Sudanesischer Verteidigungsminister Ahmed Awad Ibn Auf
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Baschir festgenommen

Militär übernimmt Macht im Sudan

Die Streitkräfte im Sudan übernehmen nach Angaben von Verteidigungsminister Awad ibn Awf die Macht im Land. Es werde eine von den Streitkräften geführte Übergangsregierung für zwei Jahre geben, sagte er am Donnerstag in einer TV-Ansprache. Langzeitmachthaber Omar al-Baschir sei festgenommen worden und an einem sicheren Ort.

Ibn Awf, der bisher unter Baschir auch Vizepräsident war, wird die neue Militärregierung anführen. „Die Menschen im Sudan haben so viel unter dem Regime gelitten“, sagte Ibn Awf. Das Regime habe stets gelogen und falsche Versprechungen gemacht. Es solle der Weg für Wahlen bereitet und sichergestellt werden, „dass die Menschen im Sudan in Würde leben können“, sagte er.

Für drei Monate gelte zunächst der Ausnahmezustand und für einen Monat eine nächtliche Ausgangssperre von 22.00 bis 4.00 Uhr früh, so der Minister weiter. Für das ganze Land einschließlich der Krisenregion Darfur gilt ab sofort eine Waffenruhe. Der Luftraum bleibe für 24 Stunden gesperrt. Alle politischen Gefangenen würden freigelassen, so Ibn Awf weiter.

Opposition ruft zu neuen Protesten auf

Die Organisatoren der monatelangen Proteste waren zuvor laut eigenen Angaben mit dem Militär im Gespräch über eine Übergangsregierung gestanden. Sarah Abdel Dschalil, eine Sprecherin der Sudanese Professionals Association, die die Proteste organisiert hat, sagte der AP, dass man keinen Militärputsch unterstützen werde. Das Militär solle vielmehr eine Übergangsregierung unterstützen.

Demonstranten und Soldaten
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Das Militär ist im Zentrum Karthums präsent

Laut der Nachrichtenagentur Reuters wiesen die Anführer der Protestbewegung auch die Ankündigung des Verteidigungsministers zurück und riefen zu neuen Protesten auf. Sie sagten, dass die Forderungen der Demonstranten nicht erfüllt worden seien. Das Militärregime habe nur die Galionsfigur Baschir entfernt, behalte aber die Kontrolle über das Land. Tausende sollen daraufhin laut Reuters in der Hauptstadt bereits gegen die neue Militärregierung zu protestieren begonnen haben.

Afrikanische Union: Militärputsch nicht „angemessen“

Kritik an dem Militärputsch kam auch von der Afrikanischen Union. Die Machtübernahme der Streitkräfte sei „nicht die angemessene Reaktion auf die Herausforderungen, vor denen der Sudan steht, und auf die Bestrebungen der Menschen“, erklärte der Chef der AU-Kommission, Moussa Faki Mahamat, am Donnerstag. Zudem rief er alle Beteiligten dazu auf, die Rechte der Bürger sowie die der Ausländer im Land zu respektieren.

UNO-Generalsekretär Antonio Guterres rief zu „Ruhe und allerhöchster Zurückhaltung“ in dem nordostafrikanischen Land auf. Er hoffe, dass die „demokratischen Bestrebungen des sudanesischen Volkes durch einen angemessen und inklusiven Übergangsprozess“ erreicht werden könnten. Die UNO stünde jederzeit bereit, den Sudan dabei zu unterstützen, ließ Guterres am Donnerstag in New York über seinen Sprecher ausrichten.

Armee an wichtigen Punkten in Khartum

Die Straßen im Zentrum füllten sich seit der Früh mit Zehntausenden Menschen. Armee und Sicherheitskräfte wurden am Donnerstag rund um das Verteidigungsministerium, Hauptstraßen und Brücken in der Hauptstadt Khartum gesichtet. Die Augenzeugen berichteten von zahlreichen mit Soldaten besetzten Militärfährzeugen, die in der Früh eingetroffen seien. Laut den Angaben bezogen weitere Mannschaftswagen im Zentrum der Hauptstadt Stellung.

Demonstranten
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Die Demonstrationen gegen Baschir hatten vor einigen Monaten begonnen und wurden immer größer

In dem Land mit 40 Millionen Einwohnerinnen und Einwohnern gab es seit Monaten Proteste gegen Baschir, der seit drei Jahrzehnten im Amt ist. Auslöser der Proteste waren Preiserhöhungen für Nahrungsmittel und andere Waren des Grundbedarfs. Seit der ölreiche Süden des Landes 2011 die Unabhängigkeit erlangte, rutschte der Sudan in eine schwere Wirtschaftskrise.

Ehemaliger sudanesischer Präsident Omar al-Bashir
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Baschir hielt sich sehr lange an der Macht – nun wurde er abgesetzt und verhaftet

Seit 30 Jahren an der Macht

Baschir hielt sich 30 Jahre an der Macht. In dieser Zeit trotzte er den gewaltsamen Konflikten in seinem Land ebenso wie der internationalen Justiz. Als General stürzte er 1989 mit einer Gruppe von gleichgesinnten hochrangigen Offizieren die demokratisch gewählte Regierung. Er verhängte den Ausnahmezustand, setzte die Verfassung außer Kraft, löste das Parlament und alle Parteien auf. 1996 ließ sich Baschir erstmals durch eine Wahl im Amt bestätigen, die Abstimmung galt aber weder als frei noch als fair.

Unter dem Einfluss seines islamistischen Mentors Hassan al-Turabi setzte der Staatschef im Sudan eine radikale Auslegung des Islam durch. Zusammen gründeten sie paramilitärische Volksverteidigungskräfte, die im Süden einen „Dschihad“ gegen „Ungläubige“ ausfochten. Seit 1993 steht der Sudan auf der US-Liste jener Länder, die den Terrorismus unterstützen. In den 1990er Jahren konnte der Terroristenführer Osama bin Laden von dort aus in Ruhe sein Netzwerk al-Kaida aufbauen.

Sudanesisches Militär verhaftet Präsidenten

30 Jahre lang hat er den Sudan mit harter Hand regiert, jetzt wurde Präsident Omar al-Baschir vom Militär abgesetzt und verhaftet. Die Streitkräfte übernehmen damit vorerst die Macht im Sudan.

Haftbefehl wegen Völkermordes

Der Internationale Strafgerichtshof (IStGH) erließ 2009 einen Haftbefehl gegen Baschir wegen Kriegsverbrechen und Verbrechen gegen die Menschlichkeit in der westlichen Region Darfur. Im Jahr 2010 folgte ein Haftbefehl wegen Völkermordes in dem Gebiet, wo nach UNO-Angaben beim Vorgehen der Armee und verbündeter Milizen gegen Rebellengruppen seit 2003 mehr als 300.000 Menschen getötet wurden. Zwei Millionen Einwohner ergriffen die Flucht.

2011 spaltete sich der mehrheitlich von Nichtmuslimen bewohnte Südsudan nach einem langen Bürgerkrieg ab. Der Sudan verlor dadurch drei Viertel seiner Erdölreserven – ein schwerer Schlag für die ohnehin durch ein 1997 verhängtes US-Embargo geschwächte Wirtschaft des Landes. Im Herbst 2013 kam es in der Hauptstadt Khartum zu Protesten gegen den Anstieg der Treibstoffpreise infolge der Streichung staatlicher Subventionen. Die Demonstrationen wurden von den Sicherheitskräften gewaltsam niedergeschlagen, Dutzende Menschen wurden getötet.