Führer des Islamischen Staat, Abu Bakr al-Baghdadi
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Nach fast fünf Jahren

IS-Chef Bagdadi meldet sich per Video

Fast fünf Jahre ist der einzige bisher bekannte öffentliche Auftritt des Anführers der Dschihadistenmiliz Islamischer Staat (IS), Abu Bakr al-Bagdadi, her. Nun zeigt er sich wieder in einem Propagandavideo. Darin bezeichnet er die Terrorangriffe von Sri Lanka über Ostern als Rache für die Zerstörung des von den Extremisten ausgerufenen Kalifats.

„Das ist Teil der Rache, die die Kreuzfahrer erwartet“, so Bagdadi in dem Video, das am Montagabend über die üblichen Kanäle des IS im Internet verbreitet wurde. Die Anschläge in Sri Lanka hätten die Herzen der Muslime erfreut. Der IS hatte die Anschläge mit mehr als 250 Toten in Sri Lanka für sich reklamiert. Neun Selbstmordattentäter hatten am Ostersonntag Angriffe unter anderem auf drei Kirchen und drei Luxushotels verübt.

Bagdadi spricht in dem Video auch von den wochenlangen Kämpfen um Baghus, den letzten Rückzugsort der Terrormiliz im Osten Syriens, der im März fiel. „Der Kampf um Baghus ist vorbei“, sagt der IS-Anführer. In diesem Frühjahr hatten Truppen der Syrischen Demokratischen Kräfte (SDF) unter kurdischer Führung den Ort eingenommen. Die von den USA angeführte internationale Anti-IS-Koalition hatte die Offensive aus der Luft unterstützt.

Kampf gegen die „Ungläubigen“

Mittlerweile hat der IS sein gesamtes Herrschaftsgebiet in Syrien und im Irak verloren. Die Dschihadisten kontrollieren aber noch einige unbewohnte Gebiete in der Badia-Wüste und verüben auch immer noch Anschläge. Bagdadi erklärt in dem Video unter anderem, der IS werde seinen Kampf gegen die „Ungläubigen“ fortsetzen.

Führer des Islamischen Staat, Abu Bakr al-Baghdadi
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Abu Bakr al-Bagdadi gehört zu den meistgesuchten Terroristen der Welt

Dem als „Kreuzfahrer“ bezeichneten Westen droht Bagdadi mit einem „Abnutzungskrieg“ und sagt weiter: „Sie müssen wissen, dass der Dschihad bis zum Tag des Jüngsten Gerichts weitergeht.“ Die Standfestigkeit der IS-Anhänger etwa in der Schlacht um Baghus habe gezeigt, dass diese im Kampf den längeren Arm hätten. Bagdadi erwähnt auch den Wahlsieg des israelischen Ministerpräsidenten Benjamin Netanjahu Anfang April, den Sturz der langährigen Machthaber Abdelaziz Bouteflika in Algerien und Omar al-Bashir im Sudan.

Das mehr als 18 Minuten lange Video zeigt den IS-Chef mit überkreuzten Beinen auf einer Art Matratze neben einer Waffe sitzend und umgeben von drei Männern, deren Gesichter unkenntlich gemacht wurden. Sein langer grauer Bart scheint teilweise rötlich gefärbt, Bagdadi redet langsam und unterbricht seine Sätze häufig für mehrere Sekunden.

Mehrfach für tot erklärt

Im Juli 2014 war Bagdadi in Mossul das einzige Mal öffentlich aufgetreten. Mit einer Videoaufnahme seiner Freitagspredigt in einer Moschee der kurz zuvor vom IS überrannten Stadt im Nordirak hatte er weltweit für Schlagzeilen gesorgt, indem er das „Kalifat“ des IS in Teilen des Irak und im benachbarten Syrien ausrief und Muslime aufforderte, sich seinen Anweisungen zu unterwerfen.

Seitdem veröffentlichte seine Gruppe in unregelmäßigen Abständen Audiobotschaften, die von Bagdadi stammen sollen. Dafür gab es aber nie Belege. Der Iraker wurde nicht wieder in der Öffentlichkeit gesehen. Mehrfach wurde er bereits für tot erklärt, so meldete Moskau vor knapp zwei Jahren, er sei in der damaligen syrischen IS-Hochburg al-Rakka bei einem russischen Luftangriff ums Leben gekommen. Eine Bestätigung dafür gab es nicht. Bagdadis letztes Lebenszeichen war eine Audiobotschaft, die von ihm stammen soll und IS-Anhänger im August 2018 verbreiteten.

Kopfgeld in Millionenhöhe

Es ist unklar, wann genau und wo das neue Video des IS-Medienarms al-Furkan aufgezeichnet wurde. In dem Teil über Sri Lanka ist nur Bagdadis Stimme zu hören, er selbst aber nicht zu sehen. Das könnte dafür sprechen, dass dieser erst nach der eigentlichen Videoaufnahme hinzugefügt wurde.

Im Vergleich zur Aufnahme aus dem Jahr 2014 sieht Bagdadi im neuen Video deutlich gealtert aus. Verletzungen sind ihm aber äußerlich nicht anzusehen. Mehrfach hieß es in Medienberichten, er sei unter anderem an Diabetes erkrankt. Mit dem von den USA ausgesetzten Kopfgeld von 25 Millionen Dollar (22,4 Mio. Euro) ist Bagdadi einer der meistgesuchten Terroristen der Welt. Der Anti-IS-Koalition liegen nach eigenen Angaben keine Informationen über den Aufenthaltsort des IS-Chefs vor.

Die USA betonten nach der Verbreitung des Videos, den IS dauerhaft besiegen zu wollen. Ein Sprecher des US-Außenministeriums sagte am Montag, die „Terroristen“ würden bezwungen. Jeder Anführer der Miliz, der noch am Leben sei, werde zur Verantwortung gezogen. Auch wenn Bagdadi noch am Leben sei: Der IS habe mit seiner territorialen Niederlage im Irak und in Syrien einen „vernichtenden strategischen und psychologischen Schlag“ erlitten, sagte der Sprecher. Sein „Kalifat“ sei zusammengebrochen.

Seit 2010 an der Spitze des IS

Bagdadi wurde 1971 als Sohn einer armen Familie im zentralirakischen Samarra unter dem Namen Ibrahim Awad al-Badri geboren. Er begeisterte sich für Fußball, studierte in Bagdad Theologie und ging nach der US-Invasion 2003 als Anführer einer Dschihadistengruppe in den Untergrund. Im Februar 2004 wurde er von der US-Armee im Gefängnis von Bucca inhaftiert. Das Gefängnis im Südirak galt als „Universität des Dschihad“, da dort radikale Islamisten mit Militär- und Geheimdienstleuten des gestürzten Baath-Regimes von Saddam Hussein zusammenkamen.

Führer des Islamischen Staat, Abu Bakr al-Baghdadi im Jahr 2014
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2014 trat Bagdadi in Mossul das einzige Mal öffentlich auf und rief dabei das „Kalifat“ des IS aus

Als er im Dezember 2004 aus Mangel an Beweisen freikam, schloss er sich dem Al-Kaida-Führer Abu Mussab al-Sarkawi an. Als zuerst Sarkawi und dann sein Nachfolger getötet wurden, übernahm der einstige Theologiestudent 2010 unter dem Namen Abu Bakr al-Bagdadi die Führung der Extremisten im Irak. Indem er frühere Offiziere Saddam Husseins anwarb, machte er aus seiner Guerillagruppe eine schlagkräftige Truppe und nannte sie Islamischer Staat (IS). Sie überrannte im Sommer 2014 die nordirakische Großstadt Mossul und drang binnen weniger Wochen bis vor Bagdad vor. Weil es von Bagdadi so wenige Aufnahmen und Lebenszeichen gibt, wurde er immer wieder der „unsichtbare Scheich“ genannt.