Komitees für Denkmalpflege waren im Herbst in Wien, um sich einen Überblick über das Projekt zu verschaffen. Mit dem Bericht unterstützt es die UNESCO bei der Entscheidungsfindung beim Thema Heumarkt.

Im Rahmen der Neugestaltung des Areals zwischen dem Hotel Intercontinental und dem Konzerthaus ist unter anderem die Errichtung des Hochhauses mit einer Höhe von 66 Metern geplant. Ursprünglich waren sogar 77 Meter vorgesehen. Das Hotel soll abgerissen und neu gebaut werden.

„Kulturelle Bedeutung“ steht auf dem Spiel

Sollte der Turm so kommen, so muss Wien tatsächlich um den Weltkulturerbestatus bangen, so das neue Gutachten. Das Stadtbild würde „zerstört“, da das Areal seine „historische Authentizität“ und „kulturelle Bedeutung“ verlöre. Es werde empfohlen, die Planungen für zwei Jahre auszusetzen und mit dem Entwickler Alternativen zu erarbeiten, die mit dem Weltkulturerbestatus vereinbar sind.

UNESCO-Bericht über Weltkulturerbe Wien

Laut einem ICOMOS-Bericht ist der geplante Turm auf dem Heumarkt nicht das einzige Projekt, das mit dem Welterbetitel nicht vereinbar ist.

Die UNESCO hatte das historische Zentrum Wiens aufgrund der Pläne bereits im Juli 2017 auf die Rote Liste des gefährdeten Welterbes gesetzt. Sollte das Prädikat verlorengehen, bliebe in der Bundeshauptstadt nur mehr ein offiziell als Welterbe ausgewiesenes Areal übrig, nämlich das Schloss und die Gärten von Schönbrunn.

UNESCO

Die UNESCO ist die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit Sitz in Frankreich. Sie ist vor allem für die Listen des Weltkulturerbes bekannt. Doch die Organisation mit einem dreistelligen Millionenetat ist in vielen Feldern aktiv – von Bildung über Biosphärenreservate bis Gleichberechtigung.

Langer Streit über Projekt

Über das Hochhausprojekt in der Wiener Innenstadt wird bereits seit Jahren gestritten. Anfang des Jahres hatte Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) bekanntgegeben, eine Weisung zur Wahrung des Prädikats Weltkulturerbe für das historische Zentrum Wiens zu erteilen, wenn sich rechtlich dazu die Möglichkeit ergibt.

Ein Rechtsgutachten des Verfassungsjuristen Theo Öhlinger hatte den Bund – und nicht das Bundesland Wien – für den Erhalt des Welterbestatus der Wiener Innenstadt als verantwortlich bezeichnet – aus staatsvertraglichen Verpflichtungen heraus. Ursprünglich war es ein Thema der Wiener Grünen: Vizebürgermeisterin Maria Vassilakou wollte am Turmbau festhalten, ein großer Teil der Parteibasis war dagegen. Auch eine Urabstimmung fiel gegen die Neugestaltung aus.

Warten auf Entscheidung

Die grüne Führung folgte diesem Votum nicht, sondern gab als Exit-Strategie die Abstimmung über das Projekt für ihre Mandatare frei. Obwohl drei grüne Abgeordnete nicht dafür stimmten, fand die Flächenwidmung trotzdem eine rot-grüne Mehrheit.

Vor einem Jahr war der Investor des Hochhausprojekts, Michael Tojner, überzeugt davon, dass der Welterbestatus erhalten bleiben wird. Die Drohung der UNESCO, das Prädikat abzuerkennen, hielt er damals für „Säbelrasseln“. Bis ein Ende des Streits auf dem Tisch liegt, wird es jedenfalls noch etwas dauern: Bis Mitte April soll Österreich über getroffene bzw. möglicherweise geplante Abänderungen im Zusammenhang mit dem Projekt Bericht erstatten. Das Welterbekomitee will dann im Juni über weitere Schritte entscheiden.

Opposition kritisiert Wiener Bürgermeister scharf

Scharfe Kritik kam am Sonntag von der Wiener Opposition. FPÖ und ÖVP warfen Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) „Untätigkeit“ vor. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Kulturminister Blümel laden bereits am Montag zu einer Pressekonferenz. „Als Bürgermeister der Bundeshauptstadt hat sich Genosse Ludwig für die positive Entwicklung Wiens einzusetzen, anstatt bei drohender Negativveränderung in Untätigkeit zu verharren“, hieß es vonseiten der FPÖ in einer Aussendung des Landesparteiobmanns Johann Gudenus.

Wolfgang Zinggl (Liste Pilz Wien)
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Zinggl kämpft seit Jahren gegen das Hochhausprojekt auf dem Heumarkt

Auch Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP) kritisierte die Zurückhaltung des Bürgermeisters: „Wien ist mit seinen historischen Kulturstätten ein Juwel, das es zu schützen gilt. Doch von Bürgermeister Ludwig gibt es weder eine Wortmeldung noch eine konkrete Handlung, um sich aktiv für das Weltkulturerbe einzusetzen.“

Zinggl warnt vor „Aufschiebungsmanöver“

Jetzt-Kultursprecher Wolfgang Zinggl warnte in einer Aussendung zudem vor einem erneuten „Aufschiebungsmanöver“ Blümels: „Es geht nicht mehr um einen Dialog mit der Stadt Wien, der UNESCO oder gar dem Spekulanten Tojner über Bauhöhen. Es geht jetzt darum, dass die aktuelle Flächenwidmung gesetz- und völkerrechtswidrig ist. Die Stadt Wien muss die fatale Flächenwidmung, die Hochhäuser erlaubt und den völkerrechtlichen Vereinbarungen widerspricht, ein für allemal zurücknehmen.“

Neu sei, was Jurist Öhlinger in dem von Zinggl beauftragten Gutachten festgestellt habe: „Nämlich die Verpflichtung – nicht die Möglichkeit – der Bundesregierung, einzuschreiten und der Stadt Wien eine entsprechende Weisung zu erteilen, sollte sie von sich aus nicht einsichtig werden. Der Minister hat zugesagt, diese Weisung zu erteilen, wenn er dazu rechtlich verpflichtet ist.“ Zinggl geht davon aus, dass Blümel am Montag „dem Heumarkt-Projekt endgültig die Rote Karte zeigt“.