Wahlveranstaltung in Südafrika
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Korruption

Südafrika-Wahl als Nagelprobe für den ANC

25 Jahre nach dem Sturz des rassistischen und repressiven Apartheid-Regimes ruft Südafrika am Mittwoch seine Bevölkerung zur Urne. Gewählt werden eine neue Nationalversammlung und die neun Provinzversammlungen. Für den seit 1994 regierenden Afrikanischen Nationalkongress (ANC) wird die Wahl zur Nagelprobe nach dem Korruptionssumpf der Ära Zuma.

ANC-Chef Cyril Ramaphosa ist erst seit Februar 2018 Präsident des südlichsten Landes des afrikanischen Kontinents. Er übernahm das Amt vergangenes Jahr von Jacob Zuma, als dieser nach jahrelangen Korruptionsvorwürfen zurücktreten musste. Ramaphosa versprach bei Amtsantritt einen Neuanfang – und den braucht es in Südafrika dringend.

Das südafrikanische Nachrichtenportal Businesstech rechnet aktuellen Umfragen zufolge mit 47 bis 62,2 Prozent der Stimmen für den ANC bei der Wahl zur Nationalversammlung, die ihrerseits dann den Präsidenten wählt. Eine Ergebnis von unter 50 Prozent wäre eine schwere Schlappe – und das schlechteste Ergebnis der Geschichte. Daneben stehen noch fast 50 weitere Parteien zur Wahl: Die Demokratische Allianz (DA), die größte Oppositionspartei des Landes und Mitte-rechts angesiedelt, soll laut Umfragen auf etwa 22 Prozent kommen. Der populistischen Linkspartei Economic Freedom Fighters (EFF) werden unter zehn Prozent der Stimmen prognostiziert.

Grafik zur Parlamentswahl 2014 in Südafrika
Grafik: APA/ORF.at; Quelle: Guardian

Mandelas Erben

Der ANC ist tief mit der Geschichte Südafrikas verbunden. Von 1960 bis 1990 war er eine politische Organisation, seine Aktivitäten per Gesetz illegal. Der ANC gilt nach wie vor als die führende Bewegung gegen Rassismus, da er einst das Land aus der Apartheid führte – selbst aus dem Exil hatte die Bewegung noch großen Einfluss auf das Geschehen in Südafrika. Berühmtester Politiker des ANC war der 2013 verstorbene Nelson Mandela, einst erster schwarzer Präsident Südafrikas.

Apartheid

Als Apartheid wird eine geschichtliche Periode der staatlich festgelegten und organisierten „Rassentrennung“ in Südafrika bezeichnet. Sie war vor allem durch die autoritäre, selbst erklärte Vorherrschaft der weißen Bevölkerungsgruppe gekennzeichnet.

Doch das Image des ANC ist heute mehr als nur angekratzt. Die Partei wird mit mehr als bloß mit dem Freiheitskampf gegen Unterdrückung und soziale Ungerechtigkeit verbunden. Obwohl dem ANC der Sieg sicher gilt, sinken die Beliebtheitswerte in den letzten Jahren. Schuld daran sind diverse Korruptionsskandale – allen voran jene von Expräsident Zuma, dem mehrere hundert Vergehen vorgeworfen wurden.

Ramaphosa muss sich beweisen

Als Zuma Anfang 2018 vom ANC zum Rücktritt gedrängt wurde, übernahm Ramaphosa das Ruder. Er versprach einen Neuanfang und eine entschlossenere Bekämpfung der Korruption. Doch seine bisherige Bilanz fällt eher gemischt aus.

Als Weggefährte Mandelas galt Ramaphosa bereits in den 1990er Jahren als politische Zukunftshoffnung. Doch nach einer Wahlniederlage im Präsidentschaftsrennen gegen Thabo Mbeki zog er sich 1997 aus der Politik zurück und wurde ein höchst erfolgreicher Geschäftsmann mit einem Privatvermögen von mehreren hundert Millionen Euro. 2014 kehrte er als Stellvertreter Zumas in die Politik zurück – und dass er als Vizepräsident nichts von Zumas Machenschaften gewusst haben will, wird ihm nun vorgeworfen.

Cyril Ramaphosa, Mmusi Maimane und Julius Malema
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Ramaphosa, Maimane und Malema

Theologe als erster Herausforderer

Oppositionsführer Mmusi Maimane von der Demokratischen Allianz (DA) zog mit einer ernüchternde Bilanz in die Wahl. 25 Jahre ANC hätten aus Südafrika nicht das Land gemacht, „von dem wir einst geträumt hatten“. Insider seien reich geworden, die Masse der Menschen gehe aber weiter leer aus. „Die systematische Korruption hat jeden Aspekt unseres Lebens hier infiziert“, sagte Maimane in seiner vorab gehaltenen Gegenrede. „Eine Erneuerung mit dem ANC ist nicht möglich, weil die Fäulnis bereits die ganze Partei ergriffen hat – und von dort den ganzen Staat.“ Maimane ist studierter Theologe. Vom ANC wird ihm vorgeworfen, als Schwarzer nur ein Feigenblatt der „Weißen-Partei“ DA zu sein.

