Menschen auf einem Platz in einer italienischen Stadt
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Vertrauen in Justiz

Die verborgenen Sorgenkinder der EU

Der Zustand der Gerichtsbarkeit in Ungarn, Polen und Rumänien hat in letzter Zeit viel Staub aufgewirbelt. Doch auch in anderen Staaten ist es in der Bevölkerung um das Vertrauen in die Unabhängigkeit der Justiz nicht gut bestellt, zeigt eine am Freitag veröffentlichte Umfrage der EU-Kommission. Schlecht schneiden unter anderem Spanien und Italien ab. Schlusslicht der Skala: Kroatien.

Dort gaben ganze 76 Prozent der Befragten an, die Unabhängigkeit von Gerichten und Richtern sei „sehr schlecht“ oder „ziemlich schlecht“ ausgeprägt. Fast 64 Prozent begründen ihren Zweifel damit, dass sie Beeinflussung seitens Regierung oder Politik fürchten, 46 Prozent sehen Einmischung durch die Wirtschaft oder andere nicht politische Akteure. 29 Prozent sind der Meinung, dass die Unabhängigkeit der Richterinnen und Richter nicht garantiert sei.

Besonders viel Misstrauen gibt es auch in der Slowakei (60 Prozent) und Bulgarien (58 Prozent). Unter den schlechtesten fünf befinden sich auch Spanien (55 Prozent) und Italien (46 Prozent). Die beiden Staaten schneiden damit sogar schlechter ab als Polen, gegen das ein EU-Rechtsstaatsstaatsverfahren wegen umstrittener Justizreformen läuft. Dort halten 50 Prozent die Unabhängigkeit für mangelhaft.

Eine Grafik zeigt die Einschätzung der Unabhängigkeit der Justiz in den EU-Staaten
Grafik: ORF.at; Quelle: Eurobarometer

Auch schlechte Noten für Rumänien und Ungarn

Wegen Justizabbaus befindet sich aktuell auch Rumänien im Visier der EU. Der Regierung in Bukarest wird vorgeworfen, dass es durch aktuelle Gesetzesänderungen Straffreiheit für korrupte Politiker schaffen will. Die EU hat eine Prüfung angekündigt und ein Vertragsverletzungsverfahren in Aussicht gestellt. In der aktuellen Umfrage befindet sich Rumänien auf Platz 21 – 44 Prozent der Befragten misstrauen der Justiz.

Ein Artikel-7-Verfahren gibt es auch gegen Ungarn. Dort haben laut der Umfrage 33 Prozent der Befragten kein oder wenig Vertrauen in die Gerichte, womit man sich innerhalb der EU auf dem 19. Platz befindet. Auffällig ist aber, dass in Ungarn 24 Prozent die Frage mit „weiß nicht“ beantworten – nach Estland der zweithöchste Wert in der gesamten Europäischen Union.

Österreich vorne dabei

Das größte Vertrauen in Richter und Gerichte herrscht im Norden des Kontinents. An der Spitze steht Dänemark, wo nur sieben Prozent Misstrauen äußern, gefolgt von Finnland mit zehn Prozent. Auch die heimische Justiz bekommt gute Noten. 65 Prozent der Österreicher halten die Unabhängigkeit für ziemlich gut und 18 Prozent für sehr gut, acht Prozent für ziemlich schlecht und zwei Prozent für sehr schlecht. Im EU-Schnitt misstrauen 33 Prozent der Justiz.

Bedenkliche Zahlen

Zehntausende Bürger aus den EU-Staaten haben bei einer Umfrage zur Unabhängigkeit der Justiz mitgemacht. Dabei zeigen sich erhebliche Klüfte und bedenkliche Zahlen.

Das jährliche „Justiz-Scoreboard“ hatte die EU-Kommissarin Vera Jourova präsentiert. Sie sagte, dass die Wahrnehmung der Justizunabhängigkeit in einigen EU-Staaten eine wachsende Herausforderung darstelle. Nach dem schlechten Abschneiden Kroatiens gefragt, sagte sie, dass die kroatische Justiz zwar zunehmend effizient arbeite, das aber nicht bei der Bevölkerung ankomme.

„Es darf keine Zweifel geben“

Im Vergleich zu 2016 hat sich die Einschätzung der Justizunabhängigkeit zwar in zwei Dritteln aller EU-Staaten verbessert. Im Vergleich zum Vorjahr ist das Vertrauen in die Justiz aber in drei Fünfteln aller EU-Mitgliedsstaaten zurückgegangen, darunter in Österreich, den Niederlanden, Deutschland, Luxemburg, Belgien, Estland, Griechenland, Tschechien, Portugal, Ungarn, Rumänien, Polen, Spanien, Bulgarien, der Slowakei und Kroatien. Die meisten Befragten hätten als Grund die Einmischung und den Druck von Politikern angegeben, sagte Jourova.

Sie verwies darauf, dass Probleme in einzelnen Ländern auch Einfluss auf die gesamte EU hätten, weil die Mitgliedsstaaten Gerichtsentscheidungen anderer Justizsysteme anerkennen müssten. „Es darf keine Zweifel mit Blick auf die Unabhängigkeit dieser Urteile geben“, sagte die Justizkommissarin. Langfristig müsse die EU deshalb zu „einem gemeinsamen Verständnis zu den Voraussetzungen für nationale Justizsysteme“ kommen.