Demonstranten stoßen in Belgrad (Serbien) mit Polizisten zusammen
Reuters/Marko Djurica
Serbien-Proteste

Präsident Vucic gerät unter Druck

Seit Dezember vergangenen Jahres gehen in Serbien Tausende Menschen auf die Straße, um gegen Präsident Aleksander Vucic zu protestieren. Doch nun wurde überraschenderweise auch am Sonntag zur Demonstration aufgerufen – diese fand vor dem Amtssitz von Vucic statt. Laut Medienberichten saß der Präsident vier Stunden im Gebäude fest.

Die seit vier Monaten anhaltenden Proteste finden unter dem Motto „Einer von fünf Millionen“ in Anspielung auf einen Kommentar von Vucic statt. Er meinte zu Beginn der Proteste im Dezember, dass er keine Forderung der Demonstrantinnen und Demonstranten erfüllen werde, auch wenn fünf Millionen auf die Straße gingen. Mittlerweile haben sich bereits Zehntausende den Märschen angeschlossen. Die Proteste richten sich vor allem gegen die Regierung und gegen die Einschränkung der Medienfreiheit in Serbien.

Der Protest am Sonntag begann zu Mittag vor dem Amtssitz von Vucic, der dort eine Pressekonferenz abhielt. Erst als die Demonstrantinnen und Demonstranten abzogen, konnte Vucic das Gebäude verlassen. Die Protestierenden werfen Vucic vor, autoritär zu regieren und die Opposition, die Medien und die Zivilgesellschaft mundtot zu machen. Der serbische Präsident zeigte sich bisher unbeeindruckt. Solange es keine Gewalt und Ausschreitungen gebe, sei die Demonstration ein demokratisches Recht, sagte er vor wenigen Tagen.

Druck auf Vucic erhöht

Allerdings erhöhten die Vucic-Gegner und -Gegnerinnen am Samstag ihren Druck auf die Regierung. Demonstranten und Demonstrantinnen drangen in das Gebäude des öffentlich-rechtlichen TV-Senders Radio Televizija Srbije (RTS) ein. Sie werfen RTS vor, die Propaganda der regierenden Serbischen Fortschrittspartei (SNS) von Vucic zu transportieren. Die Opposition komme nicht zu Wort, meinten die Kritiker und Kritikerinnen. Auch prominente Oppositionspolitiker befanden sich unter den Demonstranten. Sie forderten von der Geschäftsführung, ihnen eine Liveschaltung zu ermöglichen.

Demonstranten mit bengalischen Feuern vor dem Gebäude des serbischen Staatssenders in Belgrad
APA/AFP/Oliver Bunic
Am Samstag drangen Demonstranten in den TV-Sender RTS ein – Hunderte demonstrierten vor dem Gebäude

Die Polizei bezog Position rund um den Sender und griff spät in der Nacht ein. Der Protest wurde vor dem Sendergebäude von einigen hundert vorwiegend jungen Menschen fortgesetzt. Sieben Demonstranten wurden festgenommen. Innenminister Nebojsa Stefanovic drohte bei einer Pressekonferenz allen Personen, die in den Sender eingedrungen waren, mit Strafanzeigen. Stefanovic beschuldigte die Protestierenden auch der Demolierung des Gebäudes und Einschüchterung von Sendermitarbeitern und -mitarbeiterinnen.

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Eine Frau sitzt vor Polizisten mit Schutzschilden auf der Straße
Reuters/Marko Djurica
Eine Demonstrantin, deren Sohn von der Polizei festgenommen wurde, vor der Polizeistation in Belgrad
Dveri-Chef Bosko Obradovic im Gerangel mit Polizisten
APA/AFP/Oliver Bunic
Bosko Obradovic von der rechtsgerichteten Partei Dver protestiert als Oppositionspolitiker gegen Vucic
Singende Demonstranten stehen in Belgrad (Serbien) Polizisten gegenüber
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Vor dem Amtssitz von Vucic singen Demonstranten und Demonstrantinnen die Nationalhymne
Demonstranten in der serbischen Hauptstad Belgrad durchbrechen eine Barriere
APA/AFP/Andrej Isakovic
Am Sonntag ließen sich die Vucic-Kritiker von keiner Hürde abhalten
Zusammenstöße zwischen Demonstranten und Polizisten in der serbischen Hauptstad Belgrad
Reuters/Marko Djurica
Medienberichten zufolge verliefen die Demonstrationen bisher friedlich
Demonstranten neben Polizisten im Gebäude des serbischen Staatssenders in Belgrad
Reuters
Auch im Gebäude des TV-Senders RTS wurde demonstriert – bis die Polizei kam