Malema punktet mit Radikalismus

Zugewinne verspricht sich die EFF von Julius Malema. Der ehemalige Chef der ANC-Jugendliga ist ein rhetorisch begabter Populist, der wegen seiner extremen Forderungen bis zu seinem Rausschmiss aus dem ANC Zuma herausforderte. Der Schulabbrecher und Bewunderer des ehemaligen simbabwischen Autokraten Robert Mugabe macht publikumswirksam „Imperialisten“ und „weiße Kapitalisten“ sowie korrupte ANC-Führer für die Miseren Südafrikas verantwortlich.

In der Wortwahl ist er wenig zimperlich: „Das Parlament ist voller Gauner und Krimineller. Geht und schießt wild auf sie, wählt nicht aus“, sagte Malema im Wahlkampf an die Polizei gewandt. Er fordert Verstaatlichungen wichtiger Unternehmen und will das Land der zumeist weißen Farmer ohne Entschädigung enteignen. Letztere Forderung hat sich als so populär erwiesen, dass der ANC sie übernahm. Abgesehen von seinen radikalen Forderungen steht er aber auch wegen seines Lebenswandels in der Kritik: Auch gegen ihn wurde bereits wegen Korruption ermittelt. Der selbst ernannte Sprecher der armen Massen liebt Luxus und schnelle Autos.

Wahl als Wendepunkt?

Er profitiert vom weit verbreiteten Vorwurf, dass der ANC für die Wählerschaft nicht genug getan hat, um diese bei der Stange zu halten. Denn die soziale Ungerechtigkeit ist in Südafrika – wenn auch nicht mehr per Gesetz – immer noch an der Tagesordnung. Wie der „Guardian“ berichtete, reiche die alleinige Anti-Apartheid-Einstellung heute nicht mehr. Junge Südafrikanerinnen und Südafrikaner, insbesondere im urbanen Schmelztiegel Kapstadt, wollten ihr Land weiter als Regenbogennation vorantreiben.

Wahlkundgebung des ANC
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ANC-Anhängerinnen bei einer Wahlveranstaltung

Einige Beobachterinnen und Beobachter meinen, die Wahlen könnten einen Wendepunkt darstellen, denn Ramaphosa könnte nach der Wahl versuchen, seine Gegnerinnen und Gegner innerhalb des ANC zu bekämpfen, und wichtige Reformen durchsetzen, die für das Wirtschaftswachstum von Nöten wären. Sollte der ANC schlechter als erwartet abschneiden, so der „Guardian“, könnte Ramaphosa abgelöst werden – ähnlich wie er selbst 2018 Zuma vom Chefsessel gedrängt hatte.

Armut und Arbeitslosigkeit

Doch trotz nach wie vor großer Zustimmung bekam auch der ANC viele Probleme des Landes nicht in den Griff. Ungefähr die Hälfte der Erwachsenen in Südafrika leben unter der Armutsgrenze, wie ein Blick auf die Statistik der Nation zeigt. Die ärmere Bevölkerung ist es auch, die besonders oft in Gewaltverbrechen involviert ist – sowohl als Opfer als auch als Täter. Die Arbeitslosenquote liegt bei 27 Prozent und die Einkommensungleichheit ist eine der größten weltweit.

Viele Südafrikanerinnen und Südafrikaner haben keinen Zugang zu fließendem Wasser und Strom, viele haben kein Dach über dem Kopf. Die Landreform ist deshalb zum heißen Eisen im Wahlkampf geworden. Seit dem Ende der Apartheid sind einer Studie zufolge weniger als zehn Prozent des Agrarlandes von weißem in schwarzen Besitz übergegangen. Die Probleme hätten allerdings weniger mit den Besitzverhältnissen zu tun als vielmehr mit einem Mangel an landwirtschaftlichen Kenntnissen und Krediten, erklärte das Institut für Armut und Agrarstudien.

Auf die Höhe des Wahlsiegs kommt es an

Mit fast 27 Millionen Wahlberechtigten sind es zwar um 1,3 Millionen mehr als bei der letzten Wahl 2014, jedoch haben sich laut dem Nachrichtenportal news24 zehn Millionen, hauptsächlich junge Wählerinnen und Wähler, nicht für die Wahl registriert.

Der Südafrikanische Präsident Cyril Ramaphosa
AP/Ben Curtis
Präsident Ramaphosa beim Wahlabschluss in Johannesburg

Dass der ANC die Wahl gewinnt, gilt als klar. Es wird jedoch darauf ankommen, wie viele Stimmen Ramaphosa auf sich vereinigen kann. Ein schlechtes Ergebnis würde ihn vor allem im Kampf mit Rivalen innerhalb des ANC schwächen, sind sich Expertinnen und Experten einig. Geht er gestärkt aus der Wahl hervor, hat er für seine Reformen mehr Gestaltungsmöglichkeiten. Diese muss er aber auch nutzen – sonst läuft der ANC Gefahr, sich wieder in ähnliche politische Machtkämpfe zu verstricken, wie sie das Land in den vergangen Jahr gelähmt haben.