Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ)
APA/Hans Punz
Identitäre

Kunasek nimmt Lockerung beim Heer zurück

Nach Medienberichten und einer Pressekonferenz des Jetzt-Abgeordneten Peter Pilz, wonach Sperrvermerke für rechtsextreme Identitäre beim Bundesheer gelockert worden sind, hat Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) nun die Notbremse gezogen. Er wies an, den gelockerten Umgang mit Soldaten, die Mitglieder oder Unterstützer der rechtsextremen Identitären sind, zurückzunehmen.

„Politischer oder religiöser Extremismus, egal von welcher Seite, hat im Bundesheer nichts verloren“, so Kunasek in einer Aussendung am Donnerstag. Die alte Regelung wurde jetzt auf Basis des Verfassungsschutzberichts wieder eingesetzt. Im letztgültigen aus dem Jahr 2017 wurden die Identitären als rechtsextreme Vereinigung qualifiziert, hieß es.

Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) sagte, Kunasek ersucht zu haben, den Fall umgehend zu klären. „Jedes Aufweichen von bisherigen klaren Haltungen gegenüber den Identitären wäre inakzeptabel und nicht zu tolerieren“, sagte Kurz.

Van der Bellen: Kein Platz für Rechtsextreme

Auch Bundespräsident Alexander Van der Bellen sieht keinen Platz für Identitäre im Bundesheer. Durch interne Maßnahmen müsse sichergestellt werden, dass Verbindungen zum Rechtsextremismus keinesfalls geduldet werden, schrieb er in einer Aussendung. „Das Ansehen Österreichs darf nicht gefährdet werden“, schrieb der Bundespräsident und weiter: „Ich habe als Oberbefehlshaber nur demokratiebewusste Soldatinnen und Soldaten kennengelernt, die mit Rechtsextremismus absolut nichts am Hut haben wollen.“

Identitäre: Verstimmung in der Koalition

FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache hat sich um Distanzierung von den rechtsextremen Identitären bemüht. Nun gab es neue Aufregung, nachdem herauskam, dass das Bundesheer die Aufnahmesperre für Mitglieder der Identitären aufgehoben hatte.

Freisprüche als Auslöser

In der Vergangenheit habe es immer wieder Sperrvermerke gegen Soldaten wegen Mitgliedschaft bei den Identitären gegeben, hatte Bundesheersprecher Michael Bauer entsprechende Berichte des „Standard“ bestätigt. Mittels Sperrvermerk können Soldaten für bestimmte Funktionen oder Tätigkeiten im Bundesheer gesperrt werden. Laut einer Anweisung genügte dann die Mitgliedschaft bei den Identitären alleine nicht mehr für einen Sperrvermerk oder eine Entorderung. Grund dafür sei der Freispruch der Identitären vom Vorwurf der kriminellen Vereinigung gewesen.

Aufgrund des Freispruchs der Rechtsextremen beim Prozess in Graz im Vorjahr und der Bestätigung der Freisprüche Anfang 2019 durch das Oberlandesgericht Graz sei es zu dieser internen Anweisung des Abwehramtes gekommen, so Bauer. Man sei in der öffentlichen Verwaltung an Gesetze gebunden, sagte Bauer. „Wenn jemand einer kriminellen Organisation angehört, strafrechtliche Tatbestände setzt, dann kann man Maßnahmen setzen.“

Pilz: Ressortspitze verantwortlich

Bauer betonte, dass man ungeachtet der Anweisung diese Fälle ständig „sehr genau beobachtet und kontrolliert“. „Wir sind uns sicher, dass wir diese Szene sehr gut im Griff haben“, sagte er. Gegenüber dem „Standard“ betonte Bauer, dass Kunasek nicht über die Anweisung informiert worden sei, weil sie ein „Detailvorhaben“ des Abwehramts gewesen sei.

Pilz sieht hingegen Minister Kunasek und seinen Generalsekretär Wolfgang Baumann direkt in der Verantwortung für die Lockerung. Nach den Freisprüchen im Jänner habe es in der Ressortführung einen „Diskussions- und Meinungsbildungsprozess“ gegeben, der ergeben habe, dass es keinen Grund mehr gebe, Identitäre von Waffenübungen auszuschließen. Daraufhin sei die neue Weisung erteilt worden. Laut Pilz sind 56 Miliz- und sieben Berufssoldaten sowie bis vor Kurzem sieben Grundwehrdiener betroffen.

„Steirische FPÖ ist identitärenverseucht“

Es sei absurd, dass die FPÖ behaupte, Identitäre dürften nicht Mitglied bei der FPÖ sein, aber mit automatischen Waffen beim Bundesheer hantieren. „Das wäre verrückt, wenn man die steirische FPÖ nicht kennen würde. Die steirische FPÖ ist identitärenverseucht“, sagte Pilz bei einer kurzfristig einberufenen Pressekonferenz. Es gebe kein Problem mit Rechtsextremen am Rand der FPÖ, „die Rechtsextremen sind mitten in der FPÖ“. „Aber was für unbewaffnete FPÖ-Mitglieder gilt, muss umso mehr für bewaffnete Soldaten der österreichischen Miliz gelten.“

Anfrage zu Kabinettsmitarbeitern

Pilz will zudem in einer parlamentarischen Anfrageserie an die FPÖ-geführten Ministerien wissen, welche Verbindungen es zwischen der rechtsextremen Gruppe und der FPÖ-Regierungshälfte gibt. Er fragt, ob man ausschließen könne, dass Kabinettsmitarbeiter Mitglieder der rechtsextremen Organisation sind. Auch die generelle Einstellung zu den Identitären wird abgefragt. Laut Medienberichten gibt es Verbindungen zwischen Identitären und Kabinettsmitarbeitern. Auch Bundeskanzler Kurz hatte am Mittwoch im Pressefoyer des Ministerrats gefordert, dass aus seiner Sicht auch „politische Mitarbeiter“ nicht bei den Identitären aktiv sein dürften.

Drozda kritisiert Kurz

SPÖ-Bundesgeschäftsführer Thomas Drozda bezeichnete die Abgrenzungsversuche von Kurz als „vollkommen unglaubwürdig“. Die „engen Verflechtungen“ der FPÖ mit der Bewegung seien seit Jahren bekannt gewesen, so Drozda. „Trotzdem hat die ÖVP mit der FPÖ auch die Identitären im Schlepptau in die Regierung gebracht und damit der extremen Rechten Tür und Tor geöffnet“, so Drozda. Das bringe Kurz in Erklärungsnot. Die „üblichen Distanzierungsversuche“ seien nun nicht mehr ausreichend, vielmehr müsse endlich Klartext gesprochen werden.

Grazer FPÖ-Chef ortet „Hysterie“

Für Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) ist die Distanzierung der FPÖ-Spitze von den Identitären ausreichend. Bei der Abgrenzung von extremen Rändern, insbesondere auch dem rechten extremen Rand, sei jeder Abgeordnete gefordert, das für sich zu tun. Die Parteiführer hätten das sehr klar formuliert, und da gebe es auch keine verschwommenen Grenzen, sagte Sobotka bei einem Besuch in Vorarlberg – mehr dazu in vorarlberg.ORF.at.

Für Aufsehen sorgte indes der Grazer Vizebürgermeister Mario Eustacchio (FPÖ). Er sprach von „Hysterie“. Der FPÖ-Politiker hatte selbst an einer Demonstration der Identitären teilgenommen. Für ihn gebe es auch „keinen Grund, sich von irgendetwas zu distanzieren“ – mehr dazu in steiermark.ORF.at.