Vizekanzler Heinz-Christian Strache und Kulturminister Gernot Blümel
APA/Herbert Pfarrhofer
Heumarkt-Projekt

Regierung fordert von Wien Änderungen

Nach dem alarmierenden Gutachten des Denkmalrats ICOMOS zum Heumarkt-Projekt hat die Wiener SPÖ eine „zweijährige Phase des Nachdenkens“ angekündigt. Für die Regierung ist das aber zu wenig. Das Projekt dürfe in dieser Form nicht kommen, sagte Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP) am Montag bei einer Pressekonferenz – notfalls werde man auch eine Weisung erteilen. Rechtlich wäre diese aber umstritten.

Der „verheerende“ ICOMOS-Bericht sei an Deutlichkeit nicht zu überbieten, sagte Blümel und forderte die Wiener Stadtregierung auf, den Forderungen der UNESCO zum Erhalt des Weltkulturerbestatus nachzukommen. Er verwies auf völkerrechtliche Verpflichtungen, an die man sich zu halten habe.

Die Stadt Wien müsse sich dazu entschließen, das Projekt nicht zu realisieren – und das auch schriftlich festhalten. Er werde dafür einen Brief mit der Bitte um Klarstellung verfassen. Sollte die Stadt dieser nicht nachkommen, werde man seitens der Regierung eine Weisung erteilen, so Blümel.

Rendering zeigt die Planung für die Neugestaltung des Wiener Heumarkt-Areals
APA/ISAY WEINFELD&SEBASTIAN MURR
So sollte das Projekt aussehen: Der Turm allerdings schien vielen zu hoch

„Unterschiedliche Rechtsauffassungen“

Was die Weisung betrifft, so gestand Blümel, gebe es zwar „unterschiedliche Auffassungen“, inwiefern es dafür rechtliche Möglichkeiten gebe, als Bund sei man jedoch klar dazu aufgefordert, „alle möglichen Maßnahmen, die wir ergreifen können, auch zu ergreifen“.

Er bezog sich damit auf ein Gutachten des Verfassungsjuristen Theo Öhlinger, das vom Jetzt-Abgeordneten Wolfgang Zinggl in Auftrag gegeben worden war. Darin kam Öhlinger im Jänner zum Schluss, dass der Bund für den Erhalt des UNESCO-Welterbestatus der Wiener Innenstadt verantwortlich sei – und nicht die Stadt Wien. Der Grund seien staatsvertragliche Verpflichtungen.

Pressekonferenz zu „Weltkulturerbe Wien“

Pressekonferenz zum Thema „Weltkulturerbe Wien“ mit Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) und Kulturminister Gernot Blümel (ÖVP).

Aufgrund des umstrittenes Heumarkt-Projekts befindet sich Wien bereits auf der Roten Liste der UNESCO – hierbei gehen die Meinungen jedoch auseinander, inwiefern das einen Bruch staatsvertraglicher Verpflichtungen darstelle.

Stadt Wien zuständig für „konkrete Maßnahmen“

Auch Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) sagte, es sei klar, dass das Projekt in dieser Form nicht kommen dürfe, es sei für ihn „gestorben“. Laut Strache obliegt es jedoch der Stadt Wien, konkrete Maßnahmen zum Erhalt des Welterbestatus zu treffen – eine schriftliche Zusicherung, dass das Projekt in dieser Form nicht kommen könne, würde ihm jedoch genügen. „Welche Maßnahmen sie dafür setzen, bleibt ihnen überlassen“, so Strache und bekam dabei Rückhalt von Blümel.

„Die Stadt Wien kann in Verhandlungen mit den Investoren treten, sie kann Pläne adaptieren oder den Baustopp verhängen“, sagte Blümel. Eine Antwort erwarte er bis zum 8. April, da danach der „Desired State Of Conversation“-Bericht vorgelegt werden muss. Dieser gilt als offizielle Antwort Österreichs auf das ICOMOS-Gutachten.

UNESCO

Die UNESCO ist die UNO-Organisation für Erziehung, Wissenschaft und Kultur mit Sitz in Frankreich. Sie ist vor allem für die Listen des Weltkulturerbes bekannt. Doch die Organisation mit einem dreistelligen Millionenbudget ist in vielen Feldern aktiv – von Bildung über Biosphärenreservate bis Gleichberechtigung.

„Nicht mit Welterbekonvention vereinbar“

Die Österreichische UNESCO-Kommission (ÖUK) hielt am Montag ebenfalls fest: „Der umfangreiche ICOMOS-Report hat erneut klargestellt, dass das Bauprojekt am Heumarkt in dieser Form nicht mit der Selbstverpflichtung Österreichs zum Schutz der Welterbestätte im Rahmen der Welterbekonvention vereinbar ist.“ Das sei, wurde betont, seit 2012 auch immer wieder deutlich und transparent kommuniziert worden.

