Viktor Orban
AP/Francisco Seco
Ungarn

EVP beschließt Suspendierung von FIDESZ

Für Ungarns rechtspopulistische FIDESZ von Premier Viktor Orban hat es am Mittwoch eine Entscheidung gegeben. Die Europäische Volkspartei (EVP) beschloss in einer mehrstündigen Vorstandssitzung in Brüssel, FIDESZ zu suspendieren. Eine Kommission unter Beteiligung von Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) soll nun die Partei überprüfen.

Die EVP-Sitzung am Mittwoch dürfte turbulent verlaufen sein, die Meinungen gingen weit auseinander. Manche der 260 Delegierten wollten den kompletten Ausschluss von Orbans Partei, manche sprachen sich dagegen aus. Eine dritte Gruppe plädierte für eine Vertagung. EVP-Präsident Joseph Daul drohte gar mit Rücktritt.

Herausgekommen ist nach Stunden der Verhandlungen, dass die Mitgliedschaft von FIDESZ vorerst auf Eis gelegt wird. Eine Expertenkommission soll nun entscheiden, wann und ob die Mitgliedsrechte der Partei wieder in Kraft gesetzt werden. Die Überprüfung der Partei werde von einer Art Weisenrat bestehend aus dem früheren EU-Ratspräsidenten Herman Van Rompuy, Ex-Kanzler Wolfgang Schüssel (ÖVP) und dem ehemaligen EU-Parlamentspräsidenten Hans-Gert Pöttering durchgeführt, hieß es aus EVP-Kreisen.

Ausschluss noch möglich

190 Delegierte stimmten laut Daul für das Einfrieren, drei dagegen. FIDESZ hat nun keine Stimmrechte mehr und darf keine Kandidaten für EVP-Posten nominieren. Zudem darf die Partei nicht mehr an Parteitreffen teilnehmen. Auch ein Ausschluss ist aus Sicht von EVP-Fraktionschef Manfred Weber noch immer eine Option. Es werde viel Zeit nötig sein, um wieder Vertrauen zwischen der EVP und FIDESZ auszubauen.

Peter Fritz (ORF) aus Brüssel

Peter Fritz spricht über das Vorgehen der EVP und Orbans Partei FIDESZ.

Damit könnte der Streit rechtzeitig zum Beginn des EU-Wahlkampfes vom Tisch sein. Entgegen ersten Androhungen akzeptierte Orban die Entscheidung des Vorstands. FIDESZ werden freiwillig die Mitgliedschaft ruhend legen. Das könne niemand tun, außer die Partei selbst. Man werde zudem Webers Wahlkampagne weiter unterstützen. „Die EVP hat eine gute Entscheidung getroffen, weil sie die Einheit bewahrt hat“, sagte Orban.

Orban reagierte auch auf den Weisenrat, der einsetzt werden soll. Ein solcher habe auch Österreich vor 20 Jahren beurteilt. Damals sei Schüssels Regierung Gegenstand der Untersuchung gewesen. „Nun wird er uns unter die Lupe nehmen. Also werde ich wohl heute in 20 Jahren auch eine Untersuchung vornehmen“, so Orban laut Regierungssprecher Zoltan Kovacs.

Streit über Jahre

Schon lange hatte der Streit zwischen FIDESZ und der EVP gegärt. Kritikerinnen und Kritiker – auch innerhalb der konservativen EVP – warfen Parteichef Orban seit Jahren vor, Demokratie und Rechtsstaat auszuhöhlen. Die EU-Kommission leitete mehrere Verfahren wegen mutmaßlicher Verletzung von EU-Recht ein, das Europaparlament startete ein Strafverfahren wegen der mutmaßlichen Bedrohung von Demokratie, Rechtsstaatlichkeit und Grundrechten. Orban aber verfolgte sein erklärtes Ziel weiter, in Ungarn eine „illiberale Demokratie“ zu errichten.

So wurden etwa die Flüchtlingsbewegungen im Jahr 2015 zum Streitpunkt zwischen Brüssel und Budapest. Orban schottete Ungarn mit Stacheldrahtzäunen zu Serbien und Kroatien ab und ließ Asylanträge nur in schwer gesicherten Transitlagern an der Grenze zu. Gegen einen EU-Mehrheitsbeschluss vom September 2015, der die Umverteilung Zehntausender Asylwerbender auf alle Mitgliedsstaaten vorsah, reichte er Klage beim Europäischen Gerichtshof (EuGH) ein. Orban verlor, blieb aber bei seiner Politik.

Protest bei Überlegungen über Todesstrafe

Protest aus dem Europaparlament gab es auch 2015, als Orban nach der Ermordung einer Verkäuferin bei einem Raubüberfall die Todesstrafe „auf die Tagesordnung“ setzen wollte. EU-Kommissionspräsident Jean-Claude Juncker erinnerte Ungarn daran, dass die EU-Grundrechtecharta die Todesstrafe verbietet. Nach wochenlangem Streit ruderte Orban zurück.

Grafik zur EVP
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/EU-Parlament

Im Juni 2018 beschloss das ungarische Parlament ein Gesetzespaket, das Hilfeleistungen für Asylwerber im Namen einer Organisation verbietet. Dabei drohen Flüchtlingshelfern Freiheitsstrafen von bis zu einem Jahr. Das Vorhaben firmierte unter dem Namen „Stopp-Soros-Gesetz“ wegen des US-Milliardärs George Soros. Ihm wirft Orban vor, illegale Einwanderung über die Finanzierung solcher Organisationen zu fördern. Auch hier leitete die EU-Kommission im Juli ein Vertragsverletzungsverfahren ein.

Soros wiederholt im Visier

Soros geriet auch beim neuen Universitätsgesetz in Orbans Visier. Dieses beschränkte die Befugnis von Universitäten mit Hauptsitz außerhalb der EU, ungarische Abschlüsse zu verleihen. Das Gesetz zwang die von Soros gegründete Central European University (CEU), den Umzug von Budapest nach Wien zu beschließen. Auch hier läuft ein EU-Vertragsverletzungsverfahren.

Den Ausschlag für die Debatte, FIDESZ aus der EVP auszuschließen, gab die Plakatkampagne der ungarischen Regierung. Auf den Plakaten wurden Juncker und Soros als Förderer illegaler Migration diffamiert. Orban nannte zudem Kritiker kürzlich „nützliche Idioten“, die das Geschäft der Linken und Liberalen betrieben.