Anti-Mafia-Demonstration in Neapel
EBU/RAI/Radiotelevisione Italiana
„Schreckliches Leben“

Sohn von Camorra-Boss wettert gegen Mafia

Bei einer Anti-Mafia-Demonstration in Neapel hat der Sohn eines Mafia-Bosses am Sonntag für Aufregung gesorgt. „Ich habe das Leben der Camorra gehasst“, so Antonio Piccirillo über seine Jugend. Väter wie seiner würden ihrer Familie das Leben „zur Hölle machen“. Auslöser für die Demo war die Verletzung eines vierjährigen Mädchens bei einer Schießerei.

„Die Camorra muss aus Neapel verschwinden“, so der 23-jährige Piccirillo bei der Demonstration, sie sei ein Krebsgeschwür für die Stadt. „Kinder von Camorra-Mitgliedern haben kein schönes Leben. Ihre Familien haben ein schreckliches Leben. Ich beteilige mich zum ersten Mal an einer Demonstration. Ich tue es, weil ich mir eine bessere Zukunft für meine Stadt, meine Kinder und für die nächsten Generationen wünsche“, sagte er.

Seinen eigenen Vater, Camorra-Boss Rosario Piccirillo, habe er in seiner Kindheit kaum gesehen, weil er die meiste Zeit im Gefängnis gewesen sei, so Piccirillo – so wie derzeit. „Kindern von Camorra-Mitgliedern sage ich: Liebt eure Väter, doch verleugnet ihre Lebensweise, denn sie führt zu nichts! Unsere Väter haben uns das Leben zur Hölle gemacht. Wir müssen sie lieben, doch wer seiner Familie Leid zufügt, ist kein guter Vater.“

Er liebe seinen Vater, doch mitterweile habe er sich von ihm distanziert, denn „er hat mein Leben unmöglich gemacht“. Die Camorra sei nie edel gewesen, sondern sei ohne jegliche Ethik, und es habe sich auch nie ausgezahlt, Mitglied zu sein, zitierte „Napoli Today“ aus seiner Rede weiter. „Anständige Menschen respektieren einander, und Mitglieder der Camorra respektieren niemanden.“

Mutter belog Sohn über Vater

Seine Mutter habe ihm immer wieder Lügen über seinen Vater erzählt: An einem Tag sei er Bauarbeiter gewesen, an einem anderen Anwalt, sagte Piccirillo im Interview mit der römischen Tageszeitung „La Repubblica“ (Montag-Ausgabe). Mit den Lügen habe er angefangen, das Leben mit der Camorra zu hassen. Mittlerweile habe er sich auch bei seinen Freunden für die Lügen in seinem Leben entschuldigt.

Demo gegen Mafia-Gewalt in Neapel

Hunderte Menschen haben am Sonntag in Neapel gegen die Gewalt der Mafia demonstriert. Auslöser war eine Schießerei, bei der eine Vierjährige angeschossen wurde. (Videoquelle: EBU/RAI/Radiotelevisione Italiana)

„Ich bin Sohn eines Camorra-Bosses, doch ich hasse die mafiöse Subkultur“, so Piccirillo weiter. Er bedauere, dass er keine Matura habe, sagte er weiter. Sein Traum sei es, Soziologie zu studieren, doch er wisse nicht, ob er es jemals schaffen werde. Derzeit arbeite er in der Touristikbranche. „Ich bin glücklich, Touristen zu empfangen, die das Schöne in Neapel schätzen.“

Hunderte Menschen auf den Straßen

Hunderte Menschen nahmen bei der Demonstration in Neapel teil. Sie protestierten gegen die Gewalt, bei der auch immer wieder Unschuldige zu Opfern werden. „Neapel entwaffnen!“, lautete der Slogan der Demonstration, bei der die Regierung aufgefordert wurde, in der süditalienischen Metropole für mehr Sicherheit zu sorgen. „Diese Stadt will nicht mehr in Angst leben“, betonten die Teilnehmerinnen und Teilnehmer.

Demonstranten
EBU

Drei Personen, darunter ein vierjähriges Mädchen, wurden am Freitagabend im Zentrum Neapels von einem Mann auf einem Motorroller angeschossen. Zur Tatzeit befanden sich viele Menschen auf der Straße. Ziel des Täters war offenbar ein 32-jähriger, polizeibekannter Neapolitaner mit Verbindungen zur Camorra. Er wurde schwer verletzt ins Spital eingeliefert. Leicht verletzt wurde auch die 50-jährige Großmutter des Kindes.