Junge Offiziere
Bundesheer/Peter Lechner
Bundesheer

Verwunderung über Offiziere in Ministerien

Einige Verwunderung und reichlich Kritik haben Berichte über Verbindungsoffiziere des Bundesheeres in mehreren Ministerien ausgelöst. Wie die „Tiroler Tageszeitung“ berichtete, sind in sechs Ministerien Vertreter des Heeres installiert worden. Die Opposition spricht von „Spitzeloffizieren“ und „Infiltration der Ministerien“. Das Bundesheer rechtfertigte sich mit besserer Vernetzung. Doch auch in den betroffenen Ministerien zeigte man sich teils überrascht.

Solche Offiziere gibt es im Finanzministerium, Innenministerium, Bildungsministerium, Infrastrukturministerium, Außenministerium und Vizekanzleramt. Sie säßen aber nicht alle in den jeweiligen Ministerien und machten das auch nicht hauptberuflich, wie Bundesheersprecher Michael Bauer auf APA-Anfrage erläuterte.

Einige seien in den Ministerien platziert, einige von ihnen arbeiteten im Verteidigungsministerium und hätten zusätzlich die Aufgabe des Verbindungsoffiziers. Der Verbindungsoffizier im Finanzministerium sei wiederum hauptberuflich stellvertretender Kabinettschef von Staatssekretär Hubert Fuchs (FPÖ). Laut „Tiroler Tageszeitung“ sollen in allen Ministerien solche Stellen eingerichtet werden.

„Umfassende Landesverteidigung“

Verbindungsoffiziere gab es in der Vergangenheit vereinzelt in Botschaften, und es gab in der Zweiten Republik immer einen Adjutanten beim Oberbefehlshaber des Bundesheeres, also beim Bundespräsidenten. Verbindungsoffiziere in den Ministerien gab es bisher nicht.

Beim Bundesheer erklärte man den Einsatz der Offiziere damit, dass es zu den Kernaufgaben des Heeres gehöre, Verbindungen herzustellen, informiert zu sein. Zudem entspreche der Einsatz der Verbindungsoffiziere der Umfassenden Landesverteidigung, sagte Bauer.

„Verbindung und Kontakt“ als „militärisches Grundprinzip“

Laut Verteidigungsminister Mario Kunasek (FPÖ) sind Verbindungsoffiziere „federführend“ verantwortlich für Projekte, die ressortübergreifend im Einvernehmen mit anderen Ressorts zu realisieren seien. Als Beispiele wurden die „Sicherheitsschule“ und Projekte im Bildungs- und Forschungsbereich genannt. „Verbindung und Kontakt halten ist ein militärisches Grundprinzip und erleichtert strukturierte interministerielle Abläufe und die Kommunikation“, so Kunasek.

Im Ö1-Mittagsjournal sagte Bauer, die Maßnahme würde die Arbeit im Alltag erleichtern und die Verwaltung beschleunigen. Sie sei auch als „Serviceleistung“ für die anderen Ministerien zu sehen: Wenn etwa der Unterrichtsminister eine „Zuarbeit bei der geistigen Landesverteidigung“ brauche, könne er einfach darauf zugreifen – Audio dazu in oe1.ORF.at.

Faßmann: „Fallweise Gespräche“

ÖVP-Bildungsminister Heinz Faßmann sagte gegenüber Ö1, er habe die Botschaft von den Verbindungsoffizieren mit großer Überraschung vernommen. „Konkret wissen wir im Haus nichts davon.“ Dass es eine Person gebe, die physisch an Ort und Stelle sitze, könne er sich angesichts des Sparappells des Finanzministers nicht vorstellen. Gegenüber der APA sagte er, dass es in seinem Haus keinen Verbindungsoffizier gebe, sondern nur eine Ansprechperson im Verteidigungsministerium, mit der es „fallweise anlassbezogene Gespräche“ gebe. Auch die „Tiroler Tageszeitung“ berichtetet, dass es in den betroffenen Ministerien überraschte Gesichter gegeben habe.

