Frankreichs Präsident Emmanuel Macron
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Brexit-Gipfel

Macron stemmt sich gegen langen Aufschub

Der EU-Austritt Großbritanniens wird wahrscheinlich wieder verschoben, um einen harten Brexit am Freitag zu stoppen. Das zeichnete sich Mittwochabend beim EU-Sondergipfel ab. Offen ist aber noch die Dauer des Aufschubs. Die Mehrheit der EU-27 ist für eine lange Verschiebung. Frankreich wehrt sich aber gegen eine Verlängerung über Ende Juni hinaus.

In Diplomatenkreisen hieß es, die große Mehrheit sei für eine Verlängerung der Austrittsfrist bis zum 30. März 2020. Doch vor allem der französische Präsident Emmanuel Macron spreche sich noch gegen diese Variante aus. Zuvor hatte sich auch Österreichs Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) gegen eine Verschiebung des Brexits über die am 23. Mai beginnenden EU-Wahlen hinaus ausgesprochen. Neben Österreich und Frankreich sollen auch Luxemburg, Slowenien und Zypern für eine kurze Verschiebung eingetreten sein.

Die britische Premierministerin Theresa May, die zu Beginn des EU-Gipfels den 27 anderen Staats- und Regierungschefs ihren Wunsch nach einer Verlängerung der Austrittsfrist nur bis 30. Juni unterbreitete, hatte nach gut einer Stunde die Sitzung wieder verlassen. Sie soll aber nach den Beratungen der EU-27 wieder Teil der Gespräche sein. Neben der Brexit-Verlängerung wurde auch über eine Amtszeitverlängerung der gegenwärtigen EU-Kommission diskutiert. Das könnte bedeuten, dass Jean-Claude Juncker länger EU-Kommissionschef bleibt.

Macron warnte vor langer Verschiebung

Zu Beginn des Gipfels beantwortete May die Fragen der Staats- und Regierungschefs. Die Runde sei konstruktiv gewesen, hieß es anschließend von EU-Diplomaten. May habe den Eindruck vermittelt, dass sie eine Verschiebung über den 30. Juni hinaus akzeptieren würde, sofern Großbritannien auch vor der neu gesetzten Frist geregelt aus der EU ausscheiden könnte.

Emmanuel Macron
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Macron sagte vor Beginn des EU-Sondergipfels, dass die Verlängerung noch nicht fix sei

Dass es eine weitere Verschiebung geben soll, war bereits in den Stunden vor dem Gipfel im Kreis der 27 EU-Länder weitgehend geklärt. So zeigte sich der irische Premier Leo Varadkar sicher, dass die EU einen Konsens erzielen werde, „Großbritannien ein bisschen mehr Zeit zu geben“. Er rechne nicht mit einem Austritt des Landes am Freitag. Allerdings müssen sich alle EU-Staaten einig sein, ansonsten kommt es zum „Hard Brexit“.

Und genau der steht derzeit im Raum. Denn ein Vertreter des französischen Präsidialamts erklärte während der Beratung, dass ein harter Brexit nicht die schlechteste Lösung wäre. Für die EU wäre es ein höheres Risiko, falls Großbritannien bei einer Teilnahme an der EU-Wahl die europäische Politik blockiere. Macron hatte schon bei seiner Ankunft öffentlich auf Bedingungen beharrt. Die Handlungsfähigkeit der EU dürfe nicht beeinträchtigt werden, und May müsse erklären, wie sie den Austrittsvertrag durch das britische Parlament bringen will.

Schwierige Situation in Großbritannien

Die Situation in Großbritannien ist allerdings sehr kompliziert. May steckt in der Klemme, weil das britische Parlament den mit der EU ausgehandelten Austrittsvertrag inzwischen bereits dreimal abgelehnt hat. Wegen der Blockade war der Brexit schon einmal vom 29. März auf den 12. April verschoben worden. Kurzfristig begonnene Vermittlungsgespräche mit Labour-Chef Jeremy Corbyn brachten noch keine Lösung, sollen aber an diesem Donnerstag weitergehen.

