Parlament gedenkt der Opfer des Nationalsozialismus

Das alljährliche Gedenken an die Opfer des Nationalsozialismus durch das österreichische Parlament hat heute eine deutliche neue Richtung genommen: Verantwortlich dafür war Hauptredner Bassam Tibi, der in der Hofburg in Wien von Antisemitismus im Islam, aber auch „von Links“ sprach und vor einem neuen Holocaust im Nahen Osten durch den Iran warnte.

Tibi, in Syrien geborener Politikwissenschaftler, ist als Warner vor „zugewandertem Antisemitismus“ bekannt. Auch diesmal machte er diesen zum Thema. „Wenn man gegen Antisemitismus ist, muss man gegen alle Formen des Antisemitismus sein“, sagte er vor den Spitzenrepräsentanten der Republik mit Bundeskanzler Sebastian Kurz (ÖVP) an der Spitze.

Warnung vor neuem Holocaust durch den Iran

Das Problem sah er dabei im Islamismus und der in Ägypten der 1920er Jahre gegründeten Muslimbruderschaft, die heute auch in Deutschland und Österreich sehr mächtig sei. Der „New Antisemitism“ werde oft als „Israel-Kritik“ heruntergespielt, etwa von Labour in Großbritannien.

In Europa würden Nationalsozialisten und Rechtsradikale nicht mehr bestimmen, wo es langgeht, schloss Tibi eine neuerliche systematische Judenverfolgung aus. „Wenn sich ein Holocaust wiederholt, wird es im Nahen Osten sein“, warnte er und verwies auf Atombombenpläne des Iran gegen Israel.

Sobotka: Gedenken weitergeben

Auch Nationalratspräsident Wolfgang Sobotka (ÖVP) sah das in Europa verunmöglicht und begründete das mit Bildung, starker Demokratie und dem Gesetz. Man müsse jedoch das Gedenken an die Verbrechen im Nationalsozialismus, an das entmenschlichte Unrechtsregime, aber auch an die zögerliche Aufarbeitung nach 1945 und die lange aufrechterhaltene Opferrolle Österreichs an die kommenden Generationen weitergeben. Gleichzeitig gelte es, sich gegen einen neuen Antisemitismus zu stellen und autoritären Parallelgesellschaften nicht Halt zu geben.

Weniger auf islamische Antisemiten, sondern auf die politischen Akteure hierzulande richtete sich die Aufmerksamkeit von Bundesratspräsident Ingo Appe (SPÖ). Er warnte vor Populisten und bedauerte, dass die Verbreitung von Angst und Hass in Österreich wieder salonfähig geworden sei. „Demokratie braucht Menschenrechte, Gewaltenteilung und Meinungsfreiheit. Dazu zähle ich auch kritische Medien und Journalisten. Demokratie braucht Pluralismus und einen Dialog miteinander“, unterstrich er.

„Tragen wir die Fackel des ‚Niemals vergessen‘ weiter“

Karoline Edtstadler (ÖVP), Staatssekretärin im Innenministerium, erinnerte an die jüngsten Forschungsergebnisse zu Wissenslücken junger Österreicher zum Holocaust. „Tragen wir die Fackel des ‚Niemals vergessen‘ weiter“, sagte sie. Es gelte, die Kräfte gegen Antisemitismus, Rassismus und Hass zu bündeln, „egal von welcher politischen oder religiösen Gesinnung das ausgehen mag“.

Edtstadler ist auch Listenzweite der ÖVP im EU-Wahlkampf. Ihr Auftritt bei der Gedenkveranstaltung war daher im Vorfeld auf Kritik der Opposition gestoßen. Die SPÖ sah das Parlament als Wahlkampfbühne missbraucht, viele ihrer Abgeordneten (nicht aber Parteichefin Pamela Rendi-Wagner) blieben der Veranstaltung fern.