Rechtliche Bedenken

Rechtliche Bedenken meldete der Verfassungsexperte Bernd-Christian Funk im Mittagsjournal an: Das Bundesministeriengesetz sehe weder in seinem Konzept noch in einzelnen Regeln „das Einrichten einer solchen quer durchlaufenden“ Organisation vor. Die Koordinationsaufgaben zur Wahrung der Regierungspolitik seien dem Bundeskanzler vorbehalten. Man müsse sich schon fragen, worauf sich eine solche Maßnahme rechtlich stützen kann, so Funk. Rechtlich schwierig könnten auch die Fragen der Amtsverschwiegenheit, der Ministerverantwortung und des Datenschutzes sein. Auch Verfassungsjurist Heinz Mayer bezeichnete das Vorgehen im „Standard“ als „schwer bedenklich“.

Mit EU-Ratspräsidentschaft durchgesetzt

Die Idee der Vernetzung des Heeres hinein in die Ministerien stammt vom Generalsekretär im Verteidigungsministerium, Wolfgang Baumann. Entstanden sei sie rund um die EU-Ratspräsidentschaft 2018, als es darum gegangen sei, möglichst gut organisiert und vernetzt zu sein. Der FPÖ-nahe Berufsoffizier Baumann war in den vergangenen Jahren beim Heeresnachrichtendienst tätig und wurde von Kunasek zum mächtigsten Beamten im Verteidigungsministerium ernannt.

Zuletzt waren Kunasek und Baumann mit der kurzzeitigen Aufhebung der Sperrvermerke für Mitglieder der rechtsextremen Identitären in die Schlagzeilen geraten. Und Baumann ließ im Vorjahr auch mit dem Wunsch aufhorchen, in allen Kasernen in die Fotogalerie – neben Kunasek und Bundespräsident Alexander Van der Bellen – aufgenommen zu werden.

Oppositionskritik an „Spitzeloffizieren“

Kritik kam von der Opposition: Die SPÖ sprach von „Spitzeloffizieren“ und kündigte eine parlamentarische Anfrage an Kunasek an. Landesverteidigungssprecher Rudolf Plessl und Verfassungssprecher Peter Wittmann wollen den Grund für die Entsendung und auch die Kosten dafür erklärt bekommen: „Es kann wohl nicht sein, dass für die österreichischen Soldatinnen und Soldaten kein Geld da ist und diese mit untauglichen Ausrüstungsgegenständen ihre Aufgaben erfüllen müssen, aber gleichzeitig Geld genug bereitsteht, um Spitzeloffiziere in andere Ressorts zu entsenden“, kritisierten Wittmann und Plessl.

„Freiheitliche Infiltration“

„Verwundert“ reagierte NEOS-Wehrsprecher Douglas Hoyos. Das Heer sei dringend sanierungsbedürftig. Doch „ganz offensichtlich“ gehe es Kunasek und seinem Generalsekretär „weniger um das Bundesheer als vielmehr um das Ausweiten des persönlichen Machteinflusses“. Hoyos kritisierte einmal mehr die geplante „völlig überteuerte Sicherheitsschule“ in Wiener Neustadt, „die jetzt auch noch als haarsträubende Begründung herangezogen wird, warum Verbindungsoffiziere in den Ministerien, konkret auch im Bildungsministerium, sitzen“.

Peter Pilz (Jetzt) kritisierte die „freiheitliche Infiltration der Ministerien über Verbindungsoffiziere des Bundesheeres" aufs Schärfste: „Diese Aktion hinter dem Rücken des Parlaments und des Bundespräsidenten ist ein weiterer Versuch, freiheitliche Sicherheitspolitik in alle Ministerien zu tragen. Was Kunasek als umfassende Landesverteidigung ausgibt, entpuppt sich als umfassende freiheitliche Einflussnahme.“