EU-Parlament in Straßburg
Reuters/Reuters TV
Wieder 751 statt 705 Sitze

Die Folgen der britischen EU-Wahl-Teilnahme

Zwei Wochen vor der Europawahl ist seit Dienstag klar, dass Großbritannien trotz des geplanten Brexits nochmals an dem EU-Urnengang Ende Mai teilnimmt. Premierministerin Theresa May wollte das eigentlich unbedingt vermeiden, fand im britischen Parlament aber keine Mehrheit für die Annahme des Austrittsabkommens. Die Wahlteilnahme der Briten schafft auch für die EU Probleme. Nachfolgend ein Überblick.

Keine Verkleinerung des EU-Parlaments: Mit Blick auf den ursprünglich schon im März vorgesehenen Brexit haben die EU-Staaten eigentlich eine Verkleinerung des Parlaments beschlossen. Statt 751 Abgeordnete sollten dort künftig 705 Volksvertreter aus den noch 27 EU-Staaten tagen.

Bleiben die Briten über die konstituierende Sitzung des neuen Parlaments am 2. Juli hinaus, fällt die Verkleinerung erst einmal aus. Großbritannien hätte bis zu seinem endgültigen Austritt weiter 73 Sitze im EU-Parlament. Erst nach dem Brexit würde es dann wie geplant schrumpfen.

Andere EU-Abgeordnete in der Warteschleife: 27 der 73 britischen Sitze wurden durch den Verkleinerungsbeschluss bereits auf andere EU-Staaten verteilt, die dadurch nach der Europawahl mehr Sitze im Parlament hätten. Bleiben die Briten über Anfang Juli hinaus, würden diese Abgeordneten aus Ländern wie Frankreich, Belgien und Österreich zwar gewählt, könnten aber ihr Mandat nicht antreten. Sie müssten bis zum endgültigen Brexit-Termin warten, wenn die britischen Parlamentarier ihre Sitze räumen.

Mehrkosten: Mehr Abgeordnete kosten auch mehr. Nach dem Beschluss des letzten Brexit-Gipfels können die Briten bis maximal 31. Oktober bleiben. Laut der deutschen EU-Haushaltspolitikerin Ingeborg Gräßle (CDU) würde das seit dem ursprünglichen Brexit-Datum am 29. März Mehrkosten von 21 Millionen Euro bedeuten. Jedes weitere Jahr würde Gräßle zufolge mit 36,3 Millionen Euro zu Buche schlagen. Bleiben die Briten, zahlen sie aber auch weiter in den EU-Haushalt ein und tragen die Kosten de facto selbst.

Briten wählen neuen Kommissionspräsidenten mit: Für viele EU-Vertreter ist es auch problematisch, dass Abgeordnete eines Landes, das eigentlich austreten will, im Juli den neuen Präsidenten der EU-Kommission mitwählen könnten. Er benötigt die Stimmen der Mehrheit der Mitglieder des Parlaments. Stellen die Briten Abgeordnete, hätten sie mit fast zehn Prozent der Stimmen beträchtlichen Einfluss auf die Besetzung des mächtigen Postens bis zum Jahr 2024 – obwohl sie der Union selbst bald wahrscheinlich den Rücken kehren.

Stärkung EU-kritischer Kräfte: Auch die gesetzgeberische Arbeit des Parlaments könnte in einem solchen Szenario zunächst eine ganz andere Richtung nehmen. Mit britischen Vertretern im Parlament würde sich die ohnehin durch die Wahl voraussichtlich steigende Zahl der europaskeptischen Abgeordneten weiter erhöhen, warnen Experten des Brüsseler European Policy Centre (EPC). Das könne „nachteilige Folgen für das Machtgleichgewicht“ im Parlament haben.