Am Freitag vergangener Woche berichtete die Demokratin Lucy Flores in einem Beitrag für die Website The Cut von einer unangenehmen Begegnung mit Biden: Flores hatte 2014 in Nevada für ein lokales Amt kandidiert, Biden kam zu Besuch, um sie zu unterstützen. Bei einer Gelegenheit, schilderte Flores, habe er sich von hinten genähert, an ihrem Haar gerochen und sie auf den Hinterkopf geküsst. Flores erklärte, das sei sicher nicht ungesetzlich, wohl aber eine Grenzüberschreitung gewesen.
In einer Stellungnahme zu den Vorwürfen hielt der 76-Jährige daraufhin fest: „In meinen vielen Jahren im Wahlkampf und im öffentlichen Leben habe ich unzählige Handschläge ausgetauscht, Umarmungen, Sympathiebekundungen, Unterstützung und Trost. Nicht einmal, nie, hätte ich gedacht, unangemessen zu handeln.“
Zu seiner Verteidigung rückte auch Stephanie Carter, die Ehefrau des ehemaligen Verteidigungsministers Ashton Carter, aus. Von dessen Vereidigungszeremonie im Jahr 2015 hatten Bilder für Aufsehen erregt, die zeigen, wie Biden seine Hände auf Stephanie Carters Schultern gelegt hat und sein Kopf sehr nah an ihrem ist. Carter erklärte, die Aufnahmen seien „irreführend“ und aus dem Kontext gerissen. Sie sei an dem Tag gestürzt und nervös gewesen, Biden habe ihr helfen wollen.
In Clintons Armen
Doch im Laufe des Wochenendes tauchten immer mehr Bilder auf, die Biden mit verschiedenen Frauen in engem Körperkontakt zeigen. Ein CNN-Beitrag aus dem Jahr 2016 machte auf YouTube die Runde – zu sehen ist darin, wie Biden Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sehr lang umarmt und ihre Versuche, sich freizumachen, wiederholt scheitern.
Am Montag setzte es den nächsten Schlag gegen den 76-Jährigen: Amy Lappos, Hilfskraft eines demokratischen Kongressabgeordneten, sagte US-Medien, Biden habe ihr Gesicht in seine Hände genommen und seine Nase an ihrer gerieben. Der Vorfall habe sich bei einer Spendenveranstaltung im Jahr 2009 in Hartford, Connecticut, ereignet. Gegenüber der Zeitung „Hartford Courant“ sagte sie, dass der damalige Vizepräsident in die Küche gekommen sei, um den Küchenkräften zu danken, dann habe er ihr Gesicht mit beiden Händen umfasst und sie zu sich herangezogen. „Ich dachte, er würde mich auf den Mund küssen.“
Biden, schrieb die „Washington Post“ am Montag, sei für seinen sehr physischen Stil im Umgang mit Menschen bekannt. Auch Männern lege er gern den Arm um die Schultern. Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, rief Biden am Dienstag zur Besinnung – ihr Tipp: eine Armlänge Abstand halten. „Stell dir einfach vor, du hast eine Erkältung und dein Gegenüber hat eine Erkältung.“ Ob diese Botschaft Bidens Kandidatur noch retten kann, steht in den Sternen.
Kandidatur sehr riskant
Die „New York Times“ kommentierte: „Die weitverbreitete Annahme, dass Biden die größten Chancen gegen Donald Trump hat, ist ohne Grundlage. In den vergangenen Jahren war keine der Parteien gut beraten, auf jene Kandidaten zu setzen, denen zwar zugetraut wurde, Wechselwähler zu gewinnen, die aber nicht fest in der Basis verankert waren. Die Kriegsveteranen John Kerry und John McCain schienen theoretisch wählbar, Obama und Trump nicht. Jenen, die ein Ende der Ära Trump herbeisehnen, mag Biden als die sicherste Wahl erscheinen, doch einen Kandidaten zu ernennen, der ständig Entschuldigungsbedarf hat, wäre im Gegenteil riskant.“