Wahlplakat von Premier Pedro Sanchez (PSOE) in Madrid
APA/AFP/Gabriel Bouys
Links gegen rechts

Spanien-Wahl könnte mit Patt enden

Zum dritten Mal innerhalb von vier Jahren wird am Sonntag in Spanien das Parlament neu gewählt. Das traditionell von zwei großen Blöcken, den Sozialisten und den Konservativen, geprägte Land teilt sich auf immer mehr Parteien auf. Den Wahlkampf dominierte ein hartes Duell zwischen dem linken und rechten Lager – aufgemischt von der erstarkenden rechtspopulistischen Partei Vox.

Schon bisher regierte der sozialistische Premier Pedro Sanchez mit einer Minderheitsregierung. Sanchez kann mit seiner Partido Socialista Obrero Espanol (PSOE) zwar eine Mehrheit erwarten, für eine Regierungsbildung wird er aber auf Partner angewiesen sein. Angesichts der verschärften Polarisierung der Politik spricht der Ökonom Ralph Solveen von einer „echten Richtungsentscheidung“ in Spanien.

Bei einem Sieg des linken Lagers laufe es auf mehr Sozialausgaben, höhere Steuern und ein Zurückdrehen der Reformen hinaus. Ein wirtschaftsfreundlicherer Kurs sei von einer rechten Regierung zu erwarten. Dann könnte sich aber auch der Katalonien-Konflikt wieder verschärfen, warnt Solveen.

Rechtspopulisten als mögliche Königsmacher

Die rechtspopulistische Vox-Partei könnte jedenfalls der Königsmacher für eine rechte Regierung sein. Weder Pablo Casado von der konservativen Partido Popular (PP) noch Albert Rivera von den konservativ-liberalen Ciudadanos schlossen eine Koalition mit den Rechtspopulisten aus. Auf Partner werden sowohl die Konservativen wie die Sozialisten angewiesen sein. Den Umfragen zufolge wird keine Partei über eine ausreichende Mehrheit verfügen.

Wahlplakat von Premier Pedro Sanchez (PSOE) in Madrid
AP/Paul White
Die Sozialisten unter Premier Sanchez gehen als Favoriten in die Parlamentswahl am Sonntag

Die Sozialisten sind demnach mit über 30 Prozent in der Favoritenrolle. Die PP liegt mit rund 20 Prozent auf Platz zwei. Ciudadanos könnte der in der Zeitung „ABC“ wenige Tage vor der Wahl veröffentlichten Umfrage zufolge knapp 14 Prozent erreichen, die linkspopulistische Unidas Podemos unter Pablo Iglesias käme auf rund zwölf Prozent. Vox, die manche Beobachter auch als rechtsextrem bezeichnen, würde demnach elf Prozent erreichen.

Große Zahl Unentschiedener

Unsicherheitsfaktor sind die mitunter komplexen Prognosen wie auch die große Zahl der unentschiedenen Wähler und Wählerinnen. Deren Anteil lag wenige Tage vor der Wahl noch bei rund 40 Prozent. „Der Katalonien-Konflikt, das Aufkommen der neuen rechtspopulistischen Vox-Partei und die möglichen Koalitionsbildungen verunsichern und polarisieren die Spanier zugleich“, erklärte der Experte Kiko Llaneras gegenüber der APA die Ursache.

Über das mögliche Zustandekommen einer linken Regierung wird auch das Abschneiden von Podemos entscheiden. Der Partei drohen herbe Verluste, glaubt man den Umfragen. Derzeit ist Podemos noch drittstärkste Kraft im Parlament. Diese linke Koalition müsste sich voraussichtlich auch auf die baskischen Nationalisten und katalanischen Separatisten stützen. Denn sowohl Sanchez als auch Rivera von Ciudadanos schlossen eine Koalition miteinander aus.

Pablo Casado (PP), Pablo Iglesias (Podemos), Premier Pedro Sanchez (PSOE) und Albert Rivera (Citizens) posieren vor einer TV-Debatte
APA/AFP/Javier Soriano
Kandidaten bei einer TV-Debatte, v. l. n. r.: Casado, Iglesias, Sanchez, Rivera. Vox fehlt, da die Partei bisher nicht im Parlament ist.

