Rettungskräfte und Ermittler untersuchen ein Wrackteil am Absturzort
AP/Mulugeta Ayene
Äthiopien-Bericht

Boeing 737 Max war nicht kontrollierbar

Nach dem verheerenden Absturz einer Boeing 737 Max 8 in Äthiopien sind nun erste Ergebnisse eines vorläufigen Berichts zur Unglücksursache bekannt geworden. Die Crew der Maschine habe den Notfallplan des Flugzeugherstellers korrekt befolgt, sei aber nicht in der Lage gewesen, die Maschine zu kontrollieren, sagte Äthiopiens Verkehrsministerin Dagmawit Moges am Donnerstag in Addis Abeba.

Die Ermittler hätten Anzeichen dafür gefunden, dass die Nase der Maschine nach unten gedrückt wurde, sagte Dagmawit. Man empfehle dem Hersteller, das Flugsteuerungssystem zu untersuchen. Auch sollten Luftfahrtbehörden dieses System untersuchen, bevor Maschinen dieses Typs wieder fliegen dürfen. Der Leiter der Unfalluntersuchungsbehörde im Ministerium, Amdiye Ayalew, sagte, die Daten deuteten nicht darauf hin, dass ein Fremdkörper das Flugzeug beschädigt habe.

Die konkrete Absturzursache lässt der 30 Seiten starke Bericht, der am Freitag veröffentlicht werden soll, aber offen. Die Untersuchungen werden fortgesetzt, ein Abschlussbericht solle binnen eines Jahres vorliegen, hieß es zudem. Boeing äußerte sich zunächst nicht und teilte mit, der Bericht werde geprüft. Die betroffene Ethiopian Airlines bezeichnete es als sehr unglücklich, dass die Piloten trotz ihrer harten Arbeit und der „vollständigen Einhaltung aller Notfallmaßnahmen“ das Flugzeug nicht davon abhalten konnten, seine Nase immer wieder nach unten zu ziehen.

Bericht stützt sich auf Daten der Flugschreiber

Der vorläufige Untersuchungsbericht stützt sich auf die Daten der Flugschreiber. Diese waren kurz nach dem Absturz der Maschine von Fachleuten in Frankreich ausgelesen worden. Die Blackboxes, die sich zur Unfalldiagnose an Bord aller größeren Verkehrsflugzeuge befinden, zeichnen alle Flugdaten sowie alle Stimmen und Geräusche im Cockpit auf.

Die Ethiopian-Unglücksmaschine im November 2018 während einer Landung in Seattle
AP/Preston Fiedler
Die Unglücksmaschine während einer Landung in Seattle im November 2018

Der Absturz unweit Addis Abeba, bei dem im März alle 157 Menschen an Bord – darunter drei Österreicher und eine kenianische Doktorandin der BOKU Wien – ums Leben kamen, hat den Flugzeughersteller Boeing in den vergangenen Wochen stark unter Druck gebracht. Im Fokus stand vor allem eine umstrittene Steuerungssoftware, die bereits beim Crash einer baugleichen Boeing in Indonesien als eine mögliche Ursache gehandelt wurde, bei dem Ende Oktober 189 Menschen starben.

Äthiopien: Abstürze weisen „klare Ähnlichkeiten“ auf

Die äthiopische Regierung hatte zuvor gesagt, dass die Abstürze „klare Ähnlichkeiten“ aufweisen. Unfallermittler gingen beim Crash in Indonesien davon aus, dass die eigens von Boeing für die neue Flugzeugreihe 737 Max 8 entwickelte Steuerungssoftware MCAS ein wichtiger Auslöser des Unglücks gewesen sein könnte.

Ethiopian-Airlines-Chef Tewolde Gebre Mariam hatte vor Veröffentlichung des vorläufigen Berichts gesagt, dass das Steuerungsprogramm aktiviert gewesen sein dürfte. Das MCAS-System sei „nach unserem besten Wissen“ eingeschaltet gewesen, sagte er vergangene Woche dem „Wall Street Journal“. Boeing hatte schon nach dem Absturz in Indonesien eine Überarbeitung des Programms versprochen, das Update zieht sich jedoch weiter hin.

Auch US-Luftfahrtbehörde in der Kritik

Am Mittwoch teilte Boeing mit, dass Konzernchef Dennis Muilenburg mit Piloten einen Demonstrationsflug an Bord einer 737 Max absolviert habe, bei dem die aktualisierte Software wie vorgesehen funktioniert habe. Der Konzern will weitere Tests machen und das Update erst der FAA vorlegen, wenn diese Arbeit „in den kommenden Wochen“ abgeschlossen sei. Die US-Luftfahrtbehörde hatte bereits eine „rigorose Sicherheitsprüfung“ angekündigt.

Für Boeing ist die Aufarbeitung der Abstürze hochbrisant. Die rund 370 bisher ausgelieferten Maschinen des neuen Flugzeugtyps stehen weiterhin auf dem Boden, außerdem hängen zahlreiche Bestellungen in der Schwebe. Boeing drohen Stornierungen und Regressforderungen von Airlines.

Nicht nur Boeing, auch die US-Luftfahrtbehörde FAA steht nach den beiden Abstürzen schwer in der Kritik. Die Behörde wird verdächtigt, bei der Zertifizierung der 737 Max ein Auge zugedrückt zu haben, wichtige Teile der Sicherheitsprüfungen wurden dem Konzern selbst überlassen. Der Fall wird vom Verkehrsministerium untersucht, auch Justizministerium und FBI sollen inzwischen ermitteln. Die FAA hatte erst unter hohem politischen Druck ein Startverbot für die 737-Max-Serie – Boeings meistverkaufte Baureihe – verhängt, nachdem das in fast allen anderen Ländern bereits geschehen war.