Vizekanzler HC Strache
APA/Robert Jaeger
Geheimdienste

Strache bremst bei Berichtspflicht

Die Verbindungen des Attentäters von Christchurch zu den rechtsextremen Identitären lassen die Wogen weiter hochgehen. Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) mahnte am Dienstag zu der von Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) geforderten Änderung der Berichtspflichten der Nachrichtendienste zur Vorsicht und warnte vor „Hüftschüssen“. Die SPÖ verlangte indes die Entlassung von Innenminister Herbert Kickl (FPÖ).

Kurz hatte am Montag gesagt, künftig sollten das Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung (BVT), das Abwehramt und das Heeresnachrichtenamt auch an Kanzler und Vizekanzler Informationen weitergeben. Das sei die Konsequenz aus den jüngsten Verbindungen des Christchurch-Attentäters nach Österreich und zu den Identitären, hieß es.

Strache sagte am Dienstag am Rande einer Pressekonferenz, die Änderung der Berichtspflichten sei ja ohnehin ein Punkt im Regierungsprogramm. Gleichzeitig mahnte er zu Vorsicht: „Das ist eine Materie, die verfassungsrechtlich durchaus heikel ist. Und genau deshalb kann man keinen Hüftschuss daraus machen. Aber wir arbeiten daran, ein gutes Gesetz – wenn es um die Berichtspflicht der Dienste geht – auch sicherzustellen. Aber das darf kein Hüftschuss sein, das ist sozusagen eine durchaus sehr sensible Materie“, so der Vizekanzler.

Strache um Abgrenzung bemüht

Strache war erneut um Abgrenzung gegenüber den rechtsextremen Identitären bemüht. Die FPÖ habe klare Beschlüsse: Jene, die Identitären-Mitglieder sind, könnten nicht bei der FPÖ sein, so Strache. Kurz könne er „nur beruhigen: Wir haben eine klare Distanz zu jedwedem Extremismus, da kann er sich auf die FPÖ verlassen.“

Er gebe Kurz recht, wenn dieser meine, dass „schwammige Begrifflichkeiten nicht zu akzeptieren sind“, sagte Strache. Kurz hatte ja am Vortag gesagt, er dulde „keinen schwammigen Umgang mit dieser rechtsextremen Bewegung“ und erwarte, dass die FPÖ „klar Position bezieht“ und allfällige Verbindungen trennt. Strache betonte nun, er wisse nicht, wo Kurz solch einen „schwammigen Umgang“ der FPÖ mit den Identitären erkennen könne.

„Rechtsstaat am Zug“

Jetzt sei jedenfalls der Rechtsstaat am Zug und eine „völlig schonungslose und restlose Aufklärung“ notwendig, so Strache. Staatsanwaltschaft und Justizressort seien gefordert, die Details auf den Tisch zu legen, „wo eine strafrechtliche Relevanz sichtbar ist, damit ein Prüfverfahren zur Vereinsauflösung (der Identitären, Anm.) überhaupt stattfinden kann“. Es gehe jedenfalls nicht darum, „Vorverurteilungen“ zu machen, so der Vizekanzler. „Wenn jemand strafrechtliche Dinge getan hat, hat das die Staatsanwaltschaft und die Justiz zu bewerten und nicht die Politik.“

Strache um Distanzierung bemüht

Vizekanzler Heinz-Christian Strache (FPÖ) hat zur Kritik der Opposition wegen Verbindungen der FPÖ mit den rechtsextremen Identitären Stellung genommen.

Die Opposition hatte die FPÖ zuletzt wegen mutmaßlicher Verbindungen zu der rechtsextremen Gruppe kritisiert. So hieß es, die Gruppe und eine FPÖ-nahe Burschenschaft seien offenbar Mieter in ein und derselben Villa in Linz. Die FPÖ wies die Vorwürfe zurück. Auch Strache selbst wurde zur Zielscheibe der Kritik, weil Fotos mit ihm und Mitgliedern der Gruppe im Netz kursieren. Zudem hatte sich der FPÖ-Chef in einem – mittlerweile gelöschten – Facebook-Posting 2016 eher wohlwollend über die Gruppe geäußert.

Rosenkranz sieht „Kampagne der Linken“

FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz ortete unterdessen eine „Kampagne der vereinten Linken“ gegen die Bundesregierung, die „an Widerlichkeit kaum zu überbieten“ sei. „Die Kampagne, die SPÖ und andere linke Zwerge mit ihren Verschwörungstheorien und Alternativszenarien aufgrund von bewussten Verdrehungen gegen Regierung und vor allem gegen Innenminister Kickl reiten, ist an Widerlichkeit kaum zu überbieten“, meinte er in einer Aussendung. Die „abscheuliche Wahnsinnstat eines Massenmörders in Neuseeland“ werde „über einen intellektuellen Hindernisparcours zu einem Skandal der Republik Österreich hochstilisiert“, so Rosenkranz.

FPÖ-Klubobmann Rosenkranz: „Kenne keinen Identitären“

FPÖ-Klubobmann Walter Rosenkranz spricht im ZIB2-Interview über das Verhältnis der FPÖ mit den Identitären in Österreich. Er persönlich kenne keine Mitglieder der Identitären.

BVT-Extremismusreferat könnte aufgewertet werden

Der Nationale Sicherheitsrat sprach sich indes in einem Beschluss am Montagabend für eine „Strategie gegen rechts, links und islamistisch motivierten Extremismus“ aus und hob die sonst sehr strengen Geheimhaltungsbestimmungen des Gremiums für diesen Beschluss auf. Auch um ausreichende Ressourcen in der Extremismusbekämpfung geht es darin.

„Im Übrigen möge die Bundesregierung evaluieren, ob das Extremismusreferat des BVT ausreichend personelle Ressourcen zur Verfügung hat, um seinen Aufgaben gehörig nachkommen zu können“, lautet der entsprechende Passus. Das ist insofern auffällig, als mit dem Eingreifen des FPÖ-geführten Innenministeriums im Bundesamt für Verfassungsschutz und Terrorismusbekämpfung gerade dieses Referat und dessen Leiterin unter Druck geraten waren.

SPÖ fordert Entlassung Kickls

Die Opposition schoss sich indes weiter auf Innenminister Kickl ein. Die SPÖ sieht enge Verflechtungen zwischen der FPÖ und den Identitären, und zwar auf ideologischer, organisatorischer und personeller Ebene. SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda forderte Bundeskanzler Kurz daher auf, klare Konsequenzen zu ziehen und sich von Kickl zu trennen.

„Ein Innenminister, der so enge Kontakte zu Rechtsextremen und zu den Identitären hat, ist ein Sicherheitsrisiko für Österreich und daher nicht länger tragbar. Statt wieder nur leere Ankündigungen zu machen, gibt es jetzt für Kurz nur eine Option: Der ÖVP-Kanzler muss dem Bundespräsidenten die Entlassung von FPÖ-Innenminister Kickl vorschlagen“, verlangte Drozda. Kurz trage die Verantwortung für die „gefährlichen Kontakte und Umtriebe“ seines Koalitionspartners.

SPÖ zu Geheimdienstreformplänen skeptisch

Bezüglich der Reformpläne zu den Berichtspflichten der Geheimdienste zeigte sich die SPÖ-Abgeordnete Angela Lueger skeptisch. Sie sprach sich am Dienstag vor allem gegen eine Bündelung der zersplitterten Kompetenzen der Rechtsschutzbeauftragten (Landesverteidigungs-, Innen-, Justiz- und Finanzministerium) im Bundeskanzleramt aus. Denn eine solche Zusammenführung sei nur im Bereich des Parlaments sinnvoll.

Lueger, die auch Vorsitzende des Innenausschusses im Parlament ist, erklärte in einer Aussendung, eine Zusammenführung der Rechtsschutzbeauftragten „und deren wirklich unabhängige Stellung“ seien nur beim Parlament selbst garantiert, nicht jedoch bei einem anderen Ressort. „Ich lade daher gern alle Fraktionen ein, hier eine rechtsstaatlich und demokratiepolitisch optimale Lösung bei umgehend zu führenden Verhandlungen zu finden, damit die Österreicherinnen und Österreicher wieder sicher in unserem Land leben können, aber auch gleichzeitig von gesetzwidriger Bespitzelung durch Geheimdienste verschont bleiben“, so Lueger.

Pilz sieht „identitäre Politik“ in Regierung

Jetzt warf der gesamten ÖVP-FPÖ-Regierung vor, identitäre Politik zu machen. Von der FPÖ verlangte Mandatar Peter Pilz „bis morgen“ einen „klaren Trennungsstrich“ zu den rechtsextremen Identitären. Kurz warf er vor, ihm sei in dieser Frage „alles wurscht“.

Weiterhin Kritik an Kickl

Auch einen Tag nach dem Sicherheitsrat werden die Rufe der Opposition nach einer Absetzung von Innenminister Kickl (FPÖ) nicht leiser.

„Die Identitären haben es geschafft, dass die gesamte Bundesregierung – etwa in der Frage des UNO-Migrationspaktes – identitäre Politik macht“, sagte Pilz bei einem gemeinsamen Rückblick mit seiner Klubkollegin Alma Zadic zum geheimen Nationalen Sicherheitsrat zum Thema Rechtsextremismus. Kurz interessiere das Thema überhaupt nicht, meinte Pilz mit Verweis auf die Sitzung: „Der Bundeskanzler hat sich kein einziges Mal zu Wort gemeldet, dem war es vollkommen wurscht, und er hat während der gesamten Sitzung des Sicherheitsrates mit dem Handy gespielt.“

Formulierungen übernommen?

Den Vorwurf, dass die Regierung die Agenda der rechtsextremen Gruppe umsetzt, versuchte Pilz mit mehreren Beispielen zu untermauern. So sei im Ministerratsvortrag für die Ablehnung des UNO-Migrationspaktes eine Übersetzung des Paktes von Identitären-Chef Sellner verwendet worden. Dieser habe die englische Formulierung „regular migration“ nicht mit „regulärer“, sondern mit „planmäßiger Migration“ übersetzt.

Das habe sich dann im Ministerratvortrag wiedergefunden. Darüber hinaus warf er etwa Kickl vor, dass dieser für die Grenzschutzübung vom Juni 2018 in Spielfeld den Begriff „ProBorder“ verwendet hatte. Das sei ein „Kampfbegriff“ der Identitären, so Pilz. Auch den Begriff „Invasoren“ für Flüchtlinge habe die FPÖ von der rechtsextremen Gruppe übernommen.

Zadic wiederum verwies auf personelle Überschneidungen zwischen FPÖ und Identitären und nannte etwa den Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio und Gerhard Kurzmann, Dritter Landtagspräsident in der Steiermark, die beide an Kundgebungen der Gruppe teilgenommen hätten.

Für Kneissl rein „innenpolitische Debatte“

FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl glaubt unterdessen nicht, dass die Diskussion rund um allfällige Verbindungen der Identitären mit der FPÖ Österreichs Ansehen schadet. „Ich habe das in der Vergangenheit nicht erlebt, dass ich auf innenpolitische Debatten angesprochen wurde und ich nehme an, das wird auch in Zukunft gelten“, sagte Kneissl am Mittwoch im ORF-„Report“.

Es handle sich um „innenpolitische Debatten“, die laut Kneissl „nicht in meinen außenpolitischen Debatten oder im EU-Rahmen ins Gewicht fallen“. Kneissl verwies außerdem darauf, dass es seit rund einem Jahr einen Beschluss des Bundesparteivorstands gegen organisatorische oder finanzielle Verflechtungen der FPÖ mit den Identitären gebe und dieser Beschluss „gilt und das wird auch entsprechend durchgezogen“.