Polizisten und Forensiker
APA/AFP/Ishara S. Kodikara
290 Tote in Sri Lanka

Selbstmordattentäter zündeten Bomben

Nach den Anschlägen in Sri Lanka ist die Zahl der Todesopfer bis Montag auf mindestens 290 gestiegen. Unter ihnen und den zumindest 450 Verletzten befinden sich auch mehrere Touristinnen und Touristen. Es gab zahlreiche Festnahmen, aber bisher keine Informationen zu den Drahtziehern des Terrors. Die meisten Spengsätze wurden von Selbstmordattentätern gezündet.

Ein Forensiker des sri-lankischen Verteidigungsministeriums teilte Montagfrüh mit, dass es sich bei den drei Explosionen in christlichen Kirchen und denen in drei Hotels in der Hauptstadt Colombo um Selbstmordanschläge handelte. Die Auswertung der Spuren bestätigte den bereits zuvor gehegten Verdacht.

Mehr als 20 Festnahmen

Laut Polizei wurden bis Montagfrüh 24 Personen unter Tatverdacht festgenommen, allerdings gibt es bis dato kein Bekenntnis zu den Anschlägen vom Sonntag. Unter den Toten befinden sich mindestens 35, unter den nach unterschiedlichen Angaben 450 bis 500 Verletzten zumindest 19 ausländische Staatsbürger. Sie stammen laut Angaben vom Sonntag aus zumindest neun Ländern: Indien, den USA, Großbritannien, Portugal, Dänemark, China, den Niederlanden, Belgien und der Türkei.

Zum Zeitpunkt der Anschläge hatten sich auch an die 300 Österreicherinnen und Österreicher in Sri Lanka befunden. Es dürften sich aber keine unter den Opfern befinden, so zumindest der Stand vom Sonntag bei noch recht unübersichtlicher Gesamtlage. Laut Außenministerium besteht jedenfalls ein „hohes Sicherheitsrisiko von weiteren Anschlägen“. Die aktuelle Empfehlung unter den Reiseinformationen zu Sri Lanka auf der Website des Ministeriums: „Bleiben Sie bis auf Weiteres vor Ort und folgen Sie den Anweisungen der Sicherheitsbehörden.“

Hausdurchsuchung nach Anschlag in Sri Lanka
Reuters
Soldaten der sri-lankischen Special Task Force im Einsatz

Insgesamt acht Sprengsätze gezündet

Insgesamt war es am Sonntag zu acht Explosionen gekommen, sechs davon innerhalb einer halben Stunde. Ziel waren drei Kirchen, in denen Ostergottesdienste stattfanden, in verschiedenen Teilen des Landes, außerdem drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo. Bei den Kirchen handelte es sich um die St.-Antonius-Kirche in Colombo, die St.-Sebastians-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250 Kilometer östlich von Colombo. Außerdem gab es Explosionen in den Fünfsternehotels Shangri-La, Cinnamon Grand und Kingsbury in Colombo.

„Schreckliche Szenen“ in Kirche

Später wurde eine siebente Explosion in einem kleinen Hotel in einem Vorort der Hauptstadt gemeldet, eine achte ereignete sich am Nachmittag in einer Wohngegend in Dematagoda, einem anderen Vorort Colombos. Es geb jeweils mehrere Tote. Sri Lankas Minister für Wirtschaftsreformen, Harsha de Silva, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, in einer Kirche habe es „schreckliche Szenen“ gegeben. Diese sei mit Körperteilen übersät gewesen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Einsatzkräfte Verletzte aus einer verwüsteten Kirche trugen.

St. Sebastian Kirche nach dem Anschlag
APA/AP/Chamila Karunarathne
Die verwüstete St.-Sebastians-Kirche in Negombo nach einem Anschlag

Regierung spricht von Terror

Der stellvertretende Verteidigungsminister Ruwan Wijewardene sagte, es handle sich bei den Angriffen um einen „Terroranschlag“, und dieser sei von religiösen Extremisten verübt worden. Ermittler hätten die Täter bereits identifiziert. Später, in der Nacht auf Montag, folgten Meldungen über zumindest 24 Festnahmen. Ein Name einer mutmaßlich für die Anschläge verantwortlichen Gruppierung wurde allerdings nicht genannt.

Zumindest bei den ersten 14 Festgenommenen handle es sich um Bürger des Inselstaats, hatte es am Sonntag geheißen, allerdings gingen die Behörden auch möglichen Verbindungen ins Ausland nach, sagte Regierungschef Ranil Wickremesinghe. Staatspräsident Maithripala Sirisena sagte, die Streitkräfte und die Polizei gingen der „Verschwörung“ auf den Grund. Die Oberbefehlshaber der Streitkräfte trafen mehrere Minister zu einer Krisensitzung. Wickremesinghe sagte, die Anschläge „zielten klar darauf ab, das Land zu destabilisieren“.

Ausgangssperre verhängt

Als Reaktion auf die Angriffe verhängte die Regierung noch am Sonntagnachmittag (Ortszeit) eine sofortige Ausgangssperre über die Nacht. Der Flughafen von Colombo blieb laut österreichischem Außenministerium jedoch in Betrieb, Passagiere könnten diesen „unter Vorweisung des Flugtickets“ erreichen. Weiters wurde in Sri Lanka der Zugang zu Sozialen Netzwerken und Messenger-Diensten gesperrt. Die Schulen sollten vorerst geschlossen bleiben, auch die Universitäten.

Leere Straßen nach Ausganssperre in Colombo, Sri Lanka
APA/AFP/Ishara Kodikara
Die Regierung verhängte eine sofortige Ausgangssperre, auch Schulen und Universitäten bleiben geschlossen

Hinweise auf möglichen Anschlag

Erst vor etwas mehr als einer Woche Tagen hatte Sri Lankas Polizeichef Pujuth Jayasundara vor möglichen Selbstmordanschlägen auf Kirchen durch extremistische Gruppen gewarnt. Er berief sich dabei auf Informationen eines „ausländischen Geheimdiensts“. Auch laut Wickremesinghe lagen dem Geheimdienst Hinweise auf einen möglichen Anschlag vor. Es müsse untersucht werden, warum keine entsprechenden Maßnahmen ergriffen worden seien, sagte er in einer Fernsehansprache am Sonntagabend (Ortszeit).

Mahamood Lebbe Alim Mohamed Hizbullah, Minister für Umsiedlungen und Wiedereingliederung, warnte jedoch in einem Interview mit dem malaysischen Nachrichtenportal The Leaders Online vor voreiligen Schuldzuweisungen. „Die Ermittlungen laufen. Aber es gibt keine Beweise gegen eine spezielle Partei, Gemeinschaft oder Gruppe“, betonte der muslimische Politiker. Dass die möglichen Drahtzieher aus der radikalislamischen Thowheed Jama’ath (NTJ) kommen, wurde am Montag vorerst dementiert.

Internationale Anteilnahme

Auch außerhalb Sri Lankas zeigte man sich von den Angriffen erschüttert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den „barbarischen Akt“: „Die Anschläge in Sri Lanka, auf friedlich betende und Gottesdienst feiernde Menschen und auf Hotelgäste, sind ein schrecklicher und barbarischer Akt. Sie sind auf das Schärfste zu verurteilen“, schrieb er auf Twitter. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte „tief erschüttert und besorgt“ auf die Angriffe. Auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl zeigte sich auf Twitter „zutiefst“ betroffen.

Handlos (ORF) aus Sri Lanka

Brigitte Handlos, die Leiterin des ZIB-Chronikressorts, berichtet aus Sri Lanka über die Geschehnisse an Ort und Stelle.

US-Präsident Donald Trump sprach den Opfern sein Mitgefühl aus, der russische Präsident Wladimir Putin sprach von einem „grausamen und zynischen Verbrechen“. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schrieb: „Das ist ein Angriff auf die gesamte Menschheit.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus. Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres reagierte bestürzt auf die Anschläge. Er hoffe, dass die Verantwortlichen schnell zur Rechenschaft gezogen werden. Der Papst erwähnte die Angriffe in seiner Osteransprache: Er bete für „alle Verletzten und diejenigen, die wegen des dramatischen Ereignisses leiden müssen.“

Sri Lankas lange Geschichte blutiger Gewalt

Der südasiatische Inselstaat ist ein beliebtes Touristenziel, auch für Gäste aus Europa. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind Christen. Die Mehrheit sind Buddhisten, 12,6 Prozent sind Hindus. Der Islam stellt mit einem Anteil von 9,7 Prozent (Stand: 2012) eine weitere religiöse Minderheit in dem Land dar.

Sri Lanka hat eine lange Geschichte blutiger Gewalt gegen und zwischen Religionsgemeinschaften und ethnische Gruppen. Der Bürgerkrieg ging 2009 nach 26 Jahren zu Ende. Die Rebellengruppe Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) hatte für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden des Landes gekämpft. Die Armee besiegte die Aufständischen schließlich. Die UNO wirft beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.