Mitterlehner rechnet in Buch mit Kurz ab

Der frühere ÖVP-Chef und Vizekanzler Reinhold Mitterlehner rechnet zwei Jahre nach seinem Rückzug aus der Politik in seinem morgen offiziell erscheinenden Buch mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) und der von ihm geführten ÖVP ab. In „Haltung – Flagge zeigen in Leben und Politik“ schreibt Mitterlehner über den monatelangen Machtkampf und legt seine Sicht der Dinge dar, entsprechend subjektiv werden laut APA die Ereignisse beschrieben.

So schreibt Mitterlehner etwa, dass er mit seinem Rücktritt im Mai 2017 die ÖVP nicht überrumpelt habe, Kurz und seine Vertrauten hätten sich vielmehr bereits seit mehr als einem Jahr minutiös auf die Übernahme der Partei vorbereitet.

Kurz wollte „unbefleckt“ in Neuwahlen

Als nach dem Rücktritt von SPÖ-Chef Werner Faymann Christian Kern als neuer Kanzler auftauchte, habe Kurz bestätigt, dass es sein Ziel sei, die Koalition zu sprengen. Er, Mitterlehner, hätte die Koalition aufkündigen und die Verantwortung dafür übernehmen sollen, damit Kurz „unbefleckt“ in Neuwahlen gehen könne. Als er abgelehnt habe, sei es zum endgültigen Bruch gekommen, heißt es im Buch weiter.

Der damalige Innenminister Wolfgang Sobotka (ÖVP) sei in die „Rolle des Zerstörers und Kern-Kritikers“ geschlüpft. Seine Arbeit mit Kern sei „schon in der Entstehung torpediert“ worden, so Mitterlehner. Schließlich sei die „Eskalationsspirale“ weitergedreht worden, der „Anfang vom Ende“ sei der Brief an die EU wegen der Indexierung der Familienbeihilfe gewesen, von dem er nichts gewusst habe.

Von Koalition wenig begeistert

Mitterlehner berichtet von „Mobbing“ und „Intrigen“ wie „teilweise frei erfundenen“ Geschichten über ihn im Boulevard. Hinter seinem Rücken habe Kurz sein Programm vorgestellt und „Sponsoren-Rallyes“ absolviert. Es habe schließlich zwei ÖVP-Chefs gegeben, Mitterlehner selbst habe „mehr oder weniger ein Potemkin’sches Dorf“ geführt. Schließlich sei er zurückgetreten. Mitterlehner will das Buch heute offiziell präsentieren.

Von der aktuellen Koalition zeigt sich Mitterlehner im Buch wenig begeistert. Kurz habe „in jedem Fall die Rechten salonfähig gemacht“, Innenminister Herbert Kickl (FPÖ) vermittle „immer wieder die Einstellung, die Politik stünde über dem Recht und sogar über internationalen Rechtsgrundlagen“. Aber auch die Regierung selbst habe merkwürdige Ansichten. Er sehe „die Gefahr, dass die vorrangig auf Stimmung und Anlass ausgerichtete Politik geltende Wertmaßstäbe beiseiteschiebt“.

ÖVP: „Unterschiedliche Perspektiven“

Inzwischen reagierte die ÖVP auf Mitterlehners Schilderungen: „Es bleibt jedem unbenommen, seine Vergangenheit in einem Buch aufzuarbeiten. Natürlich gibt es beim Blick auf die Vergangenheit immer unterschiedliche Perspektiven: Gerade in diesem Fall ist das offensichtlich“, so ÖVP-Generalsekretär Karl Nehammer gestern Abend.