Rege Debatte über Drill in Wiener Ballettakademie

Die Vorwürfe gegen die Ballettakademie der Wiener Staatsoper, die Gewalt und Demütigung der Schülerinnen und Schüler umfassen, wurden gestern Abend in der ORF-Sendung „Im Zentrum“ diskutiert.

Die Runde bei Moderatorin Claudia Reiterer war sich einig, dass man Kinder grundsätzlich behutsam behandeln müsse. „Demütigung fördert keine Leistung“, so etwa Olympiasieger Felix Gottwald. Gerade Kinder dürfe man nicht „in Gut oder Schlecht“ einteilen. „Die soziale Kompetenz sollte eigentlich der höchste Fokus in jeder Trainerausbildung sein.“

Frühere Leiterin für Pädagogenausbildung

Das Stichwort Ausbildung war auch für Jolantha Seyfried, ehemalige Leiterin der Ballettschule, zentral. „Es muss eine verpflichtende Ballettpädagogenausbildung aufgebaut werden“, appellierte sie an die Politik. Ein Kind müsse sich dem Lehrpersonal anvertrauen können.

Sie selbst sei beim Versuch, die Strukturen in der Schule zu ändern, gescheitert, „weil ich kein Gehör gefunden habe“. Letztlich plädierte sie für ein Loslösen der Ballettakademie von der Staatsoper. „Die Interessen passen nicht zusammen.“

Druck, Drill, Demütigung – Keine Leistung ohne Leiden?

Solotänzerin und „Dancing Stars“-Jury-Mitglied Karina Sarkissova, Jolantha Seyfried (ehemalige geschäftsführende Leiterin der Ballettschule der Wiener Staatsoper), Tennistrainer Günter Bresnik, Olympiasieger und Trainer Felix Gottwald sowie Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits diskutieren über Trainingsmethoden, die zu Höchstleistungen führen sollen.

Debatte über Notwendiges

„Für mich ist das Wort ‚Drill‘ nicht negativ besetzt“, meinte wiederum Günter Bresnik. Der langjährige Trainer von Tennisprofi Dominik Thiem sieht diesbezüglich vielmehr „eine Notwendigkeit in allen Bereichen, wenn ich Außergewöhnliches leisten möchte“. Dennoch dürfe man nicht übers Ziel hinausschießen. Aber: „Erfolglos sein ist auch eine Form von Leiden.“ Spitzensport sei grundsätzlich nicht einfach, man müsse auch an den Druck gewöhnt werden – „aber langsam und schrittweise“.

Ahnlich sah das Ballerina Karina Sarkissova. „Es muss einem bewusst sein, was das für ein Beruf ist. Das Wichtigste ist, dass die Eltern das Kind davor aufklären, dass es nicht nur das hübsche Tanzen im Tutu ist. Ballett ist ein sehr körperfeindlicher Beruf.“ Sie selbst sei als junges Mädchen von Russland nach Österreich gekommen, habe kein Wort Deutsch gesprochen und sich dennoch durchgesetzt. Tanz auf diesem Niveau verlange einfach „Druck und Disziplin“.

Jugendanwältin fordert Kinderschutz ein

Überrascht vom Ausmaß der Vorwürfe, die nach Recherchen der Wochenzeitung „Falter“ bekanntgeworden sind und neben Gewalt und Drill sowie dem Propagieren eines ungesunden Körperbilds auch einen möglichen sexuellen Übergriff umfassen, war Kinder- und Jugendanwältin Monika Pinterits.

„Es ist wichtig, dass überall, wo Menschen mit Kindern arbeiten, ein Kinderschutz betrieben wird“, forderte sie. Es brauche neue Strukturen, Institutionen müssten sich dezidiert gegen Gewalt an Kindern aussprechen.