Semmering-Tunnel
ORF.at/Christian Öser
Unfallstatistik

Die Risikofaktoren im Tunnel

Tunnel sind nicht die beliebtesten Strecken, die Statistik ist aber kein Grund für Angst oder ein mulmiges Gefühl – im Gegenteil: Die Zahl der Unfälle in Tunneln ist in den letzten Jahren deutlich zurückgegangen, statistisch gesehen sind sie sicherer als Freilandstraßen. Auf die Frage, wo und wann es am gefährlichsten ist, liefert eine aktuelle Studie teils recht überraschende Antworten.

Das Verkehrsministerium wertete für die Studie Zahlenmaterial zu Unfällen (mit Verletzten oder Toten) in Tunneln aus den Jahren 1999 bis 2017 aus, berücksichtigt wurden Autobahn- und Schnellstraßentunnel mit einer Mindestlänge von 200 Metern. In diesem Zeitraum verunglückten bei 1.841 Unfällen 3.170 Personen. 126 Menschen starben.

Auffällig sei, hieß es dazu am Dienstag, dass in diesen 19 Jahren die Zahl der Toten stark zurückging, während gleichzeitig die Zahl der gebauten Tunnelkilometer stark zunahm – um mehr als 100 Prozent. Grund dafür sei vor allem die Erweiterung um zweite Röhren gewesen. Zwischen 1999 und 2002 seien durchschnittlich noch 15 Personen pro Jahr in Tunneln ums Leben gekommen, in den letzten fünf Jahren des Untersuchungszeitraums seien es rechnerisch nur noch 2,4 pro Jahr gewesen. Über den ganzen Zeittraum gerechnet habe die Zahl der Todesopfer pro Jahr sieben betragen.

Schnellstraßen im Schnitt gefährlicher

Ausgewertet wurde in der Ende November 2018 fertiggestellten Studie unter dem Titel „Bericht über Brände und Unfälle in Tunnelanlagen“ auch der Vergleich des Unfallrisikos zwischen Autobahn und Schnellstraße jeweils im Freiland sowie Tunnelstrecken.

Tunnel
APA/dpa/Matthias Hiekel
Zwei Röhren statt einer bedeuten nicht immer und überall weniger Unfälle

Dabei habe sich gezeigt, dass sich bei einer Milliarde gefahrener Kilometer im Schnitt 85 Unfälle mit Verletzten auf den Autobahnen ereigneten, auf den Schnellstraßen war es ein Unfall mehr, in den Tunnelabschnitten lag die Zahl mit 67 aber deutlich niedriger. Bei diesen Unfällen verunglückten 137 Menschen auf der Autobahn, 127 auf der Schnellstraße und 115 im Tunnel.

Der Faktor Gegenverkehr

Etwas anders sehen die Zahl bei Unfällen mit Todesfolge aus. Je eine Milliarde gefahrene Kilometer habe zwischen 1999 und 2017 die Zahl der Todesopfer auf den österreichischen Autobahnen rein statistisch 3,42 pro Jahr betragen, auf den Schnellstraßen 5,34 und in Tunneln 4,58.

Grafik zum Straßenverkehr in Österreich
Grafik: APA/ORF.at, Quelle: BMVIT/Statistik Austria/Asfinag

Die vergleichsweise hohe Zahl der tödlichen Unfälle auf den Schnellstraßen wird in der Studie mit den vielen Gegenverkehrsbereichen ohne bauliche Trennung – wie auf den Autobahnen – begründet. Auch bei der Zahl der Schwerverletzten schnitten die Schnellstraßen am schlechtesten ab, zwischen Autobahnen im Freiland und Tunneln habe es nur kleine Unterschiede gegeben.

Das Tunnel-Paradoxon

In Tunneln endete der überwiegende Teil der Unfälle mit Blechschäden. Von 4.365 Unfällen zwischen 2006 und 2017 in Tunneln mit einer Länge über 500 Metern endeten laut der Studie mehr als drei Viertel (3.298) mit Sachschaden, bei 970 (22 Prozent) gab es Verletzte oder Tote, und in zwei Prozent der Fälle (106) begannen Fahrzeuge zu brennen – das Schreckensszenario im Tunnel für Fahrzeuglenker und Einsatzkräfte schlechthin.

Einsatzkräfte bei Gleinalmtunnel
APA/Filmteam-Austria/Roland Theny
Im Oktober des Vorjahres brannte im Gleinalmtunnel in der Steiermark ein Lkw. Der Tunnel war danach wochenlang gesperrt.

Eine eher überraschende Antwort lieferten die Zahlen auf die Frage, was zwei Röhren statt nur einer für die Sicherheit in Tunneln bringen: Rein statistisch gesehen ist das Unfallrisiko in Tunneln mit einer Röhre, also mit Gegenverkehr, sogar etwas geringer als in solchen ohne Gegenverkehr. Wenn dort allerdings ein Unfall passiert, geht er oft schlimmer aus. Das Risiko, dabei zu sterben, sei dreimal höher als in Tunneln ohne Gegenverkehr. Die Zahlen für den Vergleich lieferten Daten aus den Jahren 2006 bis 2017.

Wo ist es am gefährlichsten?

In Tunneln mit Gegenverkehr ereigneten sich in diesem Zeitraum 216 Unfälle mit Personenschaden, betroffen waren 460 Personen, 21 starben. In Tunneln ohne Gegenverkehr wurden 812 Unfälle mit 1.273 Verunglückten und 22 Todesfälle registriert. Umgerechnet auf jeweils eine Milliarde gefahrene Kilometer betrug die Relation bei der Zahl der Verkehrsunfälle 53,5 zu 60 bzw. bei der Zahl der Toten 5,24 zu 1,88.

Erhoben wurde in der Studie auch, wo genau bei Tunnelunfällen die größte Gefahr liegt. Hier habe sich ganz eindeutig gezeigt, hieß es am Dienstag, dass der größte Teil davon (etwas mehr als die Hälfte) im Bereich des Portals passiert, wobei das Unfallrisiko bei Tunneln mit Gegenverkehr noch einmal fast doppelt so hoch ist wie bei Röhren ohne Gegenverkehr. Das zweithöchste Risiko liegt in den ersten 150 Metern eines Tunnels, wobei es hier kaum noch eine Rolle spielt, ob Gegenverkehr besteht oder nicht. Dagegen liegt im Tunnelinneren (ab 150 Meter nach dem Portal) das Unfallrisiko nur noch marginal höher als in den 250 Metern vor bzw. nach dem Tunnel.

Unachtsamkeit und Auffahrunfälle am häufigsten

Bei den unterschiedlichen Typen von Unfällen zeigt sich, dass auch in Tunneln mit Gegenverkehr Unfälle im Richtungsverkehr (etwa Auffahrunfälle) mit etwa 60 Prozent am häufigsten vorkamen. In Tunneln ohne Gegenverkehr sind Unfälle im Richtungsverkehr erneut häufiger (72 Prozent). Die Studie liefert auch Belege für die Thesen, dass in Tunneln mit Gegenverkehr vielleicht weniger oft etwas passiert, weil die Aufmerksamkeit höher ist.

Folglich heißt es darin, dass mehr als eine Drittel aller Unfälle auf Unachtsamkeit und Ablenkung zurückzuführen seien, die zweithäufigste Ursache sei ein zu geringer Sicherheitsabstand zu anderen Fahrzeugen. Ursache Nummer drei ist die Geschwindigkeit, Nummer vier Übermüdung. Unfälle aufgrund überhöhter Geschwindigkeit passierten ebenfalls öfter in Tunneln ohne Gegenverkehr.