Pedro Sanchez
APA/AFP/Javier Soriano
Patt in Spanien

Wahlsieger Sanchez vor schwieriger Aufgabe

Die Sozialistische Arbeiterpartei (PSOE) von Ministerpräsident Pedro Sanchez hat am Sonntag bei der spanischen Parlamentswahl mit deutlichen Zugewinnen einen klaren Sieg errungen. Dennoch droht ein ähnliches Patt, wie es Spanien nun schon seit Jahren erlebt. Sanchez muss bei der Mehrheitssuche entweder das Risiko eingehen, katalanische Separatisten an Bord zu nehmen – oder eine ganz andere Richtung einschlagen.

Die Sozialisten kamen bei einem Auszählungsstand von 99,99 Prozent auf 28,68 Prozent der Stimmen und 123 der insgesamt 350 Sitze. Der logische Koalitionspartner, die linkspopulistische Podemos, verlor deutlich und erreichte 42 Sitze (14,3 Prozent). Herbe Verluste musste auch die konservative Volkspartei (PP) einstecken, sie kam nur auf 16,7 Prozentpunkte und damit 66 Abgeordnete. Noch nie hatte die Partei weniger Sitze.

Die rechtsliberale Ciudadanos konnte zulegen und kam auf 57 Mandate (15,8 Prozent). Die neue rechtspopulistische Partei Vox zieht mit 24 Abgeordneten (10,3 Prozent) erstmals ins Parlament ein. Sie wird von vielen Medien als rechtsextrem eingestuft. Die separatistische Katalanenpartei ERC erreichte 15 Mandate. Die konservative Nationalpartei des Baskenlandes (PNV) kam auf sechs Sitze, die katalanische Separatistenpartei JuntsxCat auf sieben. Mehrere weitere Kleinstparteien schafften ebenfalls den Sprung ins Parlament.

Grafik zur Sitzverteilung im spanischen Parlament
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: TVE/GAD3

Zwei Bedingungen für Koalitionspartner

Sanchez sagte am späten Sonntagabend in Madrid vor Anhängerinnen und Anhängern, mit dem Wahlsieg seiner Sozialistischen Arbeiterpartei habe die Zukunft gewonnen und die Vergangenheit verloren. Sanchez nannte zwei Bedingungen an andere Parteien für eine Koalition mit seiner PSOE: die Respektierung der spanischen Verfassung und die Förderung der sozialen Gerechtigkeit.

Es werde bei Gesprächen mit anderen Parteien keinen „Sicherheitskordon“ geben, ergänzte der Wahlsieger. Damit wollte er wohl zum Ausdruck bringen, niemanden grundsätzlich von Gesprächen über eine mögliche Koalition auszuschließen. Er fügte hinzu, eine proeuropäische Regierung bilden zu wollen. Die Spanier hätten Europa und der Welt mit dem Wahlergebnis die „klare Botschaft gegeben, dass man die Reaktionären, den Autoritarismus und den Rückschritt bezwingen kann“, sagte Sanchez in Anspielung auf das unerwartet schlechte Gesamtabschneiden der Parteien des rechten Spektrums.

Katalanen als Königsmacher?

Sanchez steht dennoch vor einer schwierigen Regierungsbildung: Um mit Podemos zu regieren, benötigt er mindestens eine weitere Partei. Anbieten würde sich die linke Katalanenpartei ERC. Allerdings muss er dann Zugeständnisse bei deren Separationswünschen machen – und genau dieses Thema ist der Zankapfel Spaniens seit Jahren. Nicht einfacher wäre seine Aufgabe, wenn er gleich mehrere Kleinparteien an Bord zu holen versucht: Ohne Separatisten wird sich kaum eine Mehrheit ausgehen.

Josef Manola (ORF) zur Wahl aus Madrid

ORF-Korrespondent Josef Manola berichtete aus Madrid über den Zwischenstand bei der Wahl. Er glaube, dass Pedro Sanchez in den nächsten Wochen eine Regierung zustande bringen könnte.

Im Laufe des Abends wurde auch eine Koalition der Sozialisten mit Ciudadanos diskutiert, die Liberalen hatten sich im Wahlkampf aber eher nach rechts orientiert. Allerdings liegen die beiden Parteien zumindest in der Katalonien-Frage nicht weit auseinander. Eine große Koalition der PSOE mit der Volkspartei wird eher ausgeschlossen. Umgekehrt haben die PP und Ciudadanos selbst dann ganz klar keine Parlamentsmehrheit, wenn sie die ultrarechte Vox ins Boot holen.

Hohe Wahlbeteiligung

Am Sonntag wurde eine der höchsten Wahlbeteiligungen in der Geschichte der spanischen Demokratie registriert. Nach Angaben des Madrider Innenministeriums gaben rund 75 Prozent der Wahlberechtigten ihre Stimme ab. Das waren fast sechs Prozentpunkte mehr als bei der letzten Wahl im Juni 2016. Medien sprachen von einer „historischen Wahlbeteiligung“, die dem Rekord von 1982 (knapp 80 Prozent) – einem Jahr nach dem Putschversuch – sehr nahe kam. Fast 37 Millionen Spanierinnen und Spanier waren aufgerufen, in 23.000 Wahllokalen ihre Stimme abzugeben. 92.000 Polizisten sollten landesweit für Sicherheit sorgen.

Warteschlange zur Wahl
AP/Emilio Morenatti
Lange Schlangen vor den Wahllokalen

Politisches Patt seit 2015

Der tiefgreifende Wandel in der spanischen Parteienlandschaft hatte bei der Parlamentswahl 2015 mit dem Ende des faktischen Zweiparteiensystems aus PP und PSOE und der Verteilung der Stimmen auf neu gegründete Parteien wie Podemos und Ciudadanos begonnen. Nachdem keine Regierung zustande gekommen war, wurde 2016 noch einmal gewählt – und wieder dauerte es Monate, bis Ministerpräsident Mariano Rajoy (PP) eine Regierungsmehrheit hatte. Doch seine schwache konservative Regierung hielt letztlich nur gut eineinhalb Jahre.

Sanchez kam im Sommer 2018 nach einem Misstrauensantrag gegen Rajoy mit Hilfe kleinerer katalanischer Separatistenparteien an die Macht, seine PSOE hatte aber nur 84 von 350 Abgeordnete im Congreso de los Diputados. Nachdem der Regierungschef nicht auf Forderungen der separatistischen Abgeordneten eingegangen war, entzogen diese ihm im Februar in der Budgetdebatte ihre Unterstützung. Daraufhin sah sich Sanchez gezwungen, eine Neuwahl auszurufen. Abzuwarten bleibt, ob sich mit der Parlamentswahl das politische Patt der vergangenen Jahre lösen lässt.