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Mindestsicherung neu

Expertenhearing und eine Änderung

Ende Mai soll die von der ÖVP-FPÖ-Bundesregierung geplante Mindestsicherung neu im Nationalrat beschlossen werden. Am Montag zeigten sich Fachleute noch uneins über die Folgen der Neuregelung. Sogar von „Verfassungswidrigkeit“ war die Rede. In einem Punkt kündigte Sozialministerin Beate Hartinger-Klein (FPÖ) bereits eine Nachbesserung an.

Gemeinsam mit ÖVP-Klubobmann August Wöginger teilte sie am Rande des Expertenhearings im Parlament mit, dass das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz in Zusammenhang mit der Anrechenbarkeit von Spenden geändert wird. „Wir werden klarstellen, dass Geldleistungen nicht angerechnet werden“, sagte sie. Bei den Sachleistungen sei das ohnehin schon klar gewesen. Laut Wöginger sind sowohl öffentliche als auch private Spenden gemeint. „Es werden Spenden aller Art nicht eingerechnet“, so der ÖVP-Klubomann.

Zuletzt entspann sich eine Diskussion darüber, ob Spenden künftig die Mindestsicherung der Empfänger kürzen. Das Sozialministerium hatte das bis zuletzt bestritten. Für die SPÖ ging das dagegen aus dem Grundsatzgesetz „eindeutig“ hervor. „Wir hatten mit unserer Kritik recht, die Regierung rudert zurück“, sagte SPÖ-Sozialsprecher Josef Muchitsch nach der Ankündigung Hartinger-Kleins. Die Änderung werde man sich „ganz genau ansehen“. Wie die Nachbesserung im Gesetz aussehen wird, war am Montag unklar.

Uneinigkeit der Fachleute

Bei der Expertendebatte waren nicht nur die Spenden ein Thema, sondern die Maßnahmen, die die neue Sozialhilfe vorsieht. Außerdem wurde debattiert, ob das neue Gesetz zu einer einheitlichen Sozialhilfe führen wird. Den Ländern wurde ein Gestaltungsspielraum gewährt. Bis Ende des Jahres müssen sie Ausführungsgesetze verabschieden. Beim Hearing untermauerten die Fachleute aber ohnehin weitgehend die Standpunkte der Parteien, die sie entsandt hatten. Die von ÖVP und FPÖ Nominierten verteidigten die Regierungsvorlage, jene der Opposition übten zum Teil harsche Kritik.

Sozialministerin Beate Hartinger-Klein
APA/Georg Hochmuth
Sozialministerin Hartinger-Klein kündigte nach Kritik eine Änderung bei der Anrechenbarkeit von Spenden an

Der Sozialrechtler Wolfgang Mazal und der oberösterreichische Landtagsdirektor Wolfgang Steiner (beide von der ÖVP nominiert) betonten, dass das Grundsatzgesetz in die richtige Richtung gehe. Dass die Länder für die Durchführung der Sozialhilfe zuständig sind, sei nicht problematisch, da „auch die Gesellschaft differenziert ist“, so Mazal. Den Fokus auf Sachleistungen begrüßte er. Der sei nämlich wichtig für die „soziale Kohäsion der Gesellschaft“ und die Ausgewogenheit. Denn es dürften die Geldleistungen der Sozialhilfe nicht höher sein als manches Erwerbseinkommen.

Grafik zur Mindestsicherung
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA/Regierung

Steiner glaubt, dass sich die Länder am Ende an einem „Best-Practice-Modell“ orientieren werden. Die Umstellung werde aber eine „gewisse Unruhe“ erzeugen. Wie man die Kürzungen bei Zuwanderern durchführen wird, weiß er noch nicht. „Die Überlegungen zur konkreten Ausgestaltung sind noch nicht abgeschlossen“, sagte Steiner, der auch auf den „ambitionierten“ Zeitplan verwies. So müssten IT-Systeme angepasst und Formulare neu erstellt werden. Nebenbei müsse das alte System laufen, so der Landtagsdirektor. Aber das vorgegebene Grundsatzgesetz sei „tauglich“ für die Ausführungsgesetze.

Die von der FPÖ entsandte Expertin aus dem Sozialministerium, Elisabeth Bruckmüller, bezeichnete das Sozialhilfe-Grundsatzgesetz als „Meilenstein“, um der „negativen Entwicklung“ entgegenzusteuern. Immer mehr Bezieher und Bezieherinnen hätten keine österreichische Staatsbürgerschaft, und die Ausgaben würden kontinuierlich steigen. Mit der Sozialhilfe solle die Wiedereingliederung in den Arbeitsmarkt besser funktionieren, und der Fokus auf Sachleistungen werde die „Treffsicherheit“ erhöhen. Mit einem neuen Sozialhilfestatistikgesetz erhalte man erstmals „verlässliche Daten aus den Ländern“.