Bundeskanzler Sebastian Kurz
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Bundeskanzler Kurz betonte, dass für Österreich ein ungeregelter EU-Austritt der Briten nicht infrage kommt

Die Premierministerin hofft, den Knoten noch kurzfristig zu lösen, eine Mehrheit im Parlament zu finden und ihr Land noch vor der Europawahl vom 23. bis 26. Mai mit Vertrag aus der EU zu führen. Dann träte eine Übergangsphase in Kraft. Großbritannien müsste nicht mehr mitwählen und keine neuen Abgeordneten ins EU-Parlament schicken. Das wäre auch vielen EU-Politikern das liebste.

Beim EU-Sondergipfel war aber nun ein längerer Aufschub nach Darstellung von Diplomaten der Wunsch der meisten EU-Staaten. Als Daten waren Stichtage im Dezember 2019, im Februar oder März 2020 im Gespräch. Bundeskanzler Kurz sprach sich vor dem Gipfel aber für eine „möglichst kurze Verlängerung aus“. Es wäre nämlich absurd, wenn die Briten an der EU-Wahl teilnehmen würden, auch wenn momentan alles dafür spreche. „Wenn wir heute wieder einen Aufschub gewähren, werden wir versuchen, dass die Briten keine Möglichkeit haben, die EU zu blockieren“, so der Kanzler.

EU-27 stellten Bedingungen an May

May will aber zur Sicherheit in Großbritannien eine EU-Wahl am 23. Mai vorbereiten. Das hatten die 27 bleibenden EU-Länder als Bedingung formuliert. Die Wahlteilnahme soll sicherstellen, dass es keine rechtlichen Schwierigkeiten gibt, wenn Großbritannien im Sommer noch EU-Mitglied sein sollte, aber keine EU-Abgeordneten gewählt hat. Sollte Großbritannien aus irgendeinem Grund doch nicht wählen, müsste es einem Entwurf der Gipfelerklärung zufolge am 1. Juni gehen.

Tim Cupal (ORF): „Macron will kurze Verlängerung“

Beim EU-Sondergipfel in Brüssel zeigen sich die EU-27 gespalten. Während andere Regierungschefs den Briten mehr Zeit geben wollen, ist Frankreichs Staatschef Macron dafür, den Brexit nur kurz zu verschieben.

Eine weitere Bedingung für eine Brexit-Verschiebung sollte dem Entwurf zufolge sein, dass sich die britische Regierung verpflichtet, im Rat der Mitgliedsländer bei wichtigen EU-Entscheidungen nicht einzugreifen. Relevant könnte das bei der Auswahl des nächsten EU-Kommissionschefs oder den Verhandlungen über den EU-Finanzrahmen für die Jahre 2021 bis Ende 2027 sein. Der Entwurf der Gipfelerklärung wurde in diesem Sinne während der Beratungen noch angespitzt.

EU-Kommission: Harter Ausstieg „macht uns keine Angst“

Die EU-Kommission setzte indes am Mittwoch ihre Reihe von Notfallmaßnahmen im Fall eines harten Brexits fort. Ein Sprecher sagte, ein „No Deal“-Brexit sei „gewiss nicht das Ergebnis, das wir uns wünschen, aber es macht uns keine Angst. Wir sind vorbereitet.“

Gernot Blümel (ÖVP) über den Brexit

Für Europaminister Gernot Blümel (ÖVP) kann es keinen Aufschub ohne guten Grund geben. Die Briten müssten jetzt liefern, sagte er in der ZIB2 am Mittwochabend.

Am Mittwoch seien Leitlinien zu fünf Bereichen beschlossen worden. Diese betreffen die Aufenthalts- und Sozialversicherungsansprüche der Bürger und Bürgerinnen, den Datenschutz, die Arzneimittel- und Medizingeräte sowie die politische und justizielle Zusammenarbeit in Strafsachen. Ein reibungsloser Übergang solle damit gewährleistet werden.