Sollte das historische Zentrum das Prädikat Weltkulturerbe verlieren, würde der Welterbebestand in der Bundeshauptstadt mit einem Schlag halbiert: Dann blieben Wien nur noch das Schloss und die Gärten von Schönbrunn als von der UNESCO ausgewiesene Welterbezone.

ÖUK: Erhalt „im Interesse der gesamten Menschheit“

Seitens der ÖUK verwies man zudem auf die größere und der Heumarkt-Debatte zugrunde liegende Bedeutung des Weltkulturerbes. „Mit der Etablierung der Welterbeliste wurde erreicht, dass viele Menschen weltweit ein Bewusstsein dafür entwickelt haben, dass es besondere Stätten und Denkmäler gibt, deren Erhalt im Interesse der gesamten Menschheit steht“, so ÖUK-Generalsekretärin Gabriele Eschig gegenüber ORF.at.

Vielen sei jedoch nicht bewusst, dass das Welterbeprogramm auch die Gründungsidee der UNESCO repräsentiere. „Gegründet nach den Verheerungen und Zerstörungen zweier Weltkriege wurde die UNESCO mit einem klaren Ziel ins Leben gerufen – nämlich Frieden durch Kultur, Wissenschaft und Bildung zu fördern“, so Eschig. Die Welterbekonvention trage durch internationale Zusammenarbeit im Bereich Kulturgüterschutz und Naturschutz wesentlich zu Dialog und interkultureller Verständigung bei – „und damit zur Grundidee und Raison d’etre der UNESCO selbst“.

Heumarkt-Projekt: Regierung fordert Änderungen

Die Bundesregierung stellt sich gegen das geplante Hochhausprojekt am Heumarkt in Wien und droht der Stadt mit einer Weisung.

Gutachten: Status als Welterbe gefährdet

Ein Gutachten von ICOMOS zum Projekt in der Wiener City hatte am Samstag für Aufregung gesorgt. ICOMOS berät die UNESCO in Welterbefragen, Vertreter der Rates besuchten im vergangenen Herbst Wien, um sich ein Bild vom Bauprojekt zu machen. Vor allem die Frage, ob es den Status als Welterbe gefährdet, stand dabei im Zentrum. Das Fazit: Wird der Turm mit 66 Meter Höhe wie geplant gebaut, wäre der Status als UNESCO-Welterbe künftig nicht mehr vertretbar. Das Gebäude würde das Stadtbild „zerstören", hieß es im Bericht von ICOMOS am Samstag. Die UNESCO hatte dringend empfohlen, das Gebäude höchstens 43 Meter hoch zu bauen.

Wegen des geplanten Turms steht Wiens historische Innenstadt bereits auf der Roten Liste der UNESCO. Der Rat empfahl ebenfalls, die Planung für zwei Jahre auszusetzen und mit dem Entwickler Alternativen zu erarbeiten, die mit dem Weltkulturerbestatus vereinbar sind.

Heumarkt-Projekt für zwei Jahre auf Eis

Die Wiener SPÖ hat in der Diskussion über das geplante Hochhausprojekt am Heumarkt eine „zweijährige Phase des Nachdenkens“ angekündigt, in den kommenden zwei Jahren werde sich „gar nichts ändern“.

Der Wiener Landtagspräsident Ernst Woller (SPÖ) kündigte daraufhin am Sonntag an, man werde eine „zweijährige Pause des Nachdenkens“ einlegen. Zudem solle ein Managementplan für das Weltkulturerbe in Wien erstellt werden. Dass sich in dieser Zeit nichts ändert, heiße auch, die Wiener Innenstadt bleibe auf der Roten Liste, so der Landtagspräsident. Der Bund sei nun beauftragt, die soziokulturellen und sozioökonomischen Effekte des geplanten Projekts zu untersuchen, sagte Woller.

Entscheidung im Juni geplant

Die nächsten zwei Jahren wäre aber ohnehin nichts passiert, denn auch das Verfahren zur – mittlerweile bereits beantragten – Baubewilligung dauere zwei Jahre, so Woller. Ursprünglich wollte das UNESCO-Welterbekomitee im Juni über weitere Schritte entscheiden. Dabei kommt es laut Zinggl nun darauf an, „wie geduldig“ das Gremium ist – ob es auf der Forderung, die Flächenwidmung zu ändern, besteht oder auch eine Pause einlegt.