Von Opposition nominierte Experten mit harscher Kritik

Kein gutes Haar ließ der von Jetzt nominierte Rechtspolitologe Nikolaus Dimmel an der Regierungsvorlage. Die neue Mindestsicherung sei von ihrem Ziel her „nicht mehr auf die Vermeidung von Armut ausgerichtet“. Vielmehr spitze sie die prekäre soziale Lage zu: „Die Armutslücke wird vergrößert.“ Durch die „Deckelungsmechanik“ seien die Handlungsspielräume stark eingeschränkt. Zudem befürchtete er eine Verschlechterung bei den administrativen Kosten der Länder und Gemeinden.

Nachbesserung der Mindestsicherung neu

Am Montag beschäftigte sich der Sozialausschuss mit der Mindestsicherung. Die von der Regierung nominierten Experten verteidigten das Vorhaben. Fachleute der Opposition übten scharfe Kritik.

Eine weitere „Polarisierung und Verfestigung“ der Armut befürchtete auch die von der SPÖ geschickte Sozialwissenschaftlerin Karin Heitzmann. Vor allem Familien mit Kindern würden betroffen sein. Zudem stehe bei den Anreizen für Integration die Schnelligkeit und weniger die Nachhaltigkeit im Vordergrund. Bereits im aktuellen Modell sei die kulturelle Teilhabe von Menschen, die eine bedarfsorientierte Mindestsicherung beziehen, eingeschränkt: „Die Teilhabemöglichkeiten werden durch die neue Sozialhilfe weiter reduziert.“

Gleich mehrere rechtliche Bedenken meldete der ebenfalls von den Sozialdemokraten nominierte Arbeits- und Sozialrechtler Walter Pfeil an. Die asylpolitische „Mauer“, die da offenbar aufgebaut werden solle, werde vom Verfassungsgerichtshof (VfGH) und vom Europäischen Gerichtshof (EuGH) eingerissen werden. Für Pfeil sind mehrere Punkt verfassungs- und europarechtswidrig. Eine Rechtfertigung aus integrations- und fremdenpolizeilichen Gründen würde die Staffelung oder den Vorrang von Sachleistungen möglich machen, im Armenwesen solle aber einzig auf den Gesichtspunkt der sozialen Bedürftigkeit Bedacht genommen werden.

Mehr Transparenz gewünscht

Für den Verfassungsexperten Michael Schilchegger (von der FPÖ nominiert) ist das Gesetz hingegen nicht verfassungswidrig. Es werde zu einer höheren „Systemgerechtigkeit“ führen, so der Experte. Für den von NEOS nominierten Ökonomen Wolfgang Nagl geht das Ziel einer bundeseinheitlichen Regelung in die richtige Richtung, es werde aber nicht erreicht. Denn durch die Höchstgrenzen bleibe ein Spielraum für die Länder. Zudem hätte man noch mehr auf Sachleistungen setzen können, so Nagl: „Denn aus der Literatur wissen wir, dass Sachleistungen zielgerichteter sind, gerade im Wohnbereich.“

Bei der Erhebung der Höhe der Sozialhilfe hätte sich Nagl mehr Transparenz gewünscht, etwa indem das Vorschlagsrecht bei einer Expertenkommission läge. Die vorgesehene Staffelung bei den Kindern sei ein „falsches Signal“. Bei den Vermögensfreigrenzen wäre es angebracht gewesen, das Lebensalter und die Erwerbssituation stärker zu berücksichtigen. In Sachen Deutschkenntnisse meinte Nagl, dass Anreize grundsätzlich zu begrüßen seien, es aber besser wäre, sie an die Bereitschaft und nicht an ein Sprachniveau zu koppeln. Auch die Änderung des Sozialhilfestatistikgesetzes sei „positiv“ zu beurteilen. Die Daten müssten aber öffentlich zugänglich sein.

Nach dem Hearing passierte das Regierungsvorhaben mit Stimmen von ÖVP und FPÖ den Sozialausschuss. Jetzt warnte unterdessen vor dem ihrer Ansicht nach drohenden „Föderalismusdschungel“. „Die Bundesländer haben bei einer weiteren Kürzung der Leistungen weitgehend freie Hand. Dadurch aber wird ein wahrer Fleckerlteppich an unterschiedlichen Regelungen geschaffen“, sagte Jetzt-Abgeordnete Daniela Holzinger.