Formular zur Steuererklärung
APA/Roland Schlager
Wenig Ökologisierung

„Schattenseite“ der Steuerreform

Steuerliche Maßnahmen, um den Klimaschutz zu fördern, finden sich in der am Dienstag vorgestellten Steuerreform kaum. Die Regierung will dazu noch Schritte folgen lassen. „Die Legislaturperiode ist noch lang“, so Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP). Nicht nur politische Kritikerinnen und Kritiker, sondern auch Fachleute sehen darin jedoch eine verpasste Chance.

Bei der aktuellen Reform habe man sich bewusst auf eine Entlastung der Arbeit konzentriert, so Kurz am Dienstag bei der Präsentation der Pläne. In Summe sollen sich die Maßnahmen auf 6,5 Mrd. Euro belaufen, viele der Pläne zielen auf diesen Faktor ab. Dass die Abschaffung der kalten Progression im Paket fehlt, hat für viel Kritik von der Opposition gesorgt. Auch dass Details zur Gegenfinanzierung vage blieben, rief Unmut hervor.

Opposition, Umweltorganisationen und Fachleute kritisierten zudem den Mangel an Ökologisierungsmaßnahmen. In der Reform finden sich nur wenige umweltbezogene Punkte. Die Anschaffung besonders klimaschädlicher Neuwagen soll teurer werden. Dafür werden Normverbrauchsabgabe und motorbezogene Versicherungssteuer „aufkommensneutral“ umgestaltet. Doch bleiben etwa Dieselprivileg und Pendlerpauschale unverändert.

Arbeit wird entlastet, Umwelt nicht

Die Budgetexpertin des Wirtschaftsforschungsinstituts (WIFO), Margit Schratzenstaller, gestand der Reform am Dienstag im Ö1-Mittagsjournal eine „spürbare Entlastung des Faktors Arbeit“ zu – Audio dazu in oe1.ORF.at. Prinzipiell sah sie auch die Finanzierung „aus heutiger Sicht" als realistisch an. Sie vermisste an den Plänen zur Gegenfinanzierung aber große Strukturreformen, etwa im Spitalswesen. Hier gebe es nur „kurzfristige, aber nicht nachhaltige Maßnahmen“.

Auch falle die Ökologisierung nur leicht aus. „Das ist eine der großen Schattenseiten.“ Um die grundlegenden Ungleichgewichte im österreichischen Abgabensystem zu bewältigen, bedürfe es auch einer größeren Ökologisierung. „Zum einen, um sich mehr Spielraum zu verschaffen, die Arbeit noch stärker zu entlasten. Zum anderen aber auch, um zur Erreichung der Klimaziele beizutragen“, so Schratzenstaller.

Keine Strafen für Umweltsünder

Die Regierung wolle durch positive Anreize umweltfreundliches Verhalten fördern. „Was fehlt, ist eine gründliche Durchforstung der ökologisch schädlichen Ausnahmeregelungen. Angefangen von dieser großzügigen und nicht sehr ökologisch treffsicheren Ausgestaltung der Pendlerpauschale über das Dieselsteuerprivileg und so weiter. Und was auch fehlt, ist, umweltschädliches Verhalten zu bestrafen durch Steuern“, so die WIFO-Expertin.

Hans Bürger (ORF) über die Steuerreform

Die Regierung stellte ihre Steuerpläne vor. Hans Bürger analysiert die Vorhaben.

Für den Chef des Instituts für Höhere Studien (IHS), Martin Kocher, gehen die Steuerreformpläne in die „richtige Richtung“. Wermutstropfen sei jedoch, dass die Steuerreform über einen längeren Zeitraum erfolge. Und auch Kocher kritisierte die zaghafte Ökologisierung, die „zu vorsichtig“ ausfalle. „Da hätten wir mutigere Schritte erwartet.“ Zwar gingen die enthaltenen Ansätze wie die Ökologisierung der Normverbrauchsabgabe, die Rücksichtnahme bei der motorbezogenen Versicherungssteuer auf Leistung und CO2-Ausstoß und die Förderung von Biomasse in die richtige Richtung, „sie werden aber nicht ausreichen, um die Klimaziele zu erreichen“. Das sei aber der Maxime geschuldet, dass die Regierung keine neuen Schulden machen will, so Kocher.

Umweltorganisationen kritisieren „blinden Fleck“

Kritik an mangelnden Klimamaßnahmen kam auch von Umweltorganisationen, die in der Steuerreform keine Schritte zur Ökologisierung sahen. Es handle sich um ein „folgenschweres Versäumnis im Kampf gegen die Klimakatastrophe", so Greenpeace. Die Organisation forderte eine CO2-Abgabe, eine Steuerbefreiung für den öffentlichen Verkehr und das Streichen klimaschädlicher Subventionen. Global 2000 kritisierte „einen großen blinden Fleck“ beim Thema Klimaschutz. Es würden trotz Lippenbekenntnissen entscheidende Reformen ausgelassen. Auch die Stellungnahmen von WWF und Umweltdachverband gingen in diese Richtung.

Grafik zur Steuerreform
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: BMF/Regierung

Die Opposition zeigte sich in mehreren Punkten skeptisch. SPÖ-Finanzsprecher Jan Krainer ortete in einer Aussendung in zweierlei Hinsicht eine Mogelpackung. Erstens erhielten Großkonzerne durch die Senkung der Körperschaftssteuer Steuergeschenke in Milliardenhöhe, zweitens handle es sich bei der Gegenfinanzierung um einen ungedeckten Scheck, meinte er. Bis zum Wirksamwerden würden die Arbeitnehmer durch die kalte Progression weit mehr verlieren, als sie sich dann ersparen.

Opposition ortet Versäumnisse

Der stellvertretende NEOS-Klubobmann Nikolaus Scherak vermisste eine „wirklich nachhaltige Steuerreform, die Menschen und Wirtschaft entlastet sowie eine Ökologisierung des Abgabensystems bringt“. Bürgerinnen und Bürger müssten sich „die Entlastung selbst zahlen, nachdem die Abschaffung der kalten Progression auf den Sankt-Nimmerleins-Tag verschoben wurde“, so Scherak per Aussendung.

Bruno Rossmann, Klubobmann und Budgetsprecher von Jetzt, vermisste eine Strukturreform. „Die dringend nötige aufkommensneutrale ökosoziale Steuerreform bleibt aus. Damit wird die Chance, unsere Klimaziele doch noch zu erreichen, verpasst. Vermögen werden zudem weiterhin geschont.“ Die Gegenfinanzierung sei eine Trickserei.

Auch Grünen-Bundessprecher Werner Kogler vermisste die Ökologisierung. „Vom Volumen her ist das nicht der Rede wert“, sagte er. Die wirkliche Krux sei aber, dass die Reform vor allem Vorteile für Unternehmen bringe. Zudem werde etwas versprochen, das erst 2022 kommen solle; für Kogler ein Hinweis auf die „Turbo-Vergrasserung“ der Bundesregierung.

Freude bei Autofahrerclub

Freude gab es hingegen beim Autofahrerclub ÖAMTC. „Statt auf zusätzliche Belastungen wird auf stärkere Anreize zum Kauf von effizienteren Neufahrzeugen gesetzt. Damit hat jeder Neuwagenkäufer seine Steuerlast selbst in der Hand und es kommt zu keiner Zwangsbelastung aller übrigen Autofahrer“, hieß es am Dienstag.

Lob kam auch von Wirtschaftskammer (WKÖ), Wirtschaftsbund und Industrie. Sie vermissten in ihren Stellungnahmen keine Maßnahmen zur Ökologisierung. Die Steuerreform sei „ein wichtiges Signal für den Wirtschaftsstandort, unsere Unternehmen, deren Mitarbeiter und ihre Familien“, so etwa WKÖ-Präsident Harald Mahrer in einer Aussendung.

Strache: „Großer Wurf“

Die Industriellenvereinigung (IV) freute sich zwar über die angekündigte Senkung der Körperschaftssteuer auf 21 Prozent bis 2023. Das zeige in die richtige Richtung, „hätte aber im Sinne des Standortes mutiger ausfallen können“, sagte Präsident Georg Kapsch in einer Aussendung. Die ÖVP strich die Entlastung für kleine und mittlere Einkommen hervor. „Vieles, das früher nicht möglich war, ist nun möglich, nämlich die Menschen zu entlasten und gleichzeitig keine Schulden zu machen oder durch die Hintertür neue Belastungen einzuführen“, so Bundeskanzler Kurz.

Vizekanzler und FPÖ-Chef Heinz-Christian Strache bezeichnete die Steuerreform als „großen Wurf“, als Reform mit „Hausverstand“, die „mehr Fairness und Gerechtigkeit“ für Arbeiter, Familien, Pensionisten und Kleinunternehmer bringe.