Die katalanischen Separatisten hatten Sanchez vergangenen Sommer immerhin unterstützt, die Konservativen per Misstrauensantrag von der Macht zu vertreiben. Doch im Februar hatten sie Sanchez die Zustimmung zum Budgetentwurf seiner Minderheitsregierung verweigert, Sanchez rief daraufhin vorgezogene Neuwahlen aus.

Migration „kein Thema“

Nach Umfragen des Centre for Sociological Research (CIS) zählen für die Wähler und Wählerinnen vor allem Themen wie Arbeitslosigkeit, Korruption und die spanische Politik, berichtete der „Guardian“. Nur ein Bruchteil zeigte sich demnach wegen Einwanderung und der Unabhängigkeit Kataloniens besorgt. Dennoch dominierte die Katalonien-Frage den Wahlkampf.

Grafik zur Sitzverteilung im spanischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: APA

Beobachter gehen auch davon aus, dass der Aufstieg von Vox eng damit verbunden ist und weniger mit der Flüchtlingskrise. „Vox ist ein Nebeneffekt der Katalonien-Krise“, analysierte der spanische Politologe Jose Fernandez Albertos. Migration sei „kein Thema“ in Spanien, genauso wenig wie Europaskepsis. „Die Parteien überbieten sich sogar darin, wer europafreundlicher ist.“

Aufstieg der Rechtsextremen

Dennoch legte Vox unter Führung von Santiago Abascal zuletzt drastisch zu. 2016 lag sie noch bei einer Zustimmung von 0,2 Prozent, inzwischen kann sie auf über zehn Prozent hoffen. Einen ersten Erfolg erzielte sie bereits bei den Regionalwahlen in Andalusien Ende vergangenen Jahres. Sie zog als erste weit rechts außen stehende Partei seit dem Tod des langjährigen Diktators Francisco Franco 1975 in ein spanisches Regionalparlament ein. Das wird nun auch für das spanische Parlament erwartet. In Andalusien bildet Vox nun eine Koalition mit PP und Ciudadanos.

Der Aufstieg von Vox zeigte auch Wirkung auf die anderen Parteien im Wahlkampf zur Parlamentswahl. PP und Ciudadanos versuchten mit einem Ruck nach rechts die Abwanderung von Wählern und Wählerinnen zu der 2013 gegründeten Vox zu unterbinden. Dadurch konnten sich die Sozialisten als „verlässliche Partei der Mitte“ präsentieren, ist der Politologe Albertos überzeugt. Sanchez wurde im Wahlkampf nicht müde, die Angst vor dem Erstarken der Rechtspopulisten zu schüren.

Gegenbewegung zu Feminismus

Spanien ist gespalten. Seit dem Erfolg von Vox in Andalusien gehen landesweit in mehreren Städten Tausende Menschen auf die Straße, um gegen die rechtspopulistische Partei zu demonstrieren. Ein großer Teil der Demonstrierenden sind Frauen, die auch das frauenfeindliche Programm von Vox anprangerten. Die Partei lehnt Abtreibungen ab und will das Gesetz gegen machistische Gewalt gegen Frauen abschaffen.

Demonstration in Barcelona gegen die Partei Vox
AP/Manu Fernandez
In mehreren spanischen Städten, hier in Barcelona, wurde in den vergangenen Monaten gegen die rechtsextreme Vox protestiert

Eine weitere Ursache für das Erstarken von Vox ist laut einer Analyse des „Guardian“ auch der Fall einer mutmaßlichen Vergewaltigung einer Frau durch fünf Männer während eines Festivals in Pamplona im Sommer 2016. Der Vorfall wurde von den Beteiligten sogar gefilmt. Bei einem Prozess wurden die Beschuldigten vor einem Jahr dennoch nicht wegen Vergewaltigung, sondern wegen sexuellen Missbrauchs verurteilt, nur zwei Monate später – im Juni 2018 – wurden sie gegen eine Kaution von 6.000 Euro freigelassen.

Die Empörung über diese Urteile war enorm und löste große Proteste aus. Der Feminismus in Spanien wurde plötzlich aktiv, präsent und eine „tatsächliche politische Kraft“, beschreibt der „Guardian“. Das sei aber nicht nur der entscheidende Moment für die Feministinnen und Feministen gewesen, sondern auch die Initialzündung für die extreme Rechte, so das Magazin. Je mehr Frauen auf die Straße gingen, desto stärker formierte sich eine Gegenbewegung vorrangig von Männern, die sich davon bedroht fühlten. Für sie bietet Vox eine Heimat.