TV-Hinweis

ORF 2 beschäftigt sich im Rahmen des „kulturMontag“ um 22.30 Uhr mit dem Heumarkt. Denkmalschützer und Architekten nehmen Stellung zur Frage, was der Titel „Weltkulturerbe“ für Wien bedeutet und ob man die Aberkennung riskieren könne.

Dass sich die neue Verzögerung negativ auf den Wirtschaftsstandort Wien auswirken könnte, wurde am Montag zumindest nicht völlig ausgeschlossen. Zuletzt hatte die Wiener Wirtschaftskammer das Hochhausprojekt ausdrücklich begrüßt – und es als klares und positives Signal an Investoren gewertet. Blümel gestand ein, dass es auch für den Projektbetreiber – Michael Tojners WertInvest – eine „schwierige Situation“ sei. Denn dieser habe sich an die Vorgaben der Stadt gehalten, die eben unzureichend gewesen seien. Deshalb brauche es hier auch „möglichst bald Klarheit“ so Blümel.

Seitens der WertInvest werde man die Entwicklungen analysieren und in Ruhe die nächsten Schritte überlegen. Dennoch glaube man nach wie vor daran, dass eine Realisierung des Projekts „keine wesentliche Beeinträchtigung der Authentizität“ zur Folge hätte, hieß es in einer Aussendung.

„Weisung muss sich auf Flächenwidmung beziehen“

Zinggl zeigte sich erfreut über die Tatsache, dass seiner Forderung, eine Weisung zur Sicherung des Welterbes zu erteilen, endlich Folge geleistet werde. In einem Punkt sei Blümel allerdings nicht präzise: „Die Weisung muss sich auf die Flächenwidmung, nicht auf das geplante Projekt beziehen. Nur so kann Rechtssicherheit geschaffen werden, denn schon die Flächenwidmung ist völkerrechtswidrig. Andernfalls könnte jederzeit ein neuerliches Projekt an derselben Stelle geplant werden, das abermals das Weltkulturerbe bedroht“, so Zinggl.

„Dieses Damoklesschwert muss endgültig beseitigt werden. Österreich kann es sich nicht länger leisten, weltweit ständig als potentiell vertragsbrüchig kritisiert zu werden.“ Jetzt gelte es abzuwarten, „ob die Wiener Landesregierung weiterhin das Welterbe gefährden will und wann der Minister diesem Vorgehen endgültig einen Riegel vorschiebt“, so Zinggl.

Grafik zum Heumarkt
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Ähnlich sieht das auch der Bezirksvorsteher Markus Figl (ÖVP), der einen sofortigen offiziellen Baustopp forderte. Zudem brauche es eine Einbeziehung und Informationsregelung für Verhandlungen der Stadt Wien betreffend Weltkulturerbe. „Ich verlange volle Transparenz für alle Projekte – zukünftig muss auch die Innere Stadt hier voll mit einbezogen werden“, sagte Figl. Spätestens jetzt werde es höchst an der Zeit, dass „Leitlinien geschaffen werden müssen, wie in Zukunft mit dem Weltkulturerbestatus umgegangen wird“, so Figl.

Wien verspricht weiter „intensiven Dialog“ mit UNESCO

Woller sagte am Monat indes erneut, dass der Wiener Stadtregierung der Weltkulturerbestatus „am Herzen“ liege und man den Dialog mit dem Welterbezentrum der UNESCO und ICOMOS intensiv fortsetzen werde. „Weiters stehen wir in einem konstruktiven Dialog mit dem Projektwerber“, stellte er klar. Woller versicherte einmal mehr, dass Wien in den vergangenen Monaten viele Anstrengungen unternommen und Maßnahmen zum Schutz des baukulturellen Erbes der Stadt ergriffen habe. So habe der Gemeinderat bereits beschlossen, weitere Hochhäuser – über bestehende Standorte hinausgehend – in der Innenstadt kategorisch auszuschließen.

Zudem verwies er auf die jüngste Bauordnungsnovelle. Mit dieser werde erreicht, dass der Abriss von Gebäuden aus der Zeit vor 1945, die das Stadtbild und den Charakter der Stadt prägten, erschwert werde: „Künftig ist bei Abrissplänen für diese Gebäude zwingend eine Einzelprüfung notwendig.“

Die Causa Heumarkt beschäftigte am Montag neben der Politik unterdessen auch die Justiz. Am Bundesverwaltungsgericht wurde verhandelt, ob das Bauvorhaben einer Umweltverträglichkeitsprüfung (UVP) unterzogen werden muss oder nicht. Die Entscheidung wurde vertagt – mehr dazu in wien.ORF.at.