Die Anführer des oppositionellen Bundes für Serbien (SZS) kündigten unterdessen die Fortsetzung des Protests vor dem Sender an. Auch wenn an den Protesten Vertreter und Vertreterinnen der Opposition regelmäßig teilnehmen, werden diese im Grunde von nicht staatlichen Organisationen veranstaltet.

Popularität laut Umfrage im Sinken

Lange Zeit konnte sich Vucic großer Popularität erfreuen. Aber erst vergangene Woche veröffentlichte das regierungskritische Magazin „Vreme“ eine Umfrage der Organisation NSPM, wonach die Serbische Fortschrittspartei nur noch eine 43,3-prozentige Unterstützung genießt. Die mitregierenden Sozialisten kommen auf 8,7 Prozent. Die Umfrage wurde nach Angaben von „Vreme“ zwischen 23. Februar und 4. März durchgeführt. Telefonisch wurden 1.000 Personen befragt.

Der serbische Präsident Aleksandar Vucic
AP/Darko Vojinovic
Serbiens Präsident Vucic während seiner Pressekonferenz am Sonntag – draußen protestierten Tausende gegen die Regierung

Laut früheren Meinungsumfragen lagen die SNS-Werte bisher immer bei über 50 Prozent, jene von Vucic noch etwas höher. Die Opposition hatte am Wochenende davor Präsident Vucic, die Ministerpräsidentin Ana Brnabic und die Parlamentspräsidentin Maja Gojkovic zum Rücktritt bis zum 13. April aufgefordert. Das soll Neuwahlen in sechs bis neun Monaten ermöglichen. Die Politikerinnen und der Politiker haben auf die Forderung nicht reagiert. SZS kann laut „Vreme“ mit einer gut 13-prozentigen Unterstützung rechnen.

Erster Protest nach Attacke gegen Politiker

Der erste Protest am 9. Dezember war organisiert worden, nachdem der führende Oppositionspolitiker Borko Stefanovic am 23. November auf dem Weg zu einem Oppositionstreffen verprügelt worden war. Bei einer Pressekonferenz zeigte er anschließend sein blutverschmiertes Hemd. Das Oppositionsbündnis vermutet, dass Vucics SNS die Schläger angeheuert hatte. Die Regierung wies die Vorwürfe zurück. Es war die erste große Demonstration der Opposition seit dem Frühjahr 2017, als nach dem Wahlsieg von Vucic Tausende protestierten.

Proteste in Serbien weiten sich aus

Seit vier Monaten finden in Serbien jeden Samstag Proteste gegen die Regierung und gegen Präsident Aleksander Vucic statt. Die Demonstrationen weiteten sich zuletzt aus.

Neben den Demonstrationen hatten die Oppositionsparteien bereits Anfang Februar ein gemeinsames, sieben Punkte umfassendes Aktionsprogramm beschlossen, mit dem sie einen Machtwechsel herbeiführen wollen. Unter anderem einigten sie sich auf einen Parlamentsboykott, dieser wurde bisher aber nur teilweise umgesetzt. Das Aktionsprogramm unter dem Namen „Vereinbarung mit dem Volk“ enthält auch andere Maßnahmen, welche die Opposition vornehmen will, um faire Wahlen zu sichern und die Rechtsstaatlichkeit zu gewährleisten.

Die Demonstranten und Demonstrantinnen scheinen bisher allerdings keine große Hoffnung in die schwache Opposition zu setzen. Nicht zuletzt auch deswegen, weil dem Oppositionsbündnis SZS Parteien mit unterschiedlichen Ausrichtungen angehören.