Flugzeug in Boeing-Fabrik
Reuters/Jason Redmond
Causa Boeing

Sinnbild für Trumps Trudelkurs

Nach dem Absturz einer Boeing 737 Max in Äthiopien verdichten sich die Anzeichen dafür, dass die Software für den Absturz verantwortlich sein könnte. Überprüft wird nun auch die Zulassung der Maschine durch die US-Flugsicherheitsbehörde FAA. Damit rücken auch die politische Komponente und die Entscheidungen von US-Präsident Donald Trump in der Causa in den Fokus.

Erst nachdem die Maschinen des betroffenen Boeing-Modells quasi weltweit vom Himmel verbannt waren, sahen sich auch die US-Amerikaner veranlasst, mit einem Startverbot nachzuziehen. Die Verzögerung und letztlich auch die Kehrtwende zeigen deutlich, unter welchem Druck Trump und seine Regierung, die die FAA beaufsichtigt, stehen – denn auf dem Prüfstand steht nicht viel weniger als das Prestige der US-Luftfahrtindustrie.

Der lange Weg zur Entscheidung liegt nicht zuletzt an der Spitze der FAA: Seit mehr als einem Jahr ist die Führung interimistisch besetzt. Nach dem Auslaufen der Amtszeit Michael Huertas vor über einem Jahr hatte Trump seinen Privatpiloten John Dunkin als möglichen Nachfolger ins Spiel gebracht: „Ich habe einen Piloten, der ein echter Experte ist. Mein Pilot ist ein schlauer Kerl und er weiß, was vor sich geht.“

Donald Trump
AP/Evan Vucci
Trumps Wunschkandidat für die FAA wurde vor über einem Jahr abgelehnt – seitdem wird die Behörde interimistisch geleitet

Nach der Ablehnung Dunkins durch den Senat blieb die Behörde mit einem Budget von 17,5 Milliarden Dollar und über 48.000 Mitarbeitern ohne Direktor. Der nur Stunden vor dem jüngsten Flugzeugabsturz veröffentlichte Budgetentwurf Trumps sieht zudem Kürzungen bei der FAA in der Höhe von mehreren Millionen vor.

Branchenquellen berichten nun allerdings, dass Budgetkürzungen und der stetig zunehmende Luftverkehr die FAA dazu zwinge, immer mehr Prüfprozesse auszulagern. Boeing habe bei der Zertifizierung seines Unglücksmodells 737 MAX besonders Druck gemacht, weil Konkurrent Airbus mit seiner A320-neo-Familie kurz zuvor ein vergleichbares Mittelstreckenmodell auf den Markt gebracht hatte. Die 737 MAX wurde als Variante ihres Vorgängers 737 Next Generation zertifiziert, obwohl sich ihre Motoren und Flugkontrollsysteme deutlich von dieser unterscheiden.

Boeings Einfluss in Washington

Der Einfluss von Boeing in Washington erklärt sich wiederum auch durch die intensive und millionenschwere Lobbyarbeit. Neben Geldspenden an Abgeordnete beider Parteien unterstützte das Unternehmen Trumps Amtseinführung, Konzernchef Dennis A. Muilenburg zählt zu den prominenten Gästen in Mar-a-Lago, dem Feriendomizil des Präsidenten.

Auch mit der FAA ist Boeing eng verbandelt. Die „Seattle Times“ berichtete, die FAA lasse zunehmend Boeing-Ingenieure an der Zertifizierung der eigenen Flugzeuge mitarbeiten. So habe der US-Konzern auch die Analysen für das Trimmsystem MCAS selbst erstellt. Dieses System war schnell nach dem Unglück am 10. März in Verdacht geraten, für den Absturz der Boeing 737 MAX der Ethiopian Airlines mit 157 Toten – darunter drei Österreicher – verantwortlich zu sein.

Doch die Wirkungskraft von MCAS sei bei der Sicherheitsanalyse von Boeing unterschätzt worden. Die bei Testflügen ermittelte Ausgleichswirkung sei viermal stärker gewesen als in den Unterlagen angegeben. „Das macht einen Unterschied bei der Einschätzung der damit verbunden Risiken“, zitierte die Zeitung einen nicht namentlich genannten FAA-Ingenieur. Unterschätzt worden sei auch, wie das System reagiert, wenn der Pilot mehrfach gegensteuert. Schon vom Absturz der Lion Air sei bekannt gewesen, dass die Piloten immer wieder versuchten, das automatische Absenken des Flugzeugs zu verhindern.

FAA verteidigt Zulassungsverfahren

Die FAA war zuvor in die Offensive gegangen und hatte betont, die Zulassung des Flugzeugtyps sei nach bewährtem „Standardverfahren“ erfolgt. Die Untersuchung des US-Verkehrsministeriums habe bereits nach dem Absturz einer indonesischen Boeing Lion-Air-Maschine im Oktober begonnen, schrieb das „Wall Street Journal“. Zwei Standorte der FAA seien bereits aufgefordert worden, entsprechende Dateien zu sichern. Das Ministerium wolle wissen, ob die Behörde die richtigen Verfahren zur Prüfung der MCAS-Software angewandt habe.

Überarbeitung der Software laut Boeing in Schlussphase

Boeing hatte in der vergangenen Woche angekündigt, die Software binnen weniger Tage zu aktualisieren. Am Sonntag teilte der Flugzeughersteller mit, das Update sei in der Schlussphase. Die Überarbeitung der Software hatte den Angaben zufolge bereits vor dem jüngsten Unglück begonnen. Der US-Flugzeughersteller liefert die Maschinen vorerst nicht mehr aus und empfiehlt seinen Kunden, die rund 350 betriebenen Maschinen vorerst auf dem Boden zu lassen.

Einer ersten Analyse zufolge gibt es zwischen den Flugschreiberdaten der abgestürzten Ethiopian-Airlines-Maschine und denen des verunglückten indonesischen Lion-Air-Passagierflugzeugs deutliche Ähnlichkeiten. Das „Wall Street Journal“ berichtete unter Berufung auf die Behörde, dass ein vorläufiger Untersuchungsbericht in 30 Tagen veröffentlicht werden soll. Der Stimmenrekorder und der Flugdatenschreiber waren am Donnerstag der französischen Behörde zur Aufklärung von Flugunfällen (BEA) ausgehändigt worden.

Boeing-Chef: „Verstehen, dass Leben von Arbeit abhängen“

Boeing-Chef Dennis Muilenburg wandte sich unterdessen an Fluggäste und Airlines. Das Unternehmen verstehe, dass Leben von der Arbeit abhingen, die bei Boeing verrichtet werde, so Muilenburg in einem am Montag von dem US-Konzern veröffentlichten Brief.

Aufgrund der Daten, die nach den beiden Abstürzen verfügbar seien, ergreife Boeing Maßnahmen, um die Sicherheit der 737 MAX absolut zu gewährleisten. „Wir verstehen und bedauern auch die Schwierigkeiten, die unsere Kunden und Fluggäste dadurch haben, dass die Maschinen am Boden bleiben“, so Muilenburg.