Wiener Heumarkt-Areal
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Welterbe

Heumarkt-Projekt liegt für zwei Jahre auf Eis

In das Projekt „Heumarkt neu“ ist wieder gehörig Bewegung gekommen. Am Wochenende überflügelten sich Parteien und Politiker gegenseitig mit Ankündigungen rund um den geplanten Hochhausbau, der seit Jahren für Turbulenzen sorgt. Die Wiener SPÖ verfügte am Sonntag schließlich eine Pause für die Planungen: „In den nächsten zwei Jahren wird sich gar nichts ändern“, hieß es.

Über die geplante Neugestaltung des Areals in der Innenstadt herrscht seit Jahren Streit, längst ist der Bau zu einem Politikum geworden – auch in Hinsicht auf die Wien-Wahl kommendes Jahr. Im Rahmen des Projekts zwischen dem Hotel Intercontinental und dem Konzerthaus war unter anderem die Errichtung des Hochhauses mit einer Höhe von 66 Metern geplant. Ursprünglich waren sogar 77 Meter vorgesehen. Das Hotel sollte abgerissen und neu gebaut werden.

Der Wiener Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) kündigte nun an, man werde eine „zweijährige Pause des Nachdenkens“ einlegen. Zudem solle ein Managementplan für das Weltkulturerbe in Wien erstellt werden. Ein Gutachten des Denkmalrats ICOMOS zum Projekt in der Wiener City hatte am Samstag für Aufregung gesorgt. ICOMOS berät die UNESCO in Welterbefragen, Vertreter der Rates besuchten im vergangenen Herbst Wien, um sich ein Bild vom Bauprojekt zu machen. Vor allem die Frage, ob es den Status als Welterbe gefährdet, stand dabei im Zentrum.

Gutachten empfahl ebenfalls Pause

Das Fazit: Wird der Turm mit 66 Meter Höhe wie geplant gebaut, wäre der Status als UNESCO-Welterbe künftig nicht mehr vertretbar. Das Gebäude würde das Stadtbild „zerstören", hieß es im Bericht von ICOMOS am Samstag. Wegen des geplanten Turms steht Wiens historische Innenstadt bereits auf der Roten Liste der UNESCO. Der Rat empfahl ebenfalls, die Planungen für zwei Jahre auszusetzen und mit dem Entwickler Alternativen zu erarbeiten, die mit dem UNESCO-Weltkulturerbe-Status vereinbar sind.

Rendering zeigt die Neugestaltung des Wiener Heumarkts
APA/Isay Weinfeld & Sebastian Murr
So sollte das Projekt aussehen: Der Turm allerdings schien vielen zu hoch

Das ICOMOS-Gutachten hatte am Sonntag für scharfe Kritik an Wiens Bürgermeister Michael Ludwig (SPÖ) gesorgt. FPÖ und ÖVP warfen Ludwig „Untätigkeit“ vor. „Als Bürgermeister der Bundeshauptstadt hat sich Genosse Ludwig für die positive Entwicklung Wiens einzusetzen, anstatt bei drohender Negativveränderung in Untätigkeit zu verharren“, hieß es in einer Aussendung von Landesparteiobmann Johann Gudenus (FPÖ). Auch Stadtrat Markus Wölbitsch (ÖVP) kritisierte die Zurückhaltung des Bürgermeisters. Von Ludwig gebe es weder eine Wortmeldung noch eine konkrete Handlung.

UNESCO

Die UNESCO ist die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit Sitz in Frankreich. Sie ist vor allem für die Listen des Weltkulturerbes bekannt. Doch die Organisation mit einem dreistelligen Millionenetat ist in vielen Feldern aktiv – von Bildung über Biosphärenreservate bis Gleichberechtigung.

Das übernahm am Sonntag schließlich Woller. Dass sich in dieser Zeit nichts ändert, heiße auch, die Wiener Innenstadt bleibe auf der Roten Liste, so der Landtagspräsident. Der Bund sei nun beauftragt, die soziokulturellen und sozioökonomischen Effekte des geplanten Projekts zu untersuchen, sagte Woller.

Der Ball zwischen Bund und Stadt Wien ist beim Thema Heumarkt bereits mehrmals hin- und hergeflogen. Ein Stein des Anstoßes ist ein Gutachten des Verfassungsjuristen Theo Öhlinger, das vom Jetzt-Abgeordneten Wolfgang Zinggl in Auftrag gegeben worden war. Darin kam Öhlinger im Jänner zum Schluss, dass der Bund für den Erhalt des UNESCO-Welterbe-Status der Wiener Innenstadt verantwortlich sei – und nicht die Stadt Wien. Der Grund seien staatsvertragliche Verpflichtungen. Falls nötig, werde man eine entsprechende Weisung erteilen, sagte damals Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) dazu – was Kritiker schon länger gefordert hatten.

Heumarkt-Projekt für zwei Jahre auf Eis

Die Wiener SPÖ hat in der Diskussion über das geplante Hochhausprojekt am Heumarkt eine „zweijährige Phase des Nachdenkens“ angekündigt, in den kommenden zwei Jahren werde sich „gar nichts ändern“.

Der Zeitpunkt dafür könnte nun tatsächlich gekommen sein: Am Montag wollen Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Blümel gemeinsam eine Pressekonferenz geben. Wie der „Kurier“ (Onlineausgabe) berichtete, könnte das Bauprojekt auf dem Heumarkt nun ganz abgeblasen werden: Strache und Blümel wollen dem Vernehmen nach verkünden, den 66-Meter-Turm zu stoppen. Möglich wäre das per Weisung an die Landesregierung, die entsprechende Widmung zu ändern, hieß es.

Flächenwidmung als „Damoklesschwert“

Für Zinggl eine Bestätigung des juristischen Gutachtens. „Die Regierung ist mitverantwortlich für den Erhalt des Kulturerbes. Ich gehe daher davon aus, dass Minister Blümel nun entsprechend rasch und deutlich handeln wird“, so Zinggl am Sonntag. Die aktuelle Flächenwidmung sei gesetzes- und völkerrechtswidrig.

„Sie ist das eigentlich drohende Damoklesschwert“, so der Jetzt-Mandatar zu ORF.at. Denn solange es möglich sei, aufgrund der Widmung Hochhäuser in der Innenstadt zu bauen, so lange bestehe auch die Gefahr, den Status zu verlieren. Da nutze es auch nichts, mit dem Investor Michael Tojner über die genaue Höhe des Turms zu verhandeln. So könne „das Theater jederzeit wieder von vorne losgehen“, so Zinggl.

Weitere Hürde in Aussicht

Die Bundesregierung sei nun verpflichtet, entweder eine Weisung zu erteilen, die Stadt möge ihrerseits aktiv werden und die Flächenwidmung ändern oder das per Verordnung selber tun. Durch das Öhlinger-Gutachter sei die Regierung nun unter Zugzwang geraten, so Zinggl. Die Liste Jetzt richtete überdies eine Beschwerde an die Volksanwaltschaft. Zinggl berief sich dabei auf die Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP).

Hierzu steht eine weitere wichtige Entscheidung an: Das Bundesverwaltungsgericht befasst sich mit der Frage, ob sich das Projekt der UVP unterziehen muss. Eine solche Prüfung würde das Projekt weiter erheblich verzögern – mehr dazu in wien.ORF.at.

Auch darüber ist Streit entbrannt: Michael Hecht, der Anwalt der Immobilienentwicklungsfirma Wertinvest rund um Tojner, sagte gegenüber dem „Standard“: „Was hier stattfindet, ist gesetzeswidrig“. Es gebe keine gesetzlichen Voraussetzungen, die eine Einzelfallprüfung vor dem Bundesverwaltungsgericht legitimieren würden.

Entscheidung im Juni geplant

Laut der Wiener SPÖ beantragte der Projektbetreiber inzwischen eine Baubewilligung. Das sei ein normales Verfahren, das noch nicht begonnen habe. Zudem werde dieses ebenfalls etwa zwei Jahre dauern, sagte Woller. Ursprünglich wollte das UNESCO-Welterbekomitee im Juni über weitere Schritte entscheiden. Dabei kommt es laut Zinggl nun darauf an, „wie geduldig“ das Gremium ist – ob es auf der Forderung, die Flächenwidmung zu ändern, besteht oder auch eine Pause einlegt.