Der Nationalrat
ORF.at/Roland Winkler
Beleidigungen im Parlament

NR-Präsidium fürchtet um politische Kultur

„Jetzt siehst du wenigstens einmal, was das für Beidl sind.“ Unter anderem angesichts dieses Sagers im Nationalrat am Mittwoch, getätigt von dem FPÖ-Mandatar Wolfgang Zanger und adressiert an rote Gewerkschafter, sehen sich die Präsidenten des Hohen Hauses zu einer Ermahnung an die fünf Klubobleute bemüßigt.

Die drei Nationalratspräsidenten Wolfgang Sobotka (ÖVP), Doris Bures (SPÖ) und Annelies Kitzmüller (FPÖ) richteten am Samstag einen ernsten Appell an die Klubobleute. Sie mögen „dringend“ ihre Abgeordneten an ihre politische Verantwortung erinnern. Denn mit solcher „Eskalation“ gehe die Zerstörung der politischen Kultur einher.

Das Verhalten der Abgeordneten „prägt maßgeblich die politische Kultur“, stellte das Präsidium fest. Mandatare müssten sich, auch wenn Debatten leidenschaftlich geführt werden, „immer dessen bewusst sein, dass sie als gewählte Repräsentanten des Volkes für die Wahrnehmung und Achtung der Demokratie in der Öffentlichkeit verantwortlich sind“.

„Schwerwiegende persönliche Beleidigungen“

Themen wie Parteienförderung und Mindestsicherung wurden am Mittwoch und Donnerstag im Nationalratsplenum teils untergriffig diskutiert, es gab einige Ordnungsrufe. „In den Debatten wurden schwerwiegende persönliche Beleidigungen ausgesprochen und die Vorsitzenden mit respektlosem und herabwürdigendem Verhalten einzelner Abgeordneter konfrontiert“, stellten Sobotka, Bures und Kitzmüller fest. Solche „Grenzüberschreitungen“ könne das Präsidium „nicht hinnehmen“.

Die Dritte Nationalratspräsidentin Anneliese Kitzmüller (FPÖ), die Zweite Nationalratspräsidentin Doris Bures (SPÖ) und Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP)
APA/Roland Schlager
In Sorge um das Ansehen der Demokratie: Kitzmüller, Bures, Sobotka

„Stammtischsprache“ im Hohen Haus

Nicht folgenlos hinnehmen will auch FPÖ-Obmann Heinz-Christian Strache den Sager seines Parteikollegen Zanger. „Es wird sicher einen Ordnungsruf geben“, sagte Strache am Freitag. Zum Inhalt der Rede meinte er: „Pulitzerpreis-verdächtig war es sicher nicht.“ Ein wenig verteidigte der Parteichef aber auch seinen Abgeordneten: Wer Zanger kenne, wisse, dass er Steirer und ein bodenständiger Mensch sei. In seiner Plenarrede habe er „Stammtischsprache“ verwendet. Aber natürlich: „So etwas sollte im Hohen Haus nicht vorkommen.“

Ein rechtliches Nachspiel blüht einem anderen FPÖ-Abgeordneten: Weil Gerhard Deimek die SPÖ in einer Plenarsitzung als „Terroristenorganisation“ bezeichnet hatte, kündigte SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda am Freitag eine Klage an. Drozda zeigte sich empört über „diese unfassbare Verbalentgleisung“. Da sei es mit einer Entschuldigung nicht getan, Deimeks Rücktritt wäre angebracht, sagte Drozda. Strache müsse „endlich für Konsequenzen sorgen“, denn es sei „eine Schande, wie sich die Regierungspartei FPÖ aufführt“.

Ordnungsruf für Ministerin blieb aus

Eine weitere Attacke auf die SPÖ wurde diese Woche mit einem Ordnungsruf geahndet: ÖVP-Verfassungssprecher Wolfgang Gerstl hatte den Sozialdemokraten bei der Debatte um die Parteienförderung „Pharisäertum“ und eine unehrliche Haltung vorgeworfen. Nicht erhört wurde dagegen der wiederholte Wunsch der SPÖ nach einem Ordnungsruf für Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) im Zuge der Mindestsicherungsdebatte.

Angesichts dieser Woche versteht man den Wunsch von Sobotka, Bures und Kitzmüller dass ihr jetziger Appell „nicht ungehört bleibt“. Basis für eine starke Demokratie sei das Vertrauen der Bevölkerung in ihre gewählten Vertreter sowie die Institution Parlament. „Dieses Vertrauen hängt nicht zuletzt davon ab, ob Debatten sachlich und leidenschaftlich oder persönlich diffamierend und untergriffig geführt werden“, hielt das Präsidium fest