WikiLeaks-Gründer Julian Assange
Reuters/Hannah Mckay
USA oder Schweden

Gezerre um Assanges Auslieferung

Nach der Festnahme von WikiLeaks-Gründer Julian Assange in London ist die Debatte über dessen Auslieferung in vollem Gange. Während die USA bereits ein Gesuch stellten, über das bald entschieden werden soll, forderten am Freitag 70 britische Abgeordnete, dass Assange stattdessen nach Schweden überstellt werden soll. Allerdings stellte Stockholm bis jetzt keinen entsprechenden Antrag.

Assange droht in Schweden eine Wiederaufnahme von Ermittlungen wegen Vergewaltigungsvorwürfen. In einem Brief an den britischen Innenminister erklärten mehr als 70 Abgeordnete, Großbritannien müsse deutlich machen, dass es die Verfolgung sexueller Straftaten ernst nehme.

Assange wurde im Jahr 2010 in Schweden von zwei Frauen wegen Vergewaltigung und sexuellen Missbrauchs angezeigt. Die Vergewaltigungsvorwürfe waren der ursprüngliche Grund, warum Assange knapp sieben Jahre in der Botschaft Ecuadors gelebt hatte. Assange, der die Vorwürfe immer zurückwies, befürchtete, via Schweden in die USA ausgeliefert zu werden.

Die Ermittlungen in Schweden wurden bereits 2017 eingestellt, da der Australier für die Behörden nicht erreichbar war. 2020 würden die Vorwürfe endgültig verjähren, Ermittlungen wegen Missbrauchs mussten deshalb bereits eingestellt werden. Nach der Festnahme von Assange am Donnerstag forderte ein mutmaßliches Opfer des WikiLeaks-Gründers eine Wiederaufnahme des Verfahrens.

„Gerechtigkeit“ für Klägerin gefordert

Die britischen Abgeordneten betonten, bei ihrer Forderung handle es sich nicht um eine „Vorverurteilung“ des 47-Jährigen. Aber die Klägerin in Schweden müsse „Gerechtigkeit erfahren“. Das Schreiben ging auch an Diane Abbott, Schatten-Innenministerin der Labour-Partei. Kein Vergewaltigungsvorwurf dürfe ignoriert werden, schrieb Abbott auf Twitter. Allerdings hätten bisher nur die USA einen Auslieferungsantrag gestellt. Die Oppositionspartei Labour lehne die Auslieferung Assanges an die USA ab.

Sollte Schweden ebenfalls ein Gesuch stellen, müsste nach britischem Gesetz der Innenminister entscheiden, welcher Antrag Vorrang hat. Dabei müssten Faktoren wie die Schwere der Straftat und die Reihenfolge des Einlangens der Anträge in Betracht gezogen werden, sagte eine Anwältin gegenüber der BBC.

Britisches Gericht sprach Assange schuldig

Die USA werfen Assange unterdessen Verschwörung mit der Whistleblowerin Chelsea Manning vor, um ein Passwort eines Computernetzwerks der Regierung zu knacken, und fordern deshalb seine Auslieferung. Ein Gericht in London hatte ihn unterdessen am Donnerstag schuldig gesprochen, gegen Kautionsauflagen verstoßen zu haben, dafür drohen ihm bis zu zwölf Monate Haft.

Assange hatte seit sechs Jahren und zehn Monaten in der Botschaft Ecuadors in London gelebt und war am Donnerstag festgenommen worden, nachdem Ecuador sein diplomatisches Asyl aufgehoben hatte. Assanges Anwalt hatte vor Gericht argumentiert, der heute 47-Jährige habe sich den Behörden entziehen müssen, da ihn kein fairer Prozess erwarte und er an die USA ausgeliefert werden solle.

US-Anklage gegen Julian Assange
AP/Wayne Partlow
Die Anklageschrift der USA wurde kurz nach der Verhaftung von Assange veröffentlicht

Der Richter am Westminster Magistrates’ Court wies das als „lachhaft“ zurück. Ein Datum für das Urteil steht noch nicht fest, bis dahin soll Assange in Gewahrsam bleiben. Am 2. Mai soll es vor demselben Gericht um das Auslieferungsgesuch der USA gehen. Die britische Regierung hatte aber schon zuvor klargestellt, Assange werde nicht ausgeliefert, falls ihm die Todesstrafe drohen sollte. Das US-Justizministerium teilte jedoch mit, dass Assange im Falle einer Verurteilung eine Haftstrafe von maximal fünf Jahren droht.

Vater fordert Rückführung nach Australien

Der Vater von WikiLeaks-Gründer Julian Assange forderte am Wochenende die australische Regierung auf, für eine Rückkehr seines Sohnes in sein Heimatland zu sorgen. Das australische Außenministerium und Premierminister Scott Morrison sollten „etwas tun“, sagte John Shipton der australischen Zeitung „Sunday Herald Sun“.

„Es kann ganz einfach zur Zufriedenheit aller gelöst werden“, zeigte sich Shipton überzeugt. Es habe bereits Gespräche zwischen einem Senator und einem ranghohen Beamten des Außenministeriums über eine Auslieferung seines Sohnes nach Australien gegeben. Premierminister Morrison hatte allerdings am Freitag erklärt, Assange könne nicht mit einer „speziellen Behandlung“ seitens seines Heimatlandes rechnen.

Assange-Vertrauter in Untersuchungshaft

Ein Vertrauter Assanges wurde indes in Ecuador festgenommen und bleibt vorerst in Untersuchungshaft. Der 36-jährige Schwede soll nach Einschätzung der Ermittler Cyberangriffe auf Informationssysteme geplant haben, wie die Generalstaatsanwaltschaft am Samstag in Quito mitteilte. Seine Bankkonten werden vorerst eingefroren.

Der Verdächtige war gefasst worden, als er gerade nach Japan ausreisen wollte. Er habe zahlreiche Datenträger bei sich gehabt, teilte die Staatsanwaltschaft mit. Bei der Durchsuchung seiner Wohnung seien weitere Tablets, USB-Sticks, Handys und Kreditkarten sichergestellt worden. Der Verdächtige soll Assange mehrfach in seinem Exil in der ecuadorianischen Botschaft in London besucht haben.

Pilz fordert Asyl für Assange in Österreich

In Österreich forderte unterdessen Peter Pilz von Jetzt die Bundesregierung auf, dem WikiLeaks-Gründer Asyl zu gewähren. Es müsse verhindert werden, dass er in die USA gebracht werde. Jemand, der „Kriegsverbrechen aufdeckt, darf nicht an die Kriegsverbrecher ausgeliefert werden“, so Pilz zum „Standard“ (Wochenendausgabe).