Trümmer in der Kirche
APA/AFP/Ishara S. Kodikara
Sri Lanka

Regierung nennt Drahtzieher der Anschläge

Nach den Anschlägen am Ostersonntag in Sri Lanka hat die Regierung nun die Drahtzieher genannt. Man sei fest davon überzeugt, dass die Gruppe National Thowheeth Jama’ath (NTJ) die Selbstmordattentate verübt habe, sagte ein Regierungsvertreter am Montag. Verbindungen der Gruppe ins Ausland sollen nun geprüft werden. Bestätigt wurde auch, dass es schon im Vorfeld Hinweise auf die Anschläge gab.

Die Behörden sollen prüfen, ob die sri-lankische Islamistengruppe „internationale Unterstützung“ hatte, so Kabinettssprecher Rajitha Senaratne. „Ohne internationales Netzwerk hätten diese Angriffe keinen Erfolg haben können“, zitierte der „Guardian“ den Sprecher, der auch Gesundheitsminister des Landes ist.

Schon zwei Wochen vor den Anschlägen sei man schriftlich gewarnt worden – inklusive einer Liste mit Namen von Verdächtigen, so Senaratne. Er bestätigte die Echtheit des Schreibens des Polizeichefs vom 11. April. Die genannten Verdächtigen hätten nach dem Anschlag auf zwei Moscheen im März im neuseeländischen Christchurch gegen andere Religionen gehetzt, hieß es.

Premierminister Ranil Wickremesinghe sei jedoch nicht informiert worden. Senaratne kritisierte das angespannte Verhältnis zwischen Wickremesinghe und den Sicherheitsdiensten unter Staatspräsident und Verteidigungsminister Maithripala Sirisena. Sirisena hatte Wickremesinghe Ende vergangenen Jahres überraschend entlassen und ersetzt. Wickremesinghe gewann aber den Machtkampf und blieb im Amt.

Weitere Explosion in Colombo

Am Montag kam es unterdessen in der Hauptstadt Colombo zu einer weiteren Explosion, wie die BBC berichtet. Ein Kleintransporter soll explodiert sein, nachdem eine Bombenentschärfungseinheit versucht haben soll, einen Sprengsatz zu entschärfen. Auf Videos eines „Guardian“-Reporters ist zu sehen, wie Menschen in Panik nach der Explosion fliehen. Der Sprengsatz detonierte in der Nähe der St.-Antonius-Kirche, die eines der Anschlagsziele am Sonntag war.

Erneut Explosion auf Sri Lanka

Am Ostermontag ereignete sich in Colombo erneut eine Explosion. Ermittler hatten zuvor erfolglos versucht, die Bombe zu entschärfen.

Die Polizei entdeckte zuvor zahlreiche Zünder für Bomben. Insgesamt 87 Stück wurden bei der zentralen Busstation in Colombo gefunden, wie ein Sprecher der Polizei bestätigte. Die Einsatzkräfte suchen momentan im ganzen Land nach Hinweisen zu den Angriffen.

Neue Ausgangssperre verhängt

Sri Lanka rief aufgrund der Ereignisse nun auch den nationalen Notstand aus. Der Sicherheitsrat der Regierung habe beschlossen, dem Militär und der Polizei weitreichende Befugnisse zu erteilen, hieß es aus dem Büro des Präsidenten.

Auch eine neue Ausgangssperre wurde verhängt, diese soll von Montagnacht bis Dienstagfrüh gelten. Schon im Vorfeld der letzten Ausgangssperre hieß es aus dem österreichischen Außenministerium, dass der Flughafen von Colombo in Betrieb bleibt, Passagiere könnten diesen „unter Vorweisung des Flugtickets“ erreichen.

St. Sebastian Kirche nach dem Anschlag
APA/AP/Chamila Karunarathne
Die verwüstete St.-Sebastians-Kirche in Negombo nach einem Anschlag

Forensiker bestätigte Selbstmordanschläge

Ein Forensiker des sri-lankischen Verteidigungsministeriums teilte Montagfrüh mit, dass es sich bei den drei Explosionen in christlichen Kirchen und denen in drei Hotels in der Hauptstadt Colombo um Selbstmordanschläge handelte. Die Auswertung der Spuren bestätigte den bereits zuvor gehegten Verdacht.

Mehr als 20 Festnahmen

Laut Polizei wurden bis Montagfrüh 24 Personen unter Tatverdacht festgenommen, allerdings gibt es bis dato kein Bekenntnis zu den Anschlägen vom Sonntag. Unter den fast 300 Toten befinden sich mindestens 35, unter den nach unterschiedlichen Angaben 450 bis 500 Verletzten zumindest 19 ausländische Staatsbürger. Sie stammen laut Angaben vom Sonntag aus zumindest neun Ländern: Indien, den USA, Großbritannien, Portugal, Dänemark, China, den Niederlanden, Belgien und der Türkei.

Zum Zeitpunkt der Anschläge hatten sich auch an die 300 Österreicherinnen und Österreicher in Sri Lanka befunden. Es dürften sich aber keine unter den Opfern befinden, so zumindest der Stand vom Sonntag bei noch recht unübersichtlicher Gesamtlage. Laut Außenministerium besteht jedenfalls ein „hohes Sicherheitsrisiko von weiteren Anschlägen“. Die aktuelle Empfehlung unter den Reiseinformationen zu Sri Lanka auf der Website des Ministeriums: „Bleiben Sie bis auf Weiteres vor Ort und folgen Sie den Anweisungen der Sicherheitsbehörden.“

Hausdurchsuchung nach Anschlag in Sri Lanka
Reuters
Soldaten der sri-lankischen Special Task Force im Einsatz

Insgesamt acht Sprengsätze gezündet

Insgesamt war es am Sonntag zu acht Explosionen gekommen, sechs davon innerhalb einer halben Stunde. Ziel waren drei Kirchen, in denen Ostergottesdienste stattfanden, in verschiedenen Teilen des Landes, außerdem drei Luxushotels in der Hauptstadt Colombo. Bei den Kirchen handelte es sich um die St.-Antonius-Kirche in Colombo, die St.-Sebastians-Kirche im rund 30 Kilometer von der Hauptstadt entfernten Negombo sowie die Zionskirche in Batticaloa, rund 250 Kilometer östlich von Colombo. Außerdem gab es Explosionen in den Fünfsternehotels Shangri-La, Cinnamon Grand und Kingsbury in Colombo.

„Schreckliche Szenen“ in Kirche

Später wurde eine siebente Explosion in einem kleinen Hotel in einem Vorort der Hauptstadt gemeldet, eine achte ereignete sich am Nachmittag in einer Wohngegend in Dematagoda, einem anderen Vorort Colombos. Es gab jeweils mehrere Tote. Sri Lankas Minister für Wirtschaftsreformen, Harsha de Silva, schrieb im Kurznachrichtendienst Twitter, in einer Kirche habe es „schreckliche Szenen“ gegeben. Diese sei mit Körperteilen übersät gewesen. Auf Fernsehbildern war zu sehen, wie Einsatzkräfte Verletzte aus einer verwüsteten Kirche trugen.

Leere Straßen nach Ausganssperre in Colombo, Sri Lanka
APA/AFP/Ishara Kodikara
Die Regierung verhängte eine sofortige Ausgangssperre, auch Schulen und Universitäten bleiben geschlossen

Internationale Anteilnahme

Auch außerhalb Sri Lankas zeigte man sich von den Angriffen erschüttert. Bundespräsident Alexander Van der Bellen verurteilte den „barbarischen Akt“: „Die Anschläge in Sri Lanka, auf friedlich betende und Gottesdienst feiernde Menschen und auf Hotelgäste, sind ein schrecklicher und barbarischer Akt. Sie sind auf das Schärfste zu verurteilen“, schrieb er auf Twitter. Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) reagierte „tief erschüttert und besorgt“ auf die Angriffe. Auch FPÖ-Außenministerin Karin Kneissl zeigte sich auf Twitter „zutiefst“ betroffen.

Sri-Lanka: Regierung nennt Verantwortliche

Der Regierung von Sri Lanka zufolge soll die islamistische Gruppe National Thowheeth Jama’ath für die Anschläge auf Hotels und Kirchen verantwortlich sein.

US-Präsident Donald Trump sprach den Opfern sein Mitgefühl aus, der russische Präsident Wladimir Putin sprach von einem „grausamen und zynischen Verbrechen“. Der türkische Präsident Recep Tayyip Erdogan schrieb: „Das ist ein Angriff auf die gesamte Menschheit.“ EU-Kommissionschef Jean-Claude Juncker sprach den Familien der Opfer sein Beileid aus. Auch UNO-Generalsekretär Antonio Guterres reagierte bestürzt auf die Anschläge. Er hoffe, dass die Verantwortlichen schnell zur Rechenschaft gezogen werden. Der Papst erwähnte die Angriffe in seiner Osteransprache: Er bete für „alle Verletzten und diejenigen, die wegen des dramatischen Ereignisses leiden müssen.“

NTJ bisher kaum bekannt

Die von der Regierung verantwortlich gemachte Islamistengruppe NTJ ist bisher kaum öffentlich in Erscheinung getreten. Bisher wurde die Gruppe vor allem im Zusammenhang mit der mutmaßlichen Beschädigung buddhistischer Statuen in dem Inselstaat genannt.

NTJ-Anführer Abdul Razik wurde bereits vor den Anschlägen mehrmals inhaftiert. Er wurde der Anstachelung zu religiösen Unruhen beschuldigt. Nach einem Vorfall im Jahr 2016 hatte der Chef der radikalen Buddhistengruppe BSS vor einem „Blutbad“ gewarnt, sollte Razik nicht bald ins Gefängnis kommen.

Interpol zu Ermittlungen in Sri Lanka

Die internationale Polizeiorganisation Interpol schickt nach den Anschlägen mit knapp 300 Toten nun ein Expertenteam nach Sri Lanka. Es bestehe aus Spezialisten mit Expertise in den Bereichen Tatortuntersuchung, Sprengstoff, Terrorismusbekämpfung und Opferidentifizierung. Derzeit werde bereits die Datenbank gestohlener und verlorengegangener Reisedokumente überprüft, um mögliche Verbindungen und internationale Spuren zu ermitteln, hieß es von Interpol.

Sri Lankas lange Geschichte blutiger Gewalt

Der südasiatische Inselstaat ist ein beliebtes Touristenziel, auch für Gäste aus Europa. Nur etwa sieben Prozent der Bevölkerung sind Christen. Die Mehrheit sind Buddhisten, 12,6 Prozent sind Hindus. Der Islam stellt mit einem Anteil von 9,7 Prozent (Stand: 2012) eine weitere religiöse Minderheit in dem Land dar.

Sri Lanka hat eine lange Geschichte blutiger Gewalt gegen und zwischen Religionsgemeinschaften und ethnische Gruppen. Der Bürgerkrieg ging 2009 nach 26 Jahren zu Ende. Die Rebellengruppe Befreiungstiger von Tamil Eelam (LTTE) hatte für einen unabhängigen tamilischen Staat im Norden des Landes gekämpft. Die Armee besiegte die Aufständischen schließlich. Die UNO wirft beiden Seiten Kriegsverbrechen vor.