Insel St. Lucia
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Wegen Masern

Kreuzfahrtschiff sitzt in Karibik fest

Ein US-Kreuzfahrtschiff sitzt im Hafen der Insel St. Lucia in der Karibik fest. Der Grund: ein Masernausbruch an Bord. Nach Bestätigung des Falls am Dienstag stellte die Chefärztin des Inselstaats, Merlene Fredericks-James, das Schiff umgehend unter Quarantäne. Niemand darf den Kreuzer – Hinweisen zufolge handelt es sich um ein Schiff der Scientology-Religionsgemeinschaft – derzeit verlassen.

Fredericks-James sagte in einem Videostatement, das auf YouTube gepostet wurde, das Ministerium könne aufgrund „zwei glaubhafter Quellen“ einen Masernausbruch an Bord bestätigen. Masern seien eine höchst ansteckende Krankheit, weshalb die Quarantäne unumgänglich gewesen sei, zeigte sich die Chefärztin alarmiert. „Der Schiffsarzt hat den bestätigten Fall an Bord isoliert“, zitierte der US-Sender NBC-News Fredericks-James. „Die Person befindet sich in stabilem Zustand.“ Laut NBC ist die erkrankte Person ein weibliches Crewmitglied.

„Eine infizierte Person kann andere leicht durch Husten, Niesen, durch das Anfassen verschiedener Oberflächen und so weiter infizieren“, warnte Fredericks-James. Aufgrund der Gefahr einer möglichen Infektion sei deshalb die Entscheidung gefallen, dass niemand von Bord gehen dürfe. Außerdem hob sie in ihrem Videostatement die derzeit erhöhte Maserngefahr in den USA hervor, wo die Situation zur Zeit so schlimm eingeschätzt wird wie seit 25 Jahren nicht mehr.

Scientology-Mitglieder an Bord?

NBC zufolge kann der Inselstaat dem Kreuzfahrtschiff nur die Empfehlung geben, den Hafen nicht zu verlassen – der Kapitän sei nicht dazu verpflichtet, dem Ratschlag auch wirklich nachzukommen. Reguläre Abfahrtszeit sei Donnerstag, 23.59 Uhr Ortszeit. Der Sender berief sich außerdem auf die örtliche Küstenwache, die beobachtet haben will, dass es sich bei dem Kreuzer um die 135-Meter-lange „Freewinds“ der Scientology-Religionsgemeinschaft handle.

Karte von St. Lucia
Grafik: Map Resources/ORF.at

Wie die Website Marinetraffic.com zeigt, liegt zur Zeit tatsächlich ein Schiff mit dem Namen „SMV Freewinds“ vor der Hauptstadt Castries im Westen der Insel vor Anker. Laut „Washington Post“ („WP“) gibt es nur ein Kreuzfahrtschiff mit diesem Namen. Das Schiff hat eine Kapazität von 300 Personen.

„Für einen Scientologen der Höhepunkt“

Scientology reagierte bisher nicht auf den Fall, und auch von den Behörden wurde offiziell nicht bestätigt, dass es sich um die „Freewinds“ handelt. Auf der Website der Scientologen in Deutschland ist lediglich zu lesen, dass die „Freewinds“ ein Passagierschiff ist, das durch die Karibik fährt. Der Kreuzer sei „ein Ort der geistigen Regeneration und Stärkung, wo die fortgeschrittensten Stufen der spirituellen Seelsorge der Scientology Religion geboten werden“, heißt es dort.

Eine Fahrt auf der „Freewinds“ sei der Website zufolge „für einen Scientologen der Höhepunkt einer zutiefst spirituellen Reise“, der „Jahre an Ausbildung und Auditing“ erfordere. Auditing bezeichnet eine Art der Befragung durch einen Lügendetektor. „Es ist das bedeutendste spirituelle Ereignis in seinem Leben und bringt die vollständige Erkenntnis der eigenen Unsterblichkeit mit sich“, behauptet Scientology. Unabhängige Stellen gehen von maximal 200.000 Mitgliedern der Scientology-Religionsgemeinschaft aus, davon etwa 25.000 aus den USA. Beobachterinnen und Beobachter gehen von etwa 500 Mitgliedern in Österreich aus.

Kreuzfahrtschiff „Freewinds“
Die „Freewinds“ – das Kreuzfahrtschiff der Scientology-Religionsgemeinschaft

In einem Interview mit der Website Beliefnet aus dem Jahr 2006 sagte Scientology-Anführer John Carmichael, die Organisation habe keine offiziellen Regeln für oder gegen das Impfen. „Scientologen sind ziemlich unabhängige Menschen, obwohl ich Folgendes sagen möchte: Sie neigen dazu, vielleicht etwas mehr über die Auswirkungen verschiedener medizinischer Verfahren zu recherchieren“, so Carmichael. „Sie treffen ihre eigenen Entscheidungen, aber das sind keine Entscheidungen, die die Kirche in irgendeiner Weise zu beeinflussen versucht.“

Erhöhte Zahl der Masernerkrankungen

Laut Vermutungen der US-Medien dürften sich etliche US-Amerikanerinnen und Amerikaner auf dem Schiff befinden. Erst diese Woche wurden in den USA für 2019 bereits mehr als 700 Masernfälle in 22 Bundesstaaten bestätigt. Zumeist seien ungeimpfte Kinder erkrankt, hieß es dazu vom US-Zentrum für Krankheitsbekämpfung und Prävention am Montag. Angesichts der steigenden Zahl an Masernfällen in den USA hat die Gesundheitsbehörde CDC die Bevölkerung eindringlich zu Impfungen aufgerufen. In St. Lucia jedoch habe es seit 1990 keinen Masernfall mehr gegeben, bestätigte Michelle Francois, Epidemiologin aus St. Lucia, der „WP“.

Auch in Österreich gibt es in diesem Jahr bereits etliche Masernfälle, mehr als 60 wurden heuer bestätigt. In Österreich gibt es große Lücken, insbesondere bei der zweiten Teilimpfung. Ausreichend geschützt ist man nämlich nur nach zwei Impfungen gegen Masern-Mumps-Röteln oder bei Nachweis schützender Antikörperspiegel im Blut (Titerbestimmung), wenn man die Krankheit schon durchgemacht hat. Auch das österreichische Gesundheitsministerium appelliert an die Bevölkerung, den eigenen Impfstatus zu prüfen.

WHO und UNICEF warnen

Die WHO und das UNO-Kinderhilfswerk UNICEF schlugen jüngst wegen der Ausbreitung der Masern Alarm. Im ersten Quartal 2019 registrierte die WHO einen drastischen Anstieg der Infektionen: Weltweit wurden mehr als 112.000 Fälle gemeldet, viermal so viele wie im Vorjahreszeitraum. Während in den reichen Ländern die Ausbreitung der Masern vornehmlich auf eine zunehmende Impfskepsis zurückgeht, spielen anderswo auch religiöse Motive eine Rolle. In armen Weltgegenden haben viele Menschen hingegen schlichtweg keinen Zugang zur Masernimpfung.

Masern sind eine Viruserkrankung, die schneller übertragen wird als etwa die Grippe oder Ebola. Wenn ein Infizierter niest oder hustet, bleiben die Viren noch zwei Stunden aktiv. Eine Infektion kann also noch erfolgen, wenn gar kein Infizierter mehr im Raum ist. Außerdem können Infizierte das Masernvirus bereits vier Tage vor Ausbruch des typischen Ausschlags übertragen.