Der frühere US-Vizepräsident und mögliche demokratische Präsidentschaftsbewerber Joe Biden
Reuters/Andreas Gebert
Übergriffiges Verhalten

Biden gelobt Besserung

Nach Vorwürfen des übergriffigen Verhaltens gegenüber mehreren Frauen hat der frühere US-Vizepräsident und mögliche demokratische Präsidentschaftsbewerber, Joe Biden, die Flucht nach vorne angetreten. In einem Video gelobte der 76-Jährige Besserung – ob das seine Kandidatur retten kann, ist aber fraglich.

„Ich werde künftig aufmerksamer und respektvoller sein mit dem persönlichen Raum von Menschen“, versprach Biden in einem Videoclip, den er auf Twitter veröffentlichte. „Das ist meine Verantwortung, und der werde ich gerecht werden.“ Die sozialen Normen im Umgang mit dem persönlichen Raum von Menschen hätten sich geändert. Das verstehe und respektiere er.

Mehrere Frauen hatten sich in den vergangenen Tagen beklagt, Biden habe sich ihnen in seiner Zeit als US-Vizepräsident auf unangemessene Weise genähert. Die Demokratin Lucy Flores etwa erklärte, Biden habe sich 2014 bei einem ihrer Wahlkampfauftritte von hinten genähert, an ihrem Haar gerochen und ihr einen Kuss auf den Hinterkopf gegeben.

Zahlreiche Vorfälle

Nachdem Flores ihre Vorwürfe öffentlich gemacht hatte, meldete sich auch eine zweite Frau zu Wort und berichtete über unangemessenes Verhalten des 76-Jährigen. Amy Lappos, Hilfskraft eines demokratischen Kongressabgeordneten, sagte US-Medien, Biden habe ihr Gesicht in seine Hände genommen und seine Nase an ihrer gerieben. Der Vorfall habe sich bei einer Spendenveranstaltung im Jahr 2009 in Hartford, Connecticut, ereignet.

Schon am Wochenende waren immer mehr Bilder aufgetaucht, die Biden mit verschiedenen Frauen in engem Körperkontakt zeigen. Ein CNN-Beitrag aus dem Jahr 2016 machte auf YouTube die Runde – zu sehen ist darin, wie Biden Präsidentschaftskandidatin Hillary Clinton sehr lang umarmt und ihre Versuche, sich freizumachen, wiederholt scheitern.

Biden: Zeiten haben sich geändert

Biden betonte, er habe immer versucht, eine Verbindung zu Menschen aufzubauen. „Ich schüttle Hände, ich umarme Leute, ich fasse Männer und Frauen an den Schultern und sage ihnen: ‚Du schaffst das.‘“ So sei er immer gewesen. Auf diese Weise versuche er, den Menschen zu zeigen, dass sie ihm etwas bedeuteten und dass er zuhöre. „So bin ich einfach.“

Lucy Flores und Joe Biden, 2014
APA/AFP/Getty Images/Ethan Miller
Lucy Flores war die erste Frau, die öffentlich Vorwürfe gegenüber Biden erhob

Aber die Zeiten hätten sich geändert. „Heute geht es darum, Selfies miteinander zu machen.“ Und die Grenzen zum Schutz des persönlichen Raumes seien heute andere. Das habe er begriffen. Biden hatte bereits zuvor auf die Vorwürfe reagiert und zunächst erklärt, er glaube nicht, dass er sich unangemessen verhalten habe. Falls er das getan habe, wolle er voller Respekt zuhören.

Schatten über möglicher Kandidatur

Biden, schrieb die „Washington Post“ am Montag, sei für seinen sehr physischen Stil im Umgang mit Menschen bekannt. Auch Männern lege er gern den Arm um die Schultern. Nancy Pelosi, demokratische Sprecherin des Repräsentantenhauses, rief Biden am Dienstag zur Besinnung – ihr Tipp: eine Armlänge Abstand halten. „Stell dir einfach vor, du hast eine Erkältung und dein Gegenüber hat eine Erkältung.“ Ob diese Botschaft Bidens Kandidatur noch retten kann, steht in den Sternen.

Die „New York Times“ kommentierte: „Die weitverbreitete Annahme, dass Biden die größten Chancen gegen Donald Trump hat, ist ohne Grundlage. In den vergangenen Jahren war keine der Parteien gut beraten, auf jene Kandidaten zu setzen, denen zwar zugetraut wurde, Wechselwähler zu gewinnen, die aber nicht fest in der Basis verankert waren. Die Kriegsveteranen John Kerry und John McCain schienen theoretisch wählbar, Obama und Trump nicht. Jenen, die ein Ende der Ära Trump herbeisehnen, mag Biden als die sicherste Wahl erscheinen, doch einen Kandidaten zu ernennen, der ständig Entschuldigungsbedarf hat, wäre im Gegenteil